Auch der Anstand ist nach Griechenland ausgewandert

06.07.2015
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Der Rücktritt des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis in dem Moment, in dem das griechische Volk die Zumutungen der Troika zurückgewiesen hat, spricht für seinen lauteren Charakter und seine enge Verbindung mit Alexis Tsipras. Es ist selten geworden in der Politik, dass ein führendes Mitglied einer Regierung das zu erreichende Ziel, endlich Schluss zu machen mit der Demütigung und Drangsalierung der griechischen Bevölkerung, vor die eigene Karriere stellt. Yanis Varoufakis gehört zu den Politikern, die mich bei einem Treffen mit ihm am meisten beeindruckt haben.

Ganz anders verhalten sich führende Politiker der Europäischen Kommission, des Europaparlamentes und auch der deutschen Politik. Weder der Europaparlamentspräsident Martin Schulz noch Eurogruppenchef Jeroen Djisselbloem noch der Vorsitzende des Außenausschusses im EP-Parlament Elmar Brok und auch nicht Finanzminister Schäuble haben sich bisher für ihre rüde, unparlamentarische Hetzte gegen den griechischen Ministerpräsidenten Tsipras entschuldigt. Die Entscheidung des griechischen Volkes ist eine schallende Ohrfeige für diese Typen. Wolfgang Schäuble hat bisher jeden Skandal in seiner Karriere beiseitegeschoben. Erinnert sei nur an die Spendenaffäre der CDU. Er trägt eine hohe Verantwortung, dass es bei den Verhandlungen mit Griechenland bislang nicht zu einer Einigung gekommen ist. Einen Rücktritt Schäubles habe ich nicht erwartet, aber es wäre ein Signal des Anstandes gewesen. Der Anstand jedoch ist nach Griechenland ausgewandert.