Was hier vorliegt, bedeutet nichts anderes als eine Aufweichung der Parlamentsrechte

14.03.2014
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Es soll über die Einsetzung einer Kommission debattiert werden, die sich damit zu befassen hat, inwieweit das Parlament gefragt werden muss, wenn die Bundeswehr im Ausland eingesetzt wird. Einsätze im Ausland bedeuten sehr oft Kriegseinsätze. Wir reden über den Einsatz der Bundeswehr in Kriegen. Das ist der Hintergrund; darauf muss man zurückkommen.
Mit dem, was Herr Annen zum vorliegenden Antrag gesagt hat, hat er in keinem Punkt recht. Die Einsetzung der Kommission ist mit einem Auftrag gekoppelt. Der Auftrag lautet nicht - das taucht an keiner Stelle im Antrag auf - , die Parlamentsrechte zu stärken, sondern er lautet, Parlamentsrechte zurückzunehmen. Das ist der Hintergrund des vorliegenden Antrags.

 

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Rede im Bundestag zum Koalitionsantrag „Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung Parlamentsbeteiligung“ am Freitag, 14. März 2014

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Danke sehr, Herr Präsident. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Niels Annen hat in einem einzigen Punkt recht: Es soll über die Einsetzung einer Kommission debattiert werden, die sich damit zu befassen hat, inwieweit das Parlament gefragt werden muss, wenn die Bundeswehr im Ausland eingesetzt wird. Einsätze im Ausland bedeuten sehr oft Kriegseinsätze. Wir reden über den Einsatz der Bundeswehr in Kriegen. Das ist der Hintergrund; darauf muss man zurückkommen.

Mit dem, was Herr Annen zum vorliegenden Antrag gesagt hat, hat er in keinem Punkt recht. Die Einsetzung der Kommission ist mit einem Auftrag gekoppelt. Der Auftrag lautet nicht - das taucht an keiner Stelle im Antrag auf - , die Parlamentsrechte zu stärken, sondern er lautet, Parlamentsrechte zurückzunehmen. Das ist der Hintergrund des vorliegenden Antrags.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da ich die Debatten aus der Union kenne, hätte mich das nicht so beschäftigt. Aber dass das auch von Sozialdemokraten mitgetragen und vorgelegt wird! Das ist der Preis für die Regierung, die Sie gebildet haben und die eine andere politische Ausrichtung hat. Darum kann man nicht herumreden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was hier vorliegt, bedeutet nichts anderes als eine Aufweichung der Parlamentsrechte.

Kollege Annen, man sollte schon einmal einen Gedanken darauf verschwenden, in welcher Situation wir über so etwas reden. Ich gehöre zu einer Generation, die geglaubt hat, dass das Thema Krieg nicht mehr ein Thema unserer Zeit ist. Ich war immer sicher, dass meine Tochter und mein Enkelkind nicht mehr mit Krieg befasst sein werden. Ich finde es katastrophal, dass mit dem Jugoslawien-Krieg der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist und dass wir mit dem Afghanistan-Krieg in einen großen Krieg verwickelt sind. Ich befürchte angesichts der Debatte über die Krim und der dortigen Situation, dass wir wieder in eine Phase des Kalten Krieges oder zumindest in eine Phase der Aufrüstung kommen. Vor diesem Hintergrund Parlamentsrechte abbauen zu wollen, ist einfach unverantwortlich. Dem Vorwurf müssen Sie sich stellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eigentlich müsste man jetzt einen Abschnitt mit den Worten einleiten: Es war einmal. Es war einmal eine Republik, die einen Art. 26 im Grundgesetz hatte, nach dem die Beteiligung an Angriffskriegen unter Strafe zu stellen war. Es war einmal eine Republik, in der die Bundeswehr ausschließlich zur Verteidigung eingesetzt werden sollte. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist bereits eine Aufweichung dieser Position. Ich will Ihnen nur drei Zahlen vortragen: Seitdem waren 320.000 Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätzen. Soll das fortgesetzt werden? In 24 Ländern ist die Bundeswehr eingesetzt worden. Insgesamt betrugen die einsatzbedingten Zusatzkosten fast 18 Milliarden Euro. Ist das der Kurs, der mit dieser Kommission gesteuert werden soll?

Es lohnt sich, sich die Sache im Einzelnen anzuschauen. Wenn man Ihren Antrag liest, stellt man fest, dass er noch nicht einmal ergebnisoffen ist. Das Ergebnis, das Sie erreichen wollen, ist im Text festgehalten. Das ist doch für jeden klar. Ich hätte keinen Anlass, das Gesetz über den Parlamentsvorbehalt zu verteidigen. Es hat bei keiner Abstimmung geholfen, einen Einsatz der Bundeswehr zu verhindern, wie ich es gerne gehabt hätte. Es bringt aber drei Vorteile mit sich, die ich verteidigen möchte:

Erstens sind Parlamentsrechte auch in dieser Frage besser als Regierungsrechte, und Parlamentsrechte muss man verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Vorteil ist: Es zwingt zu einer gewissen Transparenz. Jede Regierung wird ihre Absichten hier im Parlament zu erklären und zu begründen haben. Das bietet nicht nur die Chance zur Gegenrede, sondern es bietet auch die Chance, dass sich die Bevölkerung selbst eine Meinung bilden kann, ob sie einen Einsatz will oder nicht. Das ist für mich ein wichtiges Argument. Deswegen will ich, dass die Parlamentsrechte ausgebaut und nicht abgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der dritte Punkt ist: Ich möchte, dass jeder hier die Verantwortung übernimmt, wenn er Ja sagt, aber auch, wenn er Nein sagt. Jeder soll offen die Verantwortung für die Soldaten übernehmen und sich nicht in der Anonymität verstecken. Man soll sich namentlich dazu bekennen müssen, ob man einen Einsatz will oder nicht. Auch das ist ein großer Fortschritt durch das Gesetz: dass Verantwortung namentlich wahrgenommen wird und nicht anonym bleibt. Deswegen möchte ich das Gesetz verteidigen.

Schauen wir uns die Anträge an. Im Koalitionsantrag geht es um eine Abstufung der Intensität der parlamentarischen Befassung je nach Art des Einsatzes. Wie übersetzen Sie das? Es kann dann aus Ihrer Sicht Einsätze geben, über die gar nicht mehr geredet werden soll oder nur noch am Rande? Muss dazu kein Antrag mehr gestellt werden? Wollen Sie das? Diesen Auftrag geben Sie der Kommission, nämlich vorzuschlagen, sich nicht mehr mit einem Einsatz auseinanderzusetzen? Das steht in Ihrem Text. Sie schreiben, die Kommission solle „zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte“ eingesetzt werden.

(Rainer Arnold (SPD): Sicherung! Genau!)

Da fehlt doch etwas.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stärkung!)

Warum taucht nicht die Formulierung „Stärkung der Parlamentsrechte“ auf? Diesen Begriff vermeiden Sie in Ihrem Antrag wie der Teufel das Weihwasser.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen die Parlamentsrechte eben nicht stärken.

In dieser Hinsicht ist der Grünen-Antrag entschieden besser. Ich bedanke mich übrigens für die faire Bereitschaft, in dieser Frage mit uns zusammenzuarbeiten. Da ich gerade die Grünen immer sehr robust kritisiere, kann ich mir auch erlauben, zu sagen: Das fand ich ganz angenehm.

(Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wird auch Zeit!)

Herzlichen Dank dafür.

(Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte, bitte!)

Ich sage für uns: Wenn der Auftrag der Kommission so bleibt, wie er laut dem Antrag ausgestaltet werden soll, dann werden wir uns an dieser Kommission nicht beteiligen, sondern wir werden alternativ arbeiten. Wir werden nicht der Diskussion ausweichen, aber ich möchte nicht den Namen der Linken unter die Arbeit einer Kommission setzen, die letzten Endes empfiehlt, die Parlamentsrechte aufzuweichen. Das machen wir nicht mit. Deshalb werden wir in dieser Kommission auch nicht arbeiten.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)