AfD auf Kriegs- und NATO-Kurs, Außenpolitik auf AfD-Deutsch

Außenpolitische Vorstellungen der "Alternative für Deutschland"
28.04.2016
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Wolfgang Gehrcke, Siegfried Ransch

Der Entwurf des Grundsatzprogramms der „Alternative für Deutschland“, 74 Seiten, untergliedert in 24 Kapitel, enthält in Kapitel 2 „Euro und Europa“ sowie in Kapitel 4 „Außen- und Sicherheitspolitik“ außenpolitische Vorstellungen der Partei. Kapitel 4 beginnt mit den Sätzen: „Die Bundesrepublik verfolgt eine orientierungslose Anpassungspolitik. Das führt dazu, dass zunehmend andere Staaten und Institutionen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik beeinflussen und steuern.“ (S. 20) Eine orientierungslose Politik verfolgen? Wie kann das gehen? Egal, „das“ führe dazu, dass andere Staaten und Institutionen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik erst „beeinflussen“, dann auch gleich „steuern“ und noch dazu alles „zunehmend“. Das ist eine Sprache der Demagogie, von der das Programm durchtränkt ist.

Weiter heißt es: „Sicherheitspolitische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit in Deutschland und Europa sind erodiert. Deswegen (!) ist Deutschland zunehmend auf den Schutz und die Unterstützung von Bündnispartnern, besonders der USA, angewiesen und kann eigene Interessen nicht angemessen vertreten.“ Das ist eine komplette Verdrehung der geschichtlichen Wahrheit bundesrepublikanischer Entwicklung von Beginn an bis heute. Nach der Zerschlagung des deutschen Welteroberungsfaschismus durch die Anti-Hitler-Koalition waren die Herrschaftssicherung des deutschen Finanz- und Industriekapitals und sein Wiederaufstieg zu einer bedeutenden ökonomischen sowie politischen Macht überhaupt ganz wesentlich durch seine Verbündeten, allen voran der amerikanische Verbündete, möglich. Und seien noch so viele Widersprüche in gegenwärtigen Bündnispartnerschaften Deutschlands vorhanden, die „eigenen“ Interessen der Multinationalen Konzerne, des Militärs, der Geheimdienste werden maßgeblich im Bündnis mit den USA, den anderen EU-Staaten sowie innerhalb der NATO verfolgt und durchgesetzt. Mit der zitierten Aussage spekuliert die AfD darauf, den breiter gewordenen Strom des Unbehagens an den verheerenden Folgen amerikanischer und NATO-Kriege in ihre Kanäle zu lenken.

Was bietet die „Alternative für Deutschland“ programmatisch als Alternative an? „Die AfD tritt … dafür ein, zur deutschen Außen- und Sicherheitspolitik eine langfristige ressortübergreifende Gesamtstrategie zu erarbeiten und umzusetzen. Dabei müssen die nationalen Interessen und das Wohl des deutschen Volkes im Mittelpunkt stehen.“ (S. 20)

Die Alternative der AfD besteht darin, dass die AfD auf dem Papier für eine Alternative eintritt, für eine langfristige, eine ressortübergreifende, die aber erst zu erarbeiten ist, eine, in der „die Interessen des deutschen Volkes“ im Mittelpunkt stehen sollen.

Diese deutschtümelnde, völkische Sichtweise ist ein weiterer Grundzug des gesamten Programmentwurfs. Die wirklichen sozialökonomischen und politischen Machtverhältnisse im Inneren wie im Äußeren bleiben ausgeblendet.

Die Vereinten Nationen, so heißt es im Text, seien für Sicherheit und Frieden in der Welt unverzichtbar. Die AfD setze sich dafür ein, dass Deutschland „beim Lösen internationaler Konflikte eine…konstruktive Rolle“ spiele. Das „Ziel“ solle sein, internationale Krisenherde diplomatisch zu entschärfen“, „humanitäre Katastrophen“, „Verlust der Heimat von Bevölkerungsgruppen zu vermeiden“. Wenn auch hier nichts Konkretes zu aktuellen internationalen Krisenherden gesagt wird, so wird doch auf wohlfeile Wirkung bei einem großen Teil der Wähler gesetzt, die eben die UNO für Sicherheit und Frieden für unverzichtbar halten.

Den zitierten Äußerungen zur UNO wird dann hinzugefügt: den „unkontrollierten Wanderungsbewegungen in Richtung Europa“ solle entgegen gewirkt werden. Vorne steht, humanitäre Katastrophen und Verlust der Heimat vermeiden, hinten heißt es, „unkontrollierte Wanderungsbewegungen“ vermeiden. Das ist AfD-Deutsch: Wenn schon „unkontrollierte Massenbewegungen“, Hauptsache, Fernhalten von Europa. Das bedeutet, den humanitären Katastrophen würde nicht nur nicht entgegen gewirkt, sondern sie sollten außerhalb einer Festung Europa bleiben und die Katastrophe würde somit noch verschärft. Wie das aussieht, ist an den massenhaft Ertrinkenden im Mittelmeer zu sehen. Gerade jetzt ertranken im Mittelmeer etwa 500 Menschen, die von Ägypten und aus Libyen auf der Flucht waren. Vor fast genau einem Jahr fanden etwa 800 Menschen vor der Küste Libyens den Tod. Nach Angaben der „Internationalen Organisation für Migration“ (IOM) starben seit Jahresbeginn mehr als 1.232 Menschen im Mittelmeer. 2015 waren bis Ende April 1.733 Flüchtlinge ertrunken. Wie das Versagen der internationalen Politik zur humanitären Rettung der Flüchtlinge aussieht, ist auch an den unterfinanzierten riesigen Massenlagern in Jordanien und im Libanon, an den Lagern in der Türkei oder an der Grenze zu Mazedonien zu sehen.

Zur UN stehen im Programmentwurf zwei konkrete Forderungen: Deutschland solle einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN haben, und die „Feindstaatklausel“ solle endgültig gestrichen werden. Mit „Feindstaatenklausel“ sind die Artikel 53, 107 sowie ein Passus im Artikel 77 der UN-Charta gemeint. Gegen Feindstaaten der Anti-Hitler-Koalition könnten danach ohne Zustimmung des Sicherheitsrates Zwangsmaßnahmen ergriffen werden, sollten diese Aggressionshandlungen gegen einen der Unterzeichnerstaaten der UN-Charta unternehmen. Dass sich die AfD ausgerechnet auf diese historische Festlegung kapriziert, hängt mit dem Fischen der AfD selbst in Gewässern obskurer Nationalisten, wie den „Reichsbürgern“, zusammen, die gegen die Feindstaatenklausel mobil machen. Aber wesentlich hängt das mit der nationalistischen Grundposition der AfD zusammen. Zu ihr gehört die Unterstellung, dass sich Deutschland nach wie vor in einer „Opferrolle“ befinde und mehr oder weniger „fremdbestimmt“ sei. Diese Position wiederum ist mit der Propaganda verknüpft, dass das deutsche Volk wieder „Nationalstolz“ entwickeln müsse und die „deutsch-konservativen Werte“ sollten hierfür das Rückgrat bilden.   

Der einflussreiche AfD-Politiker Alexander Gauland – Publizist, Historiker, 40 Jahre in der CDU, Fraktionsvorsitzender der AfD im Brandenburger Landtag – verstieg sich zu folgender Äußerung: „ Ich glaube, dass Ausschwitz, auch als Symbol, viel in uns zerstört hat… Die Nazis haben viele Dinge berührt, die durch diese Berührung plötzlich nicht mehr sagbar wurden. Der Nationalstolz, den jeder Engländer, jeder Franzose empfindet, ist doch bei uns enorm hinterfragt, nach dem Motto: Dürfen wir das eigentlich noch sagen? … Hitler hat sehr viel mehr zerstört als die Städte und die Menschen, er hat den Deutschen das Rückgrat gebrochen, weitgehend.“ (Die Zeit, 14.4.16, S. 6) Die Dutzende Millionen Todesopfer des deutschen Faschismus und die verbrannte Erde von Polen bis zur Sowjetunion in eine Reihe zu stellen mit dem angeblich gebrochenen Rückgrat der Deutschen, ist eine geschichtsrevisionistische Ungeheuerlichkeit. Ebenso die Reduzierung des deutschen Faschismus auf Hitler. Als hätte es nie einen inneren Zusammenhang von konservativem Nationalismus und der Nazibewegung gegeben. Und man erinnert sich noch an die in jüngster Zeit propagierte Hetzformel „Ausschwitzkeule“. Die AfD fährt jetzt die Ernte ein von dieser Saat geschichtsrevisionistischer,  nationalistischer Mentalität. 

Im Programmentwurf bekennt sich die AfD zur Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato, sie „entspricht den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, soweit sich die Nato auf ihre Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränkt.“ In der Praxis Nato-Mitgliedschaft, in Worten der Wunsch, die Nato möge sich auf „Verteidigungsbündnis“ beschränken. Und dann legen die „patriotischen und europäischen Nato-Bürger“ los: Der europäische Teil der Allianz soll „deutlich“ gestärkt werden. (S. 20) Die militärischen Fähigkeiten der deutschen Streitkräfte sollen wieder hergestellt werden, sie sollen mehr Gestaltungsmacht erhalten. (S. 21) Das sei die Voraussetzung, dass Nato, EU und internationale Staatengemeinschaft Deutschland als gleichberechtigten Partner wahrnehmen könnten. (S. 22) Unverzichtbare nationale wehrtechnische Kernfähigkeiten sollen erhalten und gefördert werden. So könne Deutschland national unabhängig bleiben und technisch mit an der Weltspitze sein. Die AfD verlangt die Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht (GG Art. 87a), den Grundwehrdienst für alle Männer im Alter von 18-28 Jahren. (S.22/23) Gemeinsame europäische Streitkräfte lehne die AfD ab. (S. 22) Kurz, die AfD präsentiert sich im Programmentwurf als Aufrüstungspartei, nur eben „nationaler“.

Die AfD fordert: „Nato-Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs, an der sich deutsche Streitkräfte beteiligen, sollten grundsätzlich unter einem UN-Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden.“ Weiter: Die Neuverhandlung des Status alliierter Truppen in Deutschland stehe auf der Tagesordnung. Die OSZE sei ein „unverzichtbares Instrument der europäischen Friedensordnung“.

„Das Verhältnis zu Russland ist für Deutschland, Europa und die Nato von maßgeblicher Bedeutung, denn Sicherheit in und für Europa kann ohne Russlands Einbindung nicht gelingen.“ Konflikte in Europa seien friedlich zu regeln. In diesen Aussagen zur Außenpolitik sind traditionelle bürgerlich konservative Vorstellungen enthalten, im Falle Gauland von Bismarck herleitend.

Die AfD sei für Freiheit der Handelswege, der internationalen Kommunikation (Internet) für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und für gleichberechtigte faire Nutzung der globalen Ressourcen. (S. 21)   

Es kann angenommen werden, dass die Ideologen der AfD das Konzept und die Praxis deutscher Außen- und Sicherheitspolitik kennen. Im „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ aus dem Jahr 2006 heißt die politische Orientierung: Die deutschen Streitkräfte sollten weltweit den ungehinderten „Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen“ sowie die Abwehr von „Terroristen“ und „illegaler Migration“ sicherstellen.

Im Sommer 2016 soll das neue „Weißbuch“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Jetzt wurde bekannt, im Entwurf des neuen Grundsatzdokuments wird die bisher für die Durchführung von Kriegshandlungen verbindliche „Einbindung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“, wie der NATO, relativiert, sie entspreche nicht mehr in jedem Fall der „steigenden sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands“, es könnten auch „Ad-hoc-Kooperationen“ notwendig sein. Das heißt wohl im Klartext: Der gemeinsam mit Frankreich erfolgte Kriegseintritt Deutschlands in Syrien, nach EU-Vertrag Artikel 42, Absatz 7, war der Beginn von „Ad-hoc-Kooperationskriegen“ Deutschlands. 

Zur Entwicklungshilfe ist im Programmentwurf zu erfahren: Sie solle Hilfe zur Selbsthilfe sein, das Ressort solle  zum Auswärtigen Amt kommen und Vorrang sollen Maßnahmen haben, die durch private Unternehmen vor Ort begleitet werden können. (S. 23)

Dem Kapitel 2 des Programmentwurfs „Euro und Europa“ ist anzumerken, dass der Ko-Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, ein Professor für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft ist. Die Grundpositionen der AfD zu Euro und EU können wie folgt zusammengefasst werden: Die EU sei zurückzuführen auf eine Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner Staaten. Die EU sei undemokratisch, sie müsse grundlegend reformiert werden. Die Verträge von Maastricht (1991) und besonders von Lissabon (2008) seien der Versuch, die EU unumkehrbar zu einem Staat zu entwickeln. (S. 10) Nur die nationalen Demokratien böten die nötige Identifikation und Schutzräume für die Bürger. Die  EWG (1957 bis 1992) habe Frieden und Prosperität gebracht. Die AfD lehne strikt einen europäischen Bundesstaat ab, ebenso  eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) sowie den Beitritt der Türkei zur EU. (S. 11)

Die AfD fordert: „Experiment Euro geordnet beenden“. Sollten Partnerstaaten nicht mitmachen, soll Deutschland aus dem Euro-Verbund austreten. Die AfD fordert eine Volksabstimmung zum Euro. (S. 12)

 Der Euro habe den Staaten das Wechselkurs- und Zinskorrektiv genommen. Seit 2010 gebe es deshalb eine „Dauerrettung“ des Euro. Sie verletze in der Praxis der Staatsanleihenmärkte permanent das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB und das Verbot der Haftung für Schulden anderer Mitgliedsstaaten (Artikel 123 und 125 AEUV. (S. 13) Der Euro gefährde das friedliche Zusammenleben der Völker.  Die AfD fordert: Keine deutsche Haftung für ausländische Banken. (S. 14) Die Bankenaufsicht soll vollständig in nationale Hände übergehen. (S. 15) Mit Blick auf AfD-Potential im „Mittelstand“ heißt es: „Es ist untragbar, dass Griechenland-Anleihen mit einem geringeren Risiko bewertet werden als Kredite für den deutschen Mittelstand.“ (15)

Diese AfD-Position reagiert zweifellos auf krisenhafte Zustände in den EU-Finanzen. Die AfD ist auch auf dem Gebiet der EU-Finanzen eine Krisen-Reaktionspartei, dies im doppelten Sinn, sie reagiert auf krisenhafte Zustände, aber mit reaktionären Zielen. Ihre Vorschläge öffnen nicht Wege zur demokratischen Lösung, die sich an den Interessen der großen Mehrheit von Lohn- und Gehaltsabhängigen aller EU-Länder orientieren, sondern die Vorschläge der AfD laufen darauf hinaus, längst vergangene Zustände zurück zu holen, aus denen ja die jetzigen Verhältnisse hervorgegangen sind. Die kritische Haltung der Partei „Die Linke“ zur AfD ist deshalb eine grundsätzlich andere, als die des großbürgerlichen Lagers.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ stellte in einem Gespräch mit dem Unternehmer und Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, folgende Frage: „Mit der AfD etabliert sich eine neue Partei mit einem konservativ-nationalistischen Programm. Wie bewerten Sie das?“ Ulrich Grillo: „Das einzig Positive an den Erfolgen der AfD ist der davon ausgehende Weckruf an die etablierten Parteien. Sie müssen aufpassen, dass ihnen nicht noch mehr Wähler weglaufen. Sonst kann ich kein Gefallen an der AfD finden, die gegen den Euro, gegen Freihandel und gegen Globalisierung ist.“ (FAZ, 21.4.16, S. 18)

Die politische Zentrale der deutschen Industrie hält von der AfD nichts, denn das Industriekapital ist zugleich national und multinational. Eine dumpf nationalistische Partei wie die AfD, die die nationalen wie internationalen Prozesse der Kapitalkonzentration und Zentralisation, die supranationalen staatlichen, wirtschaftlichen, militärischen usw. Zusammenschlüsse nicht begreift, stattdessen völlig unrealistisch die heutige Welt auf eine Welt wie vor 40 oder 50 Jahren zurückführen will, eine solche Partei kann zur Zeit keine Partei des Großkapitals sein. In dem Maße, wie diese Partei den „Volksparteien“, die im wesentlichen die kapitalistischen Machtverhältnisse politisch und parlamentarisch tragen, Stimmen abnimmt, in dem Maße wird die AfD als Gefährdung der bisherigen Regierungsweise angesehen. Deshalb der „Weckruf“ des BDI an die „etablierten Parteien“, bloß nicht noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren.

Und wie soll das gehen? Ganz wesentlich durch einen Wettlauf zweier Varianten des Nationalismus, eines bürgerlichen Nationalismus, der zugleich starke supranationale Züge trägt versus bürgerlicher Nationalismus, der mehr oder weniger stark in Gegnerschaft zu supranationalen Prozessen steht. In einigen EU-Ländern sind Parteien der zweiten Variante bereits an der Regierung, in anderen stehen sie an der Schwelle zur Regierungsübernahme.

In Deutschland wird der nationalistische Wettlauf seit Mitte 2015, seit den großen Massenwanderungen von Kriegsflüchtlingen und Verelendeten nach Europa, von Seiten der „Etablierten“ vor allem von der CSU unter Seehofer vorangetrieben und auf der anderen Seite von der AfD, die sich zugleich auf eine massive Basisbewegung vom Typ der Pegida stützen konnte.

Die jüngste Umfrage (1.-14.4.16) des Instituts für Demoskopie Allensbach hatte einen Komplex „Agenda der AfD“. Eine Frage lautete: „Wofür steht die AfD?“ Die Antwortgruppen wurden unterteilt in AfD-Anhänger und Bevölkerung insgesamt. Die letzte Gruppierung ist zwar unscharf, denn sie verdeckt die Unterschiede zwischen mindestens zwei Gruppen, der Gruppe, die meint, dass die AfD dafür tatsächlich „steht“ und der Gruppe, die meint, das „Markenzeichen AfD“ „stehe“ dafür, in Wirklichkeit bewerte man die Partei in dieser Hinsicht anders. Davon abgesehen, kann angenommen werden, dass die statistisch repräsentativ ausgewählten Befragten im Allgemeinen ein Stimmungsbild wiedergaben. Die AfD steht für „Zustrom von Flüchtlingen begrenzen“ erzielte bei Anhängern 93 Prozent, unter der Bevölkerung insgesamt 74 Prozent. Dreiviertel der Bevölkerung haben die AfD vor allem als Partei wahrgenommen, die die Begrenzung des „Zustroms von Flüchtlingen“ propagiere.  Das sind mit großem Abstand die höchsten Werte bei den vom Institut gebildeten Gruppen von Merkmalen der AfD. An zweiter Stelle (nach Angaben Bevölkerung insgesamt) steht: „Abschaffung des Euro“: 57 Prozent bei Anhängern, 49 Prozent Bevölkerung insgesamt. Gefolgt von „Für die Interessen Deutschlands“: 89 und 40 Prozent. „Weniger Zuständigkeiten“ für die EU“: 59 und 40 Prozent. „Sicherheit, Bekämpfung der Kriminalität“: 80 und 37 Prozent. „Stärkere Bürgerbeteiligung“: 71 und 29 Prozent. „Mut zu Reformen“: 60 und 16 Prozent. „Staatsverschuldung bekämpfen“: 43 und 15 Prozent. „Soziale Gerechtigkeit“: 46 und 13 Prozent. (FAZ, 20.4.16, S. 8)

Diese Gruppierungen zeigen, womit die AfD Anhänger gewinnen konnte. Von den insgesamt neun Gruppen haben die ersten vier Gruppen eindeutig den Schwerpunkt in der internationalen Politik. Bei der an fünfter Stelle stehenden Gruppe „Sicherheit, Bekämpfung der Kriminalität“ bestehen Verbindungen zur Außenpolitik. Es kann unter den bestehenden Verhältnissen auch gar nicht anders sein, denn außen- und innenpolitische Prozesse sind auf einer historisch neuen Stufe miteinander verbunden, wie die Entwicklungen in der EU, in der NATO, in der schwelenden Finanz- und Euro-Krise, in der Ukraine-Politik und der Konfrontationskurs gegen Russland, die Verhandlungen zu TTIP, der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei zeigen.

Nach Allensbach hat die AfD unter der Bevölkerung 11 Prozent Sympathisanten und 46 Prozent würden die Erfolge der AfD begrüßen.

Georg Fülberth ordnete die AfD für die westlichen Länder der Bundesreplik historisch ein: „Die AfD ist im Westen Fleisch vom Fleisch der bisherigen Volksparteien CDU, CSU und SPD, deren rechte Sektoren sie gegenwärtig einsammelt. Häufig sind das waschechte Sozial- und Christdemokrat(inn)en, die derzeit mit ihren Stammparteien unzufrieden sind und ihnen zeitweilig den Rücken kehren.“ (neues deutschland, 16./17.4.16, S. 3) Für den Zeitraum der vergangenen 70 Jahre ist das trefflich gesagt. Zu fragen ist, in welchem Maße das nur zeitweilig sein wird und ob nicht auch im Westen, andere, jüngere Schichten für die AfD herangewachsen sind. Den östlichen Ländern wurde erst vor 25 Jahren das bundesrepublikanische parlamentarische System übergestülpt, die sozialen Verhältnisse der DDR brachen gleichsam über Nacht weg. In Sachsen, Sachsen-Anhalt usw. gab es solche sozialen und politischen Schichten, von denen Fülberth für den westlichen Teil spricht, nicht. Was es aber massenhaft gab und gibt, das sind sozial degradierte oder verarmte Schichten, Schichten von Selbständigen und kleinen bis mittleren Unternehmern, aber auch Arbeitern und Angestellten, die um ihre ökonomische Existenz bangen. Hier liegt hauptsächlich die soziale Basis für die entstandene explosive nationalistische Stimmung, die sich bei Pegida entlädt, zu menschenfeindlichen Angriffen auf Flüchtlinge führt und zur Konfrontation gegenüber den Regierungsparteien führt.

Die AfD umfasst bundesweit sehr unterschiedliche soziale Gruppen und politische Positionen zu Einzelfragen. Das wird sich unweigerlich auch in den Programmdiskussionen der Partei widerspiegeln. Die AfD hat sich seit ihrer Gründung 2013 nicht nur schon erheblich gewandelt, die AfD bleibt eine Partei weiterer Wandlungen. Nun aber durch parlamentarische Erfolge personell und ökonomisch gestärkt. Die verschiedenen ideologischen Kreise der AfD werden um weitere Erfolge kämpfen und alles versuchen, um 2017 in den Bundestag einzuziehen. Aufklärung über die AfD, klare Abgrenzung von ihr vor allem dadurch, indem die Linke  progressive Alternativen vertritt, bleiben weiterhin angesagt.