Insel der Freiheit

01.12.2016
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Fidel Castro

1. Dezember 2016 – auf dem Rückweg aus Havanna

Auf den Straßen und Plätzen in Havanna nahmen mehr als eine Million Menschen Abschied von Fidel. Der Trauerzug bis nach Santiago de Cuba wird rechts und links von Menschen gesäumt. Daniel Ortega brachte es in seiner Rede auf den Punkt. Er rief: Wo ist Fidel? Und Massen antworteten ihm: Wir sind Fidel! Dieses Intermezzo ist typisch für die Zeit von Fidel Castro. Er hat sich immer mit dem Volk identifiziert und das Volk identifiziert sich mit ihm.

Bemerkenswert die Klugheit und Zurückgenommenheit von Raul Castro. Seine Rede war zeitlich die kürzeste und dennoch vielleicht die präziseste. Da er weiß, dass Fidel an Popularität nicht zu überbieten ist und dass es für Kuba wichtig ist, eine so ausstrahlende große Persönlichkeit an der Spitze von Partei und in der Mitte des Volkes gehabt zu haben, müssen jetzt die demokratischen Institutionen ausgebaut und gestärkt werden. Die Kommunistische Partei Kubas, das nationale Parlament und die lokalen Vertretungen wie auch viele Formen der Demokratie des Alltags.

Innerlich kochte ich natürlich über das, was ich an Kommentaren, Artikeln, Stellungnahmen aus Deutschland gelesen habe. Angesichts dessen, was ich gehört und was ich gesehen habe, blieben Quacksalber aus Deutschland klein. Das Geschreibe über Castro als Diktator hat in Kuba nur Kopfschütteln hervorgerufen. Ich schaue mir die Umgebung von Kuba an, denke an den Bürgerkrieg und seine wohl mehr als 200.000 Toten in Kolumbien, an die vielen von den USA verantworteten Putsche in Lateinamerika. Während der Abschiedsveranstaltung waren Bilder zu sehen: Fidel mit Salvador Allende in Chile. Ich denke an die vorerst weggeputschten Dilma Russeff und Lula in Brasilien. Nein, Castro hat die Fesseln, die Kuba beengten, nicht nur gelockert, er hat sie zerschnitten. Die große Zuneigung in Kuba ist allein noch kein Argument, das ist mir klar. Aber dass in Kuba vieles direkt von der Bevölkerung entschieden wird, schon eher. Das kubanische Parlament hat mehr zu diskutieren und zu entscheiden als viele andere Parlamente. Kuba hat sich selbst befreit, aber nie einen Krieg gegen andere Länder geführt. Es sei denn, man betrachtet die Soldaten, die zur Unterstützung für die jungen national befreiten Staaten im Kampf gegen das südafrikanische Apartheidregime und im Kampf gegen Ebola nach Afrika entsandt wurden, als Abgesandte einer Diktatur.

Meine kubanischen Freundinnen und Freunde klopfen mir auf die Schulter und sagen: ‚Reg‘ Dich doch nicht so auf, lass‘ sie schreiben und schwätzen.‘ Nein, mich regt das auf – weil, dies alles zusammen wird als Wortmeldung aus Deutschland verstanden. Es gibt aus Deutschland solche Wortmeldungen, aber auch die Solidaritätsbekundungen, die Gesichter der Menschen am Samstagabend vor der kubanischen Botschaft in Berlin, der Kummer, die Tränen und auch Verzweiflung über den Tod von Fidel. Ich weiß, auch in Deutschland finden sich Menschen, die auf die Frage „Wo ist Fidel?“ antworten werden: Wir sind Fidel!