Mit einem erneuten Einstieg in eine große Koalition bindet sich die SPD erneut in die Regierungspolitik in unserem Land ein. Der Preis ist bereits heute ein erheblicher. Man stelle sich nur einmal vor, wenn SPD und Linke parlamentarisch und vor allem auch außerparlamentarisch zusammenarbeiten würden. Grundlage dafür könnte ein gemeinsames Minimalprogramm zur Veränderung unseres Landes, genauer gesagt für eine bessere Politik in Deutschland und in Europa sein. Die Eckpunkte einer solchen gemeinsamen Politik liegen auf der Hand:
Umverteilung von Reichtum und Vermögen von oben nach unten, dazu gehörte die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer, eine Millionärs-Steuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes.
Die Eigentumsverhältnisse in unserem Lande, die immer weniger gerecht sind, dürfen nicht in dieser Ungerechtigkeit fortgeschrieben werden. Eine linke Politik in Deutschland kann und muss von den Artikeln 14 und 15 des Grundgesetzes zur Überführung von privatem Eigentum in gemeinschaftliches Gebrauch machen. Dazu gehört auch, dass Spekulationsentscheidungen der Banken und deren Stützung durch öffentliche Gelder so nicht weiter hingenommen werden dürfen.
Entgegen den Ergebnissen der Sondierungsgespräche bedarf es ebenfalls der Eingriffe in das Rentenrecht und tiefergehend in die Verteilung von Beitragslasten in der Kranken-, Renten- und Pflege-Versicherung. Verhältnisse, dass Mensch früher sterben muss, weil er arm ist, müssen beendet werden. Es ist richtig, dass die Rückkehr zu einer paritätischen Beitragspflicht in der Krankenversicherung eine Verbesserung zum heutigen Zustand darstellt, nur eine Wende zu mehr Gerechtigkeit ist auch das noch lange nicht.
Mehr Gerechtigkeit, nicht nur als Wolkenkuckucksheim, sondern in der täglichen Realität: das war Teil des Wahlkampfes der SPD und auch der Linken. Es gibt keinen Anlass, dieses Ziel nur ob des Linsengerichtes einer schwarz-roten Regierung über Bord zu schmeißen. In ein linkes gemeinsames Programm gehörte auch die kategorische Festlegung: Von deutschem Boden darf nicht wieder Krieg ausgehen, Abrüstung statt Aufrüstung und Schluss mit den antirussischen Sanktionen sind geboten. Interessanterweise ist in den Ergebnissen der Sondierung dazu außer nebulösen Ankündigungen nichts vorhanden.
SPD und Linke haben sich in ihrem Wahlkampf mehrfach dafür ausgesprochen, das sogenannte 2%-Ziel der NATO, was für Deutschland eine Erhöhung das jährlichen Rüstungsbudgets von 37 auf 70 Mrd. Euro bedeuten würde, aufzukündigen. Nun, wir werden sehen, was im nächsten Haushaltsentwurf der Bundesregierung in dieser Frage auf den Tisch gebracht wird. Ebenso wenig sind in den Ergebnissen der Sondierungen nachhaltige Schritte eines ökologischen Umbaus und ein Ausbau demokratischer Entscheidungsmöglichkeiten der Bevölkerung enthalten. Gerade heute müsste doch der Satz von Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen!“ Richtschnur für das politische Handeln von Sozialdemokraten und Linken sein. Mehr Demokratie mit Merkel und Seehofer ist eher unwahrscheinlich.
Auch die Wiederherstellung des Asylrechts in vollem Umfang und eine Konkretisierung der Genfer Flüchtlings-Konvention sind mit der CSU eher unwahrscheinlich. Die Ergebnisse der Sondierung sprechen mehr dafür, dass eine Obergrenze auch in der Asylfrage eingezogen wird. Zugleich sollen Ausweisungs-Stellen aufgebaut werden. Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche tragen keine sozialdemokratische Handschrift – was immer das sein mag – sondern sie sind im Geiste der Politik der CSU, streckenweise sogar im Geiste der AfD geschrieben.
Auch die wolkigen Europa-Ankündigungen, auf die der SPD-Vorsitzende Schulz so stolz ist, lassen im Unklaren, für welches Europa eine neue Bundesregierung eintreten wird. Angesichts des Brexits über „Vereinigte Staaten von Europa“ zu faseln, ist viel weniger, als wenn sich eine neue Bundesregierung ernsthaft für eine Europäische Sozialunion und für ein Europa des Friedens und der Abrüstung engagieren würde.
Dass die SPD sich „zwischen Baum und Borke“ befindet, stimmt zumindest mich nicht zufrieden. Die heutige SPD hat sich erneut zwischen Mühlsteine begeben und die Gefahr, dass sie völlig zerschrotet aus diesem Prozess herauskommt, ist sehr hoch. Die Linke wird diesen Platz nicht ausfüllen können, wenn sie sich weiter mit unsinnigen Debatten „im eigenen Saft“ zerlegt. Gerade, wenn man weiß, dass die Entscheidungen heute nicht auf der Regierungsebene und in den parlamentarischen Auseinandersetzungen fallen, obwohl diese sehr wichtig sind, ist es nötiger denn je, über außerparlamentarische Bewegungen die politischen Kräfte für eine Veränderung zu sammeln. Das ist zumindest mein Verständnis einer Sammlungsbewegung. Ein solches Herangehen könnte verhindern, dass die AfD noch mehr an politischem und sozialem Raum gewinnt. Warum sollte sich nicht die Linke mit allem Engagement in die Sammlung der friedensorientierten Kräfte in Deutschland einsetzen?
Bitte denkt daran, dass wir es in diesem Jahr mit dem 200. Geburtstag von Karl Marx, dem „Propheten für mehr Gerechtigkeit“ zu tun haben und dass die 68er ihren 50. Geburtstag begehen können. Einfluss gewinnt man nur mit eigenem Profil und das eigene Profil der Linken muss rasch deutlicher werden. Genau daran mangelt es heute.
Dazu gibt es auch mein Video-Interview bei Weltnetz.TV ...
Und wenn ihr möchtet, lest doch einmal bei Kurt Tucholsky über den kleinen Kompromiss nach:
„Schließen wir ‘nen kleinen Kompromiß,
damit hat man keine Kümmernis,
Einerseits - und andererseits –
So ein Ding hat manchen Reiz …“
„Manche tanzen manchmal wohl ein Tänzchen
immer um den heißen Brei herum,
kleine Schweine mit dem Ringelschwänzchen,
Bullen mit erschrecklichem Gebrumm. …“