Worte und Taten müssen übereinstimmen

13.01.2016
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Wolfgang Gehrke, DIE LINKE: Worte und Taten sollten übereinstimmen (Fraktion DIE LINKE. im Bundestag)

 

148. Sitzung des 18. Deutschen Bundestages am Mittwoch, 13. Januar 2016

Aktuelle Stunde auf Verlangen der Koalitionsfraktionen „Zur aktuellen Lage im Nahen und Mittleren Osten“

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Danke sehr. - Frau Präsidentin! Ich glaube, es ist völlig unumstritten, dass die Lage im Nahen und Mittleren Osten mit jedem Tag dramatischer wird. Auf einige dieser dramatischen Entwicklungen hat der Außenminister aufmerksam gemacht: der furchtbare Anschlag in Istanbul, der in der Lage ist, sehr viel von dem, was es an vernünftigen Überlegungen gegeben hat, mit sich in den Abgrund zu reißen, das fortgesetzte Morden und Töten in Syrien, der Krieg im Jemen, die Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.

Ich habe die große Sorge, dass dieser Mord an 47 verurteilten Menschen, darunter dem schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien, gewollt oder ungewollt, zu einem großen Konflikt in der ganzen Region führen kann. Ich finde, die deutsche Außenpolitik ist gut beraten, alles zu tun, um so etwas zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts einer solchen Situation bin ich, ehrlich gesagt, Herr Außenminister, für eine Doppelstrategie. Ich bin dafür, dass man mit den betroffenen Menschen redet; da haben Sie völlig Recht. Gesprächen auszuweichen, bringt überhaupt nichts. Solche Gespräche sind nicht immer angenehm. Das muss sich aber damit verbinden, dass man Klartext spricht und auch entsprechend handelt, wenn es um die Kritik an einem solchen Verhalten wie das Saudi-Arabiens geht. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Saudi-Arabien ist für mich so etwas wie der Staat des IS geworden. Vom IS unterscheidet Saudi-Arabien nicht viel. Menschen werden enthauptet, geschlagen oder totgepeitscht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie sind jetzt auf dünnem Eis!)

- Das kann ja sein. Das Eis ist immer dünn, Herr Kauder. Das wissen Sie am besten.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein, nein!)

Das ist der staatgewordene IS.

Ich möchte, dass jetzt endlich einmal einige Dinge klargestellt werden. Ich finde, dass die deutsche Nahostpolitik sprunghaft, streckenweise prinzipienlos und opportunistisch ist. Ich nenne Ihnen vier Beispiele. Es gäbe viel mehr.

Das erste Beispiel ist Saudi-Arabien. Nach der Hinrichtung der 47 Menschen wäre es notwendig gewesen, dem Staat Saudi-Arabien mitzuteilen: Es wird keine deutschen Waffenexporte nach Saudi-Arabien mehr geben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre doch das Mindeste, was man hätte tun können. Das ersetzt nicht die Gespräche. Zu den Gesprächen gehört aber auch, seitens der Weltgemeinschaft deutlich zu machen: So nicht! Das ist ausgeblieben. Gespräche sind angekündigt worden, aber das Handeln ist ausgeblieben.

Ich glaube, dass man ähnlich nachdenken muss, wie man mit der Türkei weiter umgeht. Das fällt mir jetzt schwer vor dem Hintergrund des Anschlags in Istanbul. Muss man der Türkei nicht viel deutlicher sagen: „Ja, es ist vernünftig, wenn die Türkei ebenso wie Saudi-Arabien und der Iran weiter an den Gesprächen in Wien teilnimmt, weil man dort zu einem Ergebnis kommen muss, aber wir werden nicht akzeptieren, dass die Türkei nach wie vor für den IS eine Nachschub- und Erholungsbasis ist“? Auch das muss man in aller Deutlichkeit vermitteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen wir Syrien selber. Ich war sehr froh über die Ergebnisse in Wien. Ich habe mich bei Ihnen, Herr Außenminister, für das, was dort verhandelt worden ist, auch bedankt. Ich finde die neun Punkte sehr vernünftig. Das ist ein Friedensplan für Syrien. Gehört dazu nicht auch, zu sagen: „Wir achten und akzeptieren die Staatlichkeit Syriens“? Eine deutsche Verletzung des Luftraums von Syrien durch den Tornado-Einsatz ohne UN-Beschluss und ohne Einladung der syrischen Regierung ist völlig inakzeptabel. Es ist verfassungs- und völkerrechtswidrig. Das werden wir auch dem Verfassungsgericht so vortragen. Es geht nicht, dass wir uns anmaßen, einfach über andere Staaten deutsches Militär einzusetzen. Das ist völlig inakzeptabel. Damit setzt man sich selber ins Unrecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte auch ein Thema ansprechen, das Sie nicht angesprochen haben: Muss man nicht gerade in dieser Situation auf die israelische Regierung einwirken, sich doch mehr zu bewegen, was die Zweistaatlichkeit angeht? Vielleicht ist sie jetzt noch möglich. Ob sie in einem Jahr noch möglich ist und was das für die ganze Region bedeutet, weiß keiner. Auch hier würde ich mir von der Bundesregierung wünschen - ich glaube ja nicht daran, dass es dazu kommt -, dass man ein paar deutliche Worte an die israelische Regierung richtet, und zwar nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern auch in der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich fordere Sie auf, dass die Bundesregierung ihr Reden und Handeln in Übereinstimmung bringt. Sonntagsreden über Werte, die man geachtet haben will, und ein anderes Handeln: Eine solche Politik kann nie auf Dauer vernünftig sein. Ich möchte gerne eine vernünftige deutsche Nahostpolitik. Die vermisse ich.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN