Sicherheit durch Abrüstung

08.10.2014
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Es geht nicht nur um Sicherheit. Ich möchte auch über andere Fragen reden, die immer verdrängt werden. Wenn man den Bericht liest - es geht um neun große Rüstungsprojekte -, weiß man sofort: Es geht um Geld, um viel Geld. Wir reden über Sicherheit, und andere reden über Profite. Mit Rüstung werden ungeheure Profite gemacht. Darüber muss man sprechen. Ich möchte einmal im Sinne von Transparenz aufgelistet haben, welche Rüstungsunternehmen an welchem Projekt wie viel verdient haben. Während hier über Sicherheit gesprochen wird, geht es um Geld und Profit. Das Streben nach Profit sollte aber nicht unsere Politik aussteuern.

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56. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am Mittwoch, 8. Oktober 2014

Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Reaktion der Bundesregierung auf den Rüstungsbericht und die schwierige Situation des Beschaffungswesens der Bundeswehr“

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Schönen Dank, Herr Präsident. Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich befürchte, dass ich mich mit meinem Beitrag nicht in die Schar der Gratulanten zum Geburtstag einreihen kann, sondern es etwas kantiger wird.

(Thomas Hitschler (SPD): Überraschung! Rainer Arnold (SPD): Schade!)

Genau so.

Ich möchte zu Anfang ein Problem ansprechen, das nur mittelbar mit der Frage zu tun hat, über die wir hier debattieren. Vielleicht gibt es da eine Möglichkeit zur Verständigung; in Fragen der Rüstung und der Aufrüstung gibt es von mir keine Brücke.

Ich habe die neuesten Informationen aus Kobane: IS ist auf dem Rückzug. Wenn das stimmen sollte, sollte das uns alle glücklich machen. Ich möchte gern, dass wir zumindest gemeinsam Druck auf die Türkei entwickeln und der Türkei klipp und klar sagen: Die Grenzen müssen für Flüchtlinge auf- und für den IS zugemacht werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf dieses Minimum werden wir uns doch hier im Haus verständigen können.

Jetzt möchte ich zu dem Bericht argumentieren. Ich habe ihn voller Spannung gelesen. Es ist eigentlich ein Krimi, der hier aufgeführt worden ist. Ich würde titeln: Kriminaltango, initiiert von der Ministerin von der Leyen. - Vom Stern wurde sie als „Kriegsministerin“ bezeichnet. Das hat der Stern gemacht, nicht ich; ich wiederhole das hier nur.

(Henning Otte (CDU/CSU): Haben Sie eine Anzeige geschaltet?)

Ich möchte gern, dass man über zwei verschiedene Grundrichtungen nachdenkt. Die Grundrichtung der Linken ist: Wir wollen Sicherheit durch Abrüstung. Die Grundrichtung der Verteidigungsministerin und der Regierung ist: Sicherheit durch Aufrüstung. - Das wird scheitern, und das geht nicht zusammen. Sicherheit ist durch Abrüstung zu erreichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht nur um Sicherheit. Ich möchte auch über andere Fragen reden, die immer verdrängt werden. Wenn man den Bericht liest - es geht um neun große Rüstungsprojekte -, weiß man sofort: Es geht um Geld, um viel Geld. Wir reden über Sicherheit, und andere reden über Profite. Mit Rüstung werden ungeheure Profite gemacht. Darüber muss man sprechen. Ich möchte einmal im Sinne von Transparenz aufgelistet haben, welche Rüstungsunternehmen an welchem Projekt wie viel verdient haben. Während hier über Sicherheit gesprochen wird, geht es um Geld und Profit. Das Streben nach Profit sollte aber nicht unsere Politik aussteuern. Das gehört zu dem Krimi.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen auch über mafiöse Strukturen in diesem ganzen Bereich reden. In meinem Jargon würde ich diese Kooperation von Rüstung, von Rüstungsinteressen und Ministerium eher als militärisch-industriellen Komplex bezeichnen. Wer schreibt eigentlich die Vorschläge, was beschafft werden soll und von wem es geliefert werden soll? Jetzt hört und liest man, dass Verträge sogar von denen geschrieben werden, die auf der anderen Seite das Geld dadurch bekommen, und dass das Ministerium selbst so oberflächlich auf die Dinge eingeht, dass die Bezeichnung Filz zwischen Politik und Militär durchaus angebracht ist. Ich möchte über diesen Filz reden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte ein weiteres Problem ansprechen - Frau Ministerin, hier spreche ich Sie auch ganz direkt an -: Wäre es nicht möglich, etwas mehr Respekt vor dem Parlament - nicht vor einzelnen Abgeordneten - an den Tag zu legen? Müssen Sie mit jeder Planung, so absurd sie auch im Einzelnen ist, sofort versuchen, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben?

(Henning Otte (CDU/CSU): Transparenz!)

An der russischen Westgrenze Drohnen aus Deutschland und Soldaten aus Deutschland stationieren zu wollen, ist so absurd und so gefährlich wie nur irgendwas.

(Beifall bei der LINKEN)

Die OSZE will das gar nicht; das wissen Sie. Die OSZE hat nicht angefragt. Sie drängen sich hier auf.

(Henning Otte (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht!)

Kann man das klären und hier sagen, dass wir als Deutscher Bundestag das nicht wollen, es sollen keine Soldaten dort stationiert werden, wo deutsche Soldaten einmal waren? Das war die Politik und auch die Formulierung von Herrn Kohl: keine deutschen Soldaten, wo deutsche Soldaten einmal waren.

Muss der Bundestag aus den Medien erfahren, dass Sie Ausbildungszentren im Nordirak einrichten wollen? Ich finde, diese Art des Umgangs mit dem Parlament macht viel kaputt und die deutsche Politik noch unseriöser, als sie sowieso schon ist.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich möchte nicht, dass mit dem Parlament in dieser Art und Weise umgegangen wird. Ich fordere Respekt für das Parlament. Ich finde, dass das Parlament die Entscheidung hat. Das sollte man auch in allen Fragen deutlich machen und nicht vorab die Presse so hochschaukeln, dass es sich bereits wie Fakten liest.

Keine deutschen Soldaten an die Westgrenze Russlands, das ist das Mindeste, was Sie aus der Geschichte lernen sollten.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)