5 Vorschläge für eine europäische Entspannungspolitik

01.10.2015
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Beitrag zum IV. Internationalen Parlamentarischen Forum, Moskau am 1.10.15

russisch

Liebe Freundinnen und Freunde,

herzlichen Dank an das Parlament der Russischen Föderation, die Duma, für die Einladung und die Möglichkeit, hier zu sprechen. Dank auch dafür, dass die Duma in Zeiten der Wiederbelebung des Kalten Krieges an einer Politik des Dialogs festhält. Das ist viel in dieser Zeit, da die Welt aus den Fugen geraten ist.

60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, in den Kriegen nach 1989 sind mehr als 350.000 Menschen um ihr Leben gebracht worden. Nicht nur im Nahen Osten, auch in Europa besteht die Gefahr eines großen Krieges. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist so schlecht wie zu keinem Zeitpunkt nach 1945. All das darf nicht so bleiben, ein Politikwechsel ist dringend notwendig. Keines der großen Probleme in der Welt ist ohne Russland lösbar, weder in Syrien noch in Europa. Frieden und Sicherheit gibt es nur mit Russland und nicht ohne oder gar gegen Russland.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte Ihnen 5 Vorschläge für eine europäische Entspannungspolitik unterbreiten. Es wäre schön, wenn im Deutschen Bundestag und in der Duma darüber diskutiert würde – auch im Sinne des kürzlich verstorbenen Entspannungspolitikers Egon Bahr.

Erstens:   Deutschland und die Europäische Union müssen alle Versuche, Russland zu isolieren, zugunsten eines Systems der europäischen Sicherheit aufgeben. Als erster Schritt zur Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems unter Einbeziehung Russlands müssen die weitere Ausdehnung der NATO und die Stationierung von NATO-Einheiten an der russischen Westgrenze beendet werden.

Zweitens: Dem Sicherheitsbedürfnis aller europäischen Staaten ist Rechnung zu tragen. Dafür bieten die Schlussakte von Helsinki 1975 und die OSZE-Charta von Paris für ein neues Europa 1990 wichtige Ausgangspunkte. In diesem Sinne soll Deutschland zur Stärkung der OSZE, deren Vorsitz die Bundesrepublik 2016 übernimmt, beitragen.

Drittens:   Das Völkerrecht ist neu zu beleben. Für alle Staaten in Europa muss gelten: Verzicht auf Gewalt und die Androhung von Gewalt; unbedingter Respekt der politischen und territorialen Integrität der Staaten; alle politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland sind aufzuheben.

Viertens:  Die Ukraine braucht Frieden, Demokratie und eine Entmachtung der Oligarchen. Der Weg dorthin muss unterstützt werden. Eine militärische Lösung der schweren Krise in der Ukraine darf es dagegen nicht geben. Das Abkommen von Minsk II muss eingehalten werden.

Fünftens: Eine europäische Friedensbewegung ist heute dringend nötig. Eine neue Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit – „Helsinki plus 40“ – muss in Angriff genommen werden. Diese Staatenkonferenz sollte durch zivilgesellschaftliche Akteure, Friedensbewegungen, antifaschistische Organisationen und ökologische und soziale Initiativen begleitet und vorangetrieben werden. Eine auf solche Art gestaltete Friedenskonferenz könnte für sich in Anspruch nehmen, Teil einer Weltfriedenskonferenz zu sein. Notwendig ist ein gemeinsamer Raum des Friedens und der Entspannung von Lissabon bis Wladiwostok.

Parlamente dürfen kein Ort der Gesprächsverweigerung, gegenseitiger Reisebeschränkungen oder Sanktionen sein. Europa braucht keine neue Eiszeit – sondern aus der Duma und aus dem Bundestag sollten sich Abgeordnete für ein Anti-Eiszeit-Komitee zusammenfinden.

Herzlichen Dank!