US-Wahlen: Genau hinsehen – analysieren – schlussfolgern!

09.11.2016
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Wolfgang Gehrcke

Trump hat die Präsidentschaftswahlen in den USA gewonnen, mit einer deutlichen Mehrheit der Wahlmänner am Ende. Die Reaktion des politischen Establishments in Europa ist verwundert, entsetzt und verharmlosend. Auf der linken Seite sind aber Analyse und Nachdenken angesagt.

Wie kommt es, dass ein mehrfacher Milliardär bei vielen Wählerinnen und Wählern als Vertreter der Unterschichten wahrgenommen und akzeptiert wird? Seine „Wahlkontrahentin“ hingegen, – zu Recht verhasst bei vielen Wählerinnen und Wählern – war nicht das „kleinere Übel“, sondern der Ausdruck des korrupten Establishment.

Was sagt die Dialektik: ‚Jedes Ding geht mit seinem Gegenteil schwanger.‘
Die Ergebnisse der Wahlen (auch im Abgeordnetenhaus und im Senat gibt es eine republikanische Mehrheit) sind erschreckend, die Motive der Wählerinnen und Wähler sind es nicht. Aber gerade die deutschen Erfahrungen zeigen nachdrücklich, dass man auch aus Protest gegen Ungerechtigkeit und Benachteiligung Furchtbares anrichten kann. Trump ist kein Nazi, um das deutlich zu sagen, aber seine Politik ist rassistisch, sexistisch und im Widerspruch zu seiner Wahrnehmung ist er ein Mann des großen Geldes.

Zwei Kandidaten, am Rande des Verbrechens oder Teil von Verbrechen, konkurrierten miteinander. Bei Milliardären wie Trump fällt mir als erstes die tolle Fotomontage von John Heartfield „Millionen stehen hinter mir“ ein. Aber er ist ja auch selbst der Mann mit dem Geld. Hillary Clinton ist das Geld eher unheímlich als heimlich in die Taschen geschoben worden. Die Clintons – Hillary wie Bill – sind unverblümte Protagonisten der Rüstung und des Krieges und ihrer Gewinne an der WallStreet. Das weiß man. Auf ihre Konten sind Gelder aus Saudi-Arabien, Katar und anderen Golf-Monarchien geflossen. Hillary Clinton wollte und will eine Flugverbotszone in Syrien. Die Gefahr eines großen Krieges lässt sie kalt. Trump ist zwar kein Kandidat des Friedens, auch hier bitte keine Illusionen! Aber viele Wählerinnen und Wähler in den Vereinigten Staaten wollten und wollen keine neuen Kriege. Die ganze Argumentation des „kleineren Übels“ taugt hier nicht. Kandidiert haben zwei Übel.

Ich frage mich: sind vergleichbare Ergebnisse in Europa denkbar? Ja, sind sie. Da brauche ich nicht einmal besonders auf Marie Le Pen in Frankreich blicken oder auf die „Wahren Finnen“ oder auf Wilders in den Niederlanden. Ein Blick auf die AfD und auf Teile von Seehofers CSU genügt.

Sind Leute wie Trump, Le Pen, Gauland, Seehofer und andere zu verhindern? Ein Blick auf die USA sagt mir: Ja. Heute sagen und schreiben alle, Bernie Sanders hätte Trump geschlagen. Bernie Sanders hat in der Zeit, als er mit Clinton um die Aufstellung konkurrierte, wenig mediale Unterstützung gefunden. Ein demokratischer Sozialist in den USA, das war für’s Establishment und die Medien doch das größte Übel. Kann es sein, dass Sanders sein „Erstgeburtsrecht“ einer alternativen Politik mit seinem Wahlaufruf für Clinton zumindest gefährdet hat? Viele Wählerinnen und Wähler haben es völlig satt – Oberkante Unterlippe -, dass Politik nur aus Taktiererei besteht und in den Hinterzimmern der Macht ausgekungelt wird. Kann DIE LINKE daraus lernen? Aber ja, sehr viel! Gradlinigkeit, Glaubwürdigkeit, Entschlossenheit dürfen nicht dem Streben nach „Regierungsverantwortung“ (als ob Oppositionspolitik ohne Verantwortung wäre!) untergeordnet werden. AfD und Seehofer-CSU schlägt man nur mit klaren und verlässlichen politischen Alternativen. Konsequentes Nein zu Kriegsteilhabe, Kampf gegen Rüstungspolitik, Umverteilung von oben nach unten. Gerechtigkeit müssen gegen das Großkapital erkämpft werden, auch soziale Gerechtigkeit hierzulande, Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und Lebensweisen, Gerechtigkeit, Dialog und friedlicher Ausgleich weltweit, mehr Demokratie im Kleinen und im Großen.

Gerechtigkeit steht links. Der Ruf nach Gerechtigkeit ist eine Alternative aus dem Wahlergebnis in den USA. Gerecht ist nicht Trump, gerecht war nicht Clinton. Gerecht sind die schwarze Bürgerrechtsbewegung, die demokratische Frauenbewegung, Sozialisten und Kommunisten. Der konsequente Kampf für Gerechtigkeit kann Rechts stoppen!