Abrüstung, Zerstörung von Chemiewaffen und Politik der LINKEN - eine Antwort an Paul Schäfer

04.04.2014
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Ich finde eine Unterscheidung zwischen den LINKEN Abgeordneten danach, dass die Einen mehr abrüstungsorientiert seien und deshalb für ein Ja zur Bereitstellung der Fregatte Augsburg tendieren würden, und die Anderen mehr friedensorientiert seien und dies eher ablehnen würden, schlichtweg falsch. Über die Dialektik von Frieden und Abrüstung, lieber Paul, hatten wir beide ganze Bücher geschrieben, darunter übrigens ein sehr schönes Schwarzbuch zur neuen Bundeswehr.

 

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Eine Antwort an meinen Genossen Paul Schäfer zu Abrüstung, Zerstörung von Chemiewaffen und die Politik der LINKEN

 

Lieber Paul,

erst einmal Dank für Deine spontane Zusendung und Deine Argumentation zur deutschen Beteiligung am maritimen Schutz der CAPE RAY zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen. Deine Stellungnahme hat uns pünktlich zu Beginn der entsprechenden Fraktionssitzung erreicht und da wir uns lange und gut kennen, lieber Freund Paul: ein Schelm, wer Falsches dabei denkt. Natürlich willst Du die Fraktion DIE LINKE beeinflussen, das ist auch Dein Recht. Viele hören auf Deinen Rat, ich eingeschlossen. Aber Du weißt auch, die Widersprüche treiben die Entwicklung voran. Deswegen melde ich Widerspruch zu Deinen Positionen an – im Grundsatz und im Einzelnen.

Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE werden sich entscheiden. Wir sind uns völlig einig, dass die syrischen Chemiewaffen entsorgt werden müssen und dass Deutschland sich an der Zerstörung der Kampfstoffe und der Entsorgung der Reststoffe beteiligen soll. Die Gesellschaft zur Entsorgung chemischer Kampfstoffe und Rüstungs-Altlasten (GEKA) in Munster ist dafür höchst geeignet. Die Zurverfügungstellung dieser Anlage habe ich mehrfach gefordert, auch zu einem Zeitpunkt, da die Bundesregierung dies und jede andere Beteiligung an der Entsorgung der Chemiewaffen noch strikt abgelehnt hat. Die einzige Alternative zu der russisch-amerikanisch-syrischen Vereinbarung über die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wären Bomben auf Damaskus gewesen. Wir alle waren glücklich, dass Diplomatie über Militär in dieser Frage gesiegt hatte. Und wenn ich „alle“ schreibe, dann meine ich auch wirklich alle Mitglieder unserer Fraktion DIE LINKE, wie unterschiedlich sie alle auch in anderen Fragen denken mögen. Deswegen: Ich finde eine Unterscheidung zwischen den LINKEN Abgeordneten danach, dass die Einen mehr abrüstungsorientiert seien und deshalb für ein Ja zur Bereitstellung der Fregatte Augsburg tendieren würden, und die Anderen mehr friedensorientiert seien und dies eher ablehnen würden, schlichtweg falsch. Über die Dialektik von Frieden und Abrüstung, lieber Paul, hatten wir beide ganze Bücher geschrieben, darunter übrigens ein sehr schönes Schwarzbuch zur neuen Bundeswehr.

Nun folgerst Du, aus der Unterstützung für die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen müsse man auch bereit sein, eine Fregatte der Bundesmarine zum Schutz des Schiffes, auf dem die Zerstörung der Kampfstoffe erfolgen wird, einzusetzen. Gibt es nicht auch die Berechtigung, umgekehrt zu sagen: Warum muss Deutschland ein Kriegsschiff schicken, wenn so vieles andere möglich wäre? Erinnerst du Dich daran, Paul, wir beide haben die Losung „Deutschland soll den Kriegsdienst verweigern“ einmal erfunden? Das war unsere Definition für einen deutschen Alleingang, von dem wir hofften und ich immer noch hoffe, dass wir für diesen Weg unser Land und noch mehr Länder gewinnen können. Es gibt keinen Mangel an eingesetzten Militärschiffen.

Wenden wir uns nun der Frage zu, über was die Abgeordneten eigentlich entscheiden sollen. Der konkrete Antrag der Bundesregierung lautet, dass der Deutsche Bundestag militärische Fähigkeiten zur Verfügung stellen soll. Diese werden im Einzelnen benannt. Das schließt gegebenenfalls einen Kampfeinsatz ein und nicht aus, auch wenn dieser Begriff, wie Du zu Recht schreibst, im juristischen Sinne unkorrekt ist. Ob der Einsatz der Fregatte ein Auslandseinsatz ist oder nicht im Hinblick darauf, dass die Fregatte sich in internationalen Gewässern bewegen soll, darüber müssen wir beide nicht streiten. Du hast die Relevanz dieser Frage immer sehr schön widerlegt, wenn Abgeordnete der anderen Fraktionen Dich wegen unserer ablehnenden Haltung zu den Piratenbekämpfungsmandaten kritisiert haben. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist allerdings die Frage, warum die Anforderung der deutschen Fregatte von den USA und der NATO kam und nicht von der zuständigen Organisation für das Verbot chemischer Waffen bzw. dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen, die Mandatsträger sind. Auch halte ich den Umstand für bemerkenswert, dass eine weitere, umfangreiche Beteiligung Russlands an der Aktion zur Vernichtung der Chemiewaffen mit dem Hinweis auf das russische Vorgehen auf der Krim in Frage gestellt worden ist.

Unterstellen wir jetzt das richtige Argument, syrische Chemiewaffen müssen vernichtet werden, unterstellen wir die richtige Feststellung, dass das konkrete Abrüstung ist und unterstellen wir, dass eine Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Russland in dieser Frage eine „Vergeltung“ für das russische Vorgehen auf der Krim ist, so straft man Russland damit, in dem man diesem Land die Mitwirkung an einer Abrüstungsinitiative verweigert. So argumentiert die Bundesregierung. Mit dem gleichen Argument aber wird die Zustimmung für den Einsatz der Fregatte AUGSBURG vom Bundestag gefordert. Ein Ball paradox! Wäre es nicht eine vernünftige Politik, wenn die LINKE jetzt die Initiative ergreift: Wir wollen nicht nur die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen, sondern wir wollen eine weltweite Initiative zur Vernichtung der Massenvernichtungswaffen befördern. Das wäre linke Abrüstungspolitik.

Auch wenn es noch so schwer ist, lieber Paul, wir können die Augen nicht davor verschließen, in welchem Kontext wir über diese Fragen diskutieren. Ich war in diesem Jahr wieder, wie Du weißt, bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Ansagen des Bundespräsidenten Gauck, von Außenminister Steinmeier und von Verteidigungsministerin von der Leyen, dass man nicht daneben sitzen dürfe, wenn globale Veränderungen vor sich gehen, heißt ja deutlich, deutsche Außenpolitik ist auch und immer mehr Militärpolitik. Ich übertrage das nicht eins zu eins auf den konkret vorliegenden Antrag, kann und will es aber nicht beiseite schieben. Eine solche politische Überlegung wirst Du mir zubilligen, auch wenn Du offensichtlich, wie ich aus Deinen Papieren lese, in diesem Zusammenhang nur grundlegenden Pazifismus für respektabel hältst. Gerade weil ich mich oft über meine eigene Fraktion und hin und wieder auch über meine eigene Arbeit ärgere, will ich Dir noch einmal schreiben, wie stolz ich darauf bin, dass die Fraktion auch diese Frage streitbar und ernsthaft diskutiert. Das gilt für alle Fraktionsmitglieder. Wenn ich den mehrheitlichen Einheitsbrei in den anderen Fraktionen sehe und anhören muss, bin ich dann wieder ein Stück weit versöhnt mit der eigenen Fraktion.

Die Bundesregierung verbindet ihren Antrag mit der katastrophalen humanitären Lage in Syrien. Das hat sogar eine gewisse politische Berechtigung, obwohl es im Wortsinn mit dem Mandat nichts zu tun hat. Dabei behauptet die Bundesregierung, dass die Chemiewaffen in Syrien durch das Regime Assad eingesetzt wurden. Das haben Verteidigungsministerin von der Leyen und Staatsminister Roth im Plenum wiederholt, ohne auch nur einen annähernden Beweis dafür zu liefen. Sie haben sich nicht einmal darum bemüht. Syrien bedarf ganz anderer Initiativen, Initiativen für Waffenruhe und Waffenstillstand, Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, so schwer das auch immer sein mag, und eines generellen Verbotes von Waffenlieferungen in die gesamte Konfliktregion. All das wird von der Bundesregierung nicht oder höchstens halbherzig unterstützt. Politik sind eben keine „sinnentleerten Glaubenssätze“, vor denen Du warnst, und die abrüstungspolitische Glaubwürdigkeit erreichen wir durch konkrete Abrüstungspolitik. DIE LINKE ist und bleibt auch im konkreten Fall abrüstungspolitisch glaubwürdig.

Paul Schäfers Brief an die Fraktion ist hier nachzulesen