Auf den Spuren solidarischer Hilfe

Nach zwei Jahren wieder im Kinderkrankenhaus Gorlowka
09.10.2017
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Wolfgang Gehrcke & Christiane Reymann

Zwei Jahre nach der großartigen Hilfsaktion für das Kinderkrankenhaus in Gorlowka in der Ostukraine wollten eine kleine Gruppe Aktivisten* und wir noch einmal den Ort aufsuchen, an den wir vor zwei Jahren unter erheblichen logistischen Schwierigkeiten Medikamente und medizinische Ausrüstung gebracht hatten – gekauft von jenen gut 140.000 Euro, die 1.200 Einzelpersönlichkeiten und Gruppen nach einem Aufruf der LINKEN-MdB Andrej Hunko und Wolfgang Gehrcke in kürzester Zeit gespendet hatten.** In jener ersten Zeit des Ukraine-Krieges litten die Menschen in Donezk und Lugansk große Not, besonders die Kinder.  Mit der jetzigen Reise wollten wir die aktuelle politische und humanitäre Lage in den Volksrepubliken erkunden und mit eigenen Augen sehen, was in Gorlowka seit der Spendenaktion geschehen ist. Im Kinderkrankenhaus trafen wir uns mit dem damaligen Chefarzt Deniz Taranow. Er ist heute Verantwortlicher der Kommune für das Gesundheitswesen und zuständig nicht mehr nur für eins, sondern für 23 Krankenhäuser. Seine Nachfolgerin, Marina Karawan, die Ärztinnen, Ärzte, Pflegekräfte haben sich noch einmal herzlich bedankt und uns versichert, dass wir ihnen in einer Krise, in der sie rein gar nichts hatten, geholfen haben. Damals hatten sie keine Medikamente, kein Verbandszeug, ihre Medizinschränke waren zerschossen. Selbst kaufen konnten sie nichts aus Mangel an Geld und aus Mangel an Medikamenten. Dank der Spenden konnten sie zudem ihre Heizung reparieren und Fenster, die durch Bombenerschütterungen zerbrochen waren, durch neue ersetzen.

Von alledem konnten wir uns überzeugen. Wir haben uns gefreut, dass wir neben den alten Doppelfenstern aus Holz nun einige doppelverglaste Plastikfenster sehen konnten, die Heizung erwähnten alle. Die Medikamente sind natürlich längst aufgebraucht, aber in dieser Beziehung hat sich die Lage für das Krankenhaus etwas entspannt. Aus Russland werden Medikamente geliefert, die sie kaufen können – allerdings reichen ihre Eigenmittel nur für das Allernotwendigste. Die kommunalen und Zuweisungen aus Donezk reichen für 40 Prozent der benötigten Medikamente. Viele Patienten müssen einen Eigenanteil finanzieren.

In der Großstadt Stadt Donezk, in der wir zuerst waren, hat sich das Leben weitgehend normalisiert, sofern sich das Leben im Kriegszustand normalisieren kann. In Donezk wird zurzeit nicht mehr geschossen. Anders im 47 Kilometer entfernten Gorlowka. Diese Stadt ist von drei Seiten von der ukrainischen Armee eingekesselt - und die schießt jede Nacht auf das nahe Örtchen Saizewo; nicht mit flächendeckenden Bombardements, vielmehr sind es einzelne Schüsse aus der Dunkelheit, mal zerstören sie ein ganzes Haus, mal verletzen oder töten sie gar Menschen. Ihr Zweck ist, Verunsicherung und Angst zu erzeugen. 

Die Truppen der Volksrepublik schießen nicht zurück; so lautet der strikte Befehl und der wird, versichern uns unsere Gesprächspartner, ebenso strikt befolgt. Darauf bestehe auch Russland.

Im Krankenhaus von Gorlowka hat sich seit unserem letzten Besuch einiges getan. Vor allem treffen wir deutlich mehr kleine Patienten. Die einen bekommen Physiotherapie, die anderen lassen mehr oder weniger ruhig die regelmäßigen Untersuchungen und Impfungen über sich ergehen, und wenn sie länger im Krankenhaus bleiben müssen ist es immer noch üblich, dass ein Elternteil oder die Babuschka bei ihnen bleibt.

Wir haben immer vom „Kinderkrankenhaus“ gesprochen. Das ist nicht falsch, aber unvollständig. Denn zum „Klinikum Familie und Gesundheit“, so der offizielle Name, gehört auch eine Frauenklinik. Sie ist in einem extra Gebäude untergebracht. Schon hat sich vor dessen Eingang eine Blumenverkäuferin angesiedelt, es werden hier wieder mehr Kinder geboren, sie müssen mit Blumen begrüßt werden. 2015 hatten wir die drei Operationssäle in einem beklagenswert veralteten Zustand gesehen. Jetzt sind sie komplett renoviert, die medizinischen Geräte neu, sie entsprechen, so Dr. Taranow stolz, „fast schon europäischem Standard“.

Beim Abschied nimmt er uns beiseite: Könnt Ihr uns nicht helfen, den kaputten Fahrstuhl in der Kinderklinik wieder funktionstüchtig zu machen? Seitdem er seinen Geist aufgegeben hat, müssen geschwächte Kranke über ausgetretene Treppen bis zu fünf Stockwerke überwinden, getragen oder mühselig auf eigenen Beinen. Die Ersatzteile für den Fahrstuhl gibt es in der Region, doch die umgerechnet 1.500 Euro für seine Reparatur können weder die Leitung des Krankenhauses noch die Kommune auftreiben. Für deutsche Verhältnisse sind 1.500 Euro eine überschaubare Summe, in Gorlowka sind sie unerschwinglich. Wir haben ihnen die Reparatur des Fahrstuhls versprochen. Spenden für diese einmalige Unterstützung sind herzlich willkommen, die Konto-Nummer steht unten.

Diese Hilfe kommt einer Klinik zugute, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hoch engagiert sind. Sie schaffen nicht nur mit selbstgemalten bunten Wandbildern eine fröhliche Atmosphäre – vor allem bleiben sie bei ihren kleinen Patienten! In Gorlowka verdient ein Arzt, eine Ärztin zwischen drei und fünftausend Rubel, sagt uns Deniz Taranow. Jenseits der russischen Grenze würden sie um die 40.000 Rubel nach Hause tragen, monatlich. Von den Verdienstmöglichkeiten in weiter entfernten Regionen wollen wir gar nicht reden. Trotz aller ermutigenden Fortschritte: Die Klinik in Gorlowka ist ein armes Krankenhaus in einer armen Region voller Zerstörung. Die Mauern des Krankenhauses zeigen weiter die Spuren von Einschüssen. Die Wunden des Krieges sind noch nicht vernarbt und nicht nur die Geschosse auf Saizewo zeugen davon, dass kein Frieden ist in Gorlowka, den Volksrepubliken Donezk und Lugansk, kein Frieden in der Ukraine.

Spenden für die Reparatur des Fahrstuhls im Kinderkrankenhaus von Gorlowka bitte auf das Konto von Wolfgang Gehrcke-Reymann, IBAN DE80 1005 0000 4184 6308 00, Stichwort: Gorlowka.

*Mit den Autoren waren das Hartmut Hübner, unermüdlich in Sachen humanitärer Hilfe und unser Übersetzer, und Michael Schlick, Pressesprecher der Linksfraktion im Bundestag.

** Rechenschaftsbericht über die Hilfsaktion Gorlowka 2015 und weitere Informationen.

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