Ja oder Nein zum Krieg, das ist die entscheidende Frage

03.07.2014
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Wir wollten hier eine Debatte über die geschichtlichen Hintergründe und über Widersprüche - Karl Liebknecht kann man nur differenziert betrachten, genauso wie Rosa Luxemburg; das ist doch selbstverständlich - anstoßen, und wir wollten eine Debatte über die Erinnerungskultur hier im Hause anstoßen. Dass es viele andere Plätze gibt, die an Karl Liebknecht erinnern, ist kein Argument, warum nicht auch in diesem Parlament, in dem die Auseinandersetzungen stattfanden, in besonderer Art und Weise an Karl Liebknecht erinnert werden sollte.

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46. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am Donnerstag, 3. Juli 2014
TOP 12 – Antrag der Fraktion DIE LINKE „100 Jahre Erster Weltkrieg, 100 Jahre Nein zum Krieg – Gedenktafel für Karl Liebknecht“

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Schönen Dank, Herr Präsident. Wir wollten hier eine Debatte über die geschichtlichen Hintergründe und über Widersprüche - Karl Liebknecht kann man nur differenziert betrachten, genauso wie Rosa Luxemburg; das ist doch selbstverständlich - anstoßen, und wir wollten eine Debatte über die Erinnerungskultur hier im Hause anstoßen. Dass es viele andere Plätze gibt, die an Karl Liebknecht erinnern, ist kein Argument, warum nicht auch in diesem Parlament, in dem die Auseinandersetzungen stattfanden, in besonderer Art und Weise an Karl Liebknecht erinnert werden sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit einer künstlerisch gestalteten Plakette oder Tafel - wie auch immer - möchte ich eine Debatte vom Zaune brechen und die Erinnerung an Karl Liebknecht wachhalten, an einen beeindruckenden, mutigen Abgeordneten, der als Einzelner gegen eine große Fraktionsmehrheit in dieser Frage gestimmt hat und konsequent geblieben ist. Diesen Mut muss man in diesem Parlament doch würdigen können, Frau Lotze. Da ich nicht so viel Zeit habe, will ich Ihnen jetzt nicht vorlesen, was unser Parlamentspräsident, Herr Lammert, dazu geschrieben hat. Er ist darauf eingegangen und hat den Mut von Karl Liebknecht gewürdigt.

(Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Frau Lotze auch!)

Es geht darum, diesen Mut hier im Parlament zu würdigen und nicht nur an anderen Plätzen.

Ich möchte, dass die aus meiner Sicht entscheidende Frage der damaligen Zeit - Ja oder Nein zu Kriegskrediten und damit Ja oder Nein zum Krieg - hier wieder aufgerufen wird. Damit werden wir uns immer auseinandersetzen müssen. In einer Zeit der Trommeln und Hurrarufe hat Karl Liebknecht eine andere Richtung eingeschlagen. Ich glaube, diese Richtung ist für die Geschichte Deutschlands von außerordentlich großer Bedeutung und darf daher nicht verdrängt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg haben ihre mutigen Enthaltungen später mit dem eigenen Leben bezahlt. Hunderttausenden Menschen war ihr Leben bereits auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges geraubt worden. Ich sage Ihnen: Wer über 1945 nachdenkt, über die Befreiung vom Faschismus, darf über 1933, über die Machtübernahme der Nazis, nicht hinweggehen, und die Machtübernahme begann mit der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, mit dem Bündnis der Eliten des Kaiserreichs, den Militärs, dem deutschen Kastenwesen und der Rüstungsindustrie. Dagegen hat Liebknecht Widerstand geleistet. Bei aller Differenziertheit der Untersuchungen zum Ersten Weltkrieg: Dieses furchtbare Bündnis - Kastenwesen, Militärs, Rüstungsindustrie - ist immer noch lebendig bzw. lebendig geblieben. Mit ihm muss man sich immer noch auseinandersetzen.

(Beifall bei der LINKEN - Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Ach, das ist doch Quatsch! - Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Eine sehr, sehr verblendete Sicht haben Sie!)

Hier im Bundestag haben wir in einer Gedenkstunde gemeinsam die Rede des französischen Publizisten Alfred Grosser als geistige Herausforderung wahrgenommen.

(Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Sie haben offensichtlich nicht zugehört!)

Vor dem Hintergrund der großen Rede, die Alfred Grosser gehalten hat, schäme ich mich schon ein bisschen dafür, wie diese Debatte verläuft.

(Ansgar Heveling (CDU/CSU): Das liegt vor allem an Ihrem Beitrag!)

Man muss nicht alles teilen; aber man sollte sich erst einmal auf dieses Niveau einlassen.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Das sollten Sie sich selbst auch mal vornehmen!)

- Ja, „Setzen, sechs!“ für Sie.

Ich möchte gern, dass man auch über die Haltung von Karl Liebknecht, die damaligen Auseinandersetzungen und die Spaltung der Arbeiterbewegung nachdenkt; das ist für mich ein wichtiges Thema. Die Spaltung der Arbeiterbewegung in diesem Lande hat mit dazu beigetragen, dass die Nazis die Macht erobern konnten. Die Spaltung der Arbeiterbewegung aufzuheben, das bleibt für mich die große Herausforderung, der wir alle gerecht werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wird nicht immer ganz einfach werden.

(Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Sie hatten doch die SED!)

- Ich will die SPD ja gar nicht vorführen.

(Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Die SED!)

Ich will sie ja gewinnen; das ist doch bekannt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich würde Ihnen zum Schluss gern noch einen Gedanken von Karl Liebknecht vorlesen,

(Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Ich glaube, dafür reicht die Zeit nicht mehr! Wie schade!)

den er 1912 aufgeschrieben hat. Damals hat er geschrieben:

„Es kann kein Krieg mehr geführt werden, der nicht begeisterten Widerhall in der Masse der Bevölkerung findet.“

Das war, wie gesagt, 1912.

„Und wie will man einen Krieg führen heutzutage, wenn die Masse des Volkes nicht nur keine Begeisterung für den Krieg empfindet, wenn sie mit Abscheu, Hass und Empörung den Kriegshetzereien gegenübersteht, wenn sie entschlossenen Willen besitzt, den Weltfrieden aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle.“

In dieser Frage war Karl Liebknecht, wie auch in anderen Fragen, seiner Zeit voraus.

Vizepräsident Johannes Singhammer:

Herr Kollege Gehrcke, auch bei großzügiger Auslegung der Redezeit müssen Sie zum Schluss kommen.

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Ja, okay, ich komme zum Schluss. - In dieser Frage war Liebknecht seiner Zeit, wie gesagt, voraus. Heute erleben wir, dass Kriege nicht mehr gegen den Willen der Bevölkerung einfach vom Zaun gebrochen werden können. Ist das nicht eine gewaltige Errungenschaft? In diesem Punkt bin ich mit Deutschland mehr versöhnt, als ich es je gewesen bin. Auch darüber kann man doch gemeinsam nachdenken.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)