Saudische Mörderclique

Krieg gegen den Jemen mit Hunger, Cholera und deutschen Waffen
27.06.2018
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Wolfgang Gehrcke & Christiane Reymann

Saudische Mörderclique

Krieg gegen den Jemen mit Hunger, Cholera und deutschen Waffen

Nun dürfen Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren! Toll, wie Prinz Mohammed bin Salman die verkrusteten Strukturen aufbricht. TV, Funk und Print-Medien sind begeistert und berichten ausführlich von ihm als umtriebigen Modernisierer. Unterfüttert von einigen Milliarden Investitionen in den USA und Rüstungs-Deals, wurden er und Trump beste Freunde, zur Eröffnung der Fußball-WM saß er neben Wladimir Putin, viel Geld investiert er mit Israel in die erste Etappe eines gemeinsamen Eisenbahnprojekts, das von Haifa über Jordanien auf die arabische Halbinsel und in den Irak führen soll.  Als „Prinz Charming“ (Spiegel) oder der „saudische Super-Prinz“ (Welt) ist der Kronprinz zu einem Liebling der Medien geworden. Umso beredter ihr Schweigen über seinen nun schon über drei Jahre andauernden Vernichtungskrieg gegen Jemen.  

Alle 10 Minuten stirbt ein Kind am Krieg 

Punktgenau zu Beginn des Fußball-WM hat die von Saudi-Arabien angeführte Kriegskoalition, unterstützt von den USA, Frankreich, Großbritannien, indirekt auch Deutschland, eine neue Offensive gegen seinen Nachbarn Jemen gestartet. Ziel ist der letzte noch offene Hafen von Hudeida, um Jemen nun vollständig von Lebensmittellieferungen abzuschneiden. Von den 26 Millionen Einwohnern des Jemen sind 21 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Schon das beschreibt die UNO als „die größte humanitäre Katastrophe der Welt“. Doch sie hat ihren Zenit noch nicht erreicht. Jetzt droht der unvorstellbaren Zahl von über 10 Millionen Menschen der Hungertod. Schon wütet im Jemen die größte jemals erfasste Cholera-Epidemie. Unterernährt und ausgezehrt können die Menschen der Krankheit keinen Widerstand entgegensetzen. Zuerst sterben die Kinder. 

Die größte humanitäre Katastrophe, die größte jemals erfasste Cholera-Epidemie ... Das ist der höchste Schrecken, Steigerungen sind nicht möglich. Und doch war und ist dieser Krieg „vergessen“. Denn die Kopf-ab-Monarchie von Saudi-Arabien ist ein Freund des Westens. Als dessen Verbündeter braucht sie weder Tadel noch Sanktionen zu fürchten, darf sie im eigenen Land Menschen bestrafen durch Hände oder Kopf abschlagen, jede eigenständige Meinungsäußerung grausam verfolgen und seine Nachbarn mit Tod und Elend überziehen. Gelangt der Krieg überhaupt in die Medien, wird er als quasi gerechtfertigt dargestellt, schließlich ginge es gegen die „Huthi-Rebellen“ (wer immer das sei), die sich mit dem Iran verbündet hätten. Über den Iran wissen wir schon mehr, das ist doch der Staat, der die Sicherheit Israels existenziell bedroht, so heißt es.

Auch der Jemen war bis 1990 ein gespaltenes Land: Im Süden die Volksdemokratische Republik, der Norden und dann der ganze Jemen unter der Herrschaft von Ali Abdullah Saleh, bis er im Zuge des „arabischen Frühlings“ von Demonstranten gestürzt wurde. Daran hatten die gut organisierten und bewaffneten Huthis großen Anteil. Salehs Vize Hadi wurde für zwei Jahre als Übergangspräsident bestimmt, um eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden, eine Verfassungsreform einzuleiten und demokratische Neuwahlen zu organisieren.  Doch er verriet dieses Ziel und die Huthis, er klebte an seinem Stuhl, er weigerte sich abzutreten und lässt sich mit Hilfe der Saudis weiterhin als legitimer Präsident des Jemen bezeichnen. 

Wer führt Krieg

Die Akteure dieses Krieges sind zunächst die Staaten in der von den Saudis angeführten Koalition; ihr gehören Ägypten an, Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Marokko, Sudan und Senegal. Diese Koalition hat auf unterschiedlichen Ebenen engste Verbindungen zu Al-Quaida im Jemen. Mit Waffenlieferungen, logistisch und politisch wird sie unterstützt von den USA, Großbritannien und Frankreich – und auch von Deutschland.  Trotz der Festlegung bereits in den Koalitionsverhandlungen zur GroKo, keine Waffen mehr an „direkt am Jemen-Krieg“ beteiligte Staaten zu liefern, bekam Saudi-Arabien im ersten Quartal 2018 noch Patrouillenboote, Ägypten ein U-Boot, sodass die See-Blockade des Jemen dicht ist. Via Lieferungen an die Staaten der Kriegskoalition ist Deutschland darüber hinaus mit Hubschraubern, Leopard-Panzern, Spürpanzern, Flugabwehrraketen, Haubitzen, Panzerabwehrraketen, Teilen von Kampfflugzeugen, Boden- und Grenzüberwachungssystemen, Bordwaffen-Steuerungssystemen, LKW, Maschinengewehren, Kleinwaffen und jeder Menge Munition am Krieg gegen das ärmste Land der arabischen Halbinsel beteiligt. 

Ohne die direkte Hilfe der USA jedoch hätte Saudi-Arabien den Jemen nicht fortdauernd über die Zeitspanne von mehr als drei Jahren bombardieren können. Die US-Air-Force hat die saudischen Flieger in der Luft betankt und deren Piloten mit der Zielermittlung ausgestattet; in der notwendigen Genauigkeit von Bruchteilen von Sekunden ging das nur über die US-Base im rheinland-pfälzischen Ramstein. Ohne die politische und diplomatische Unterstützung der USA, Frankreichs, Großbritanniens und Deutschland wäre Saudi-Arabien international tendenziell isoliert.  
Dieser Krieg richtet sich gegen die ganze Bevölkerung des Jemen. Dargestellt wird er aber als Krieg gegen die Huthis. Sie sind, was ihre Religionszugehörigkeit betrifft, Zaiditen. Das ist eine eigene Strömung innerhalb des schiitischen Islam, die zugleich eine relative Nähe zum sunnitischen Islam hat. 40 Prozent der Jemeniten sind Zaiditen, ihr Kerngebiet liegt seit Jahrhunderten im Norden des Landes. Unter der alten Herrschaft wurden sie politisch und ökonomisch marginalisiert, auch militärisch bekämpft. In den 1990’er Jahren begannen sie, sich als politische Bewegung mit eigenen Milizverbänden zu organisieren, sie forderten sozialökonomische Verbesserungen und politische Teilhabe. „Das Regime von Ali Abdallah Salih, der von 1978 bis 2012 Staatspräsident war, stellte die Huthi- Rebellen von Beginn an als Terroristen dar und stigmatisierte sie mit Verweis auf ihre »schiitische« Identität als Agenten Irans,“ schreibt Guido Steinberg von der regierungsnahen Stiftung „Wissenschaft und Politik“ in seinem Artikel „Saudi-Arabiens-Krieg gegen den Jemen“ (SWP-aktuell vom Juli 2017). Diese Behauptung, so Steinberg, war falsch und erlogen. Doch sie kann, so der Autor weiter, durchaus eine unerwünschte Wirkung haben: “Mit dem Krieg im Jemen wollte das Königreich verhindern, dass Teheran einen Brückenkopf auf der Arabischen Halbinsel aufbaut. Nun erreicht Riad womöglich das Gegenteil von dem, was es beabsichtigte.“ 
Die Mär von den Huthis als Agenten des Iran
Die Mär von den Huthis als Terroristen und Agenten Irans wird aber immer noch bereitwillig aufgegriffen und verbreitet; so kann der Krieg gegen den Jemen als Teil des „Krieges gegen den Terror“ dargestellt und legitimiert werden. Tatsächlich geht es um eigene Machtinteressen zuerst Saudi-Arabiens, das den Jemen schon immer als Hinterhof betrachtet hat und ihn in dieser abhängigen und untergeordneten Position halten will. Saudi-Arabien selbst, namentlich auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar wollen einen sicheren Zugang zum Roten Meer und der strategisch wichtigen Meerenge des Golfs von Aden bekommen resp. erhalten. Alle an der Kriegskoalition beteiligten Staaten wollen sich als Partner der USA, auch Frankreichs und Großbritanniens, empfehlen. 
Und sie alle sind bereit, dafür die Bevölkerung des Jemen auszuhungern und sterben zu lassen.
Es ist so bitter, dass diese Menschheitsverbrechen in der Öffentlichkeit „vergessen“ gemacht, aber auch in weiten Teilen der Friedensbewegung kaum zum Thema gemacht werden. Dabei ist politischer Druck jetzt und sofort notwendig, damit die Vollblockade des Jemen zu Lande, zu Wasser und aus der Luft beendet wird. Dann könnten noch Menschenleben gerettet werden. Sofortige humanitäre Hilfe ist nötig. Die Bundesregierung muss ohne Verzug alle Waffenlieferungen an alle am Jemen-Krieg beteiligten Staaten beenden. Schluss mit dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Jemen und Selbstbestimmungsrecht für seine Bevölkerung. Die saudische Herrscherfamilie und Prinz Mohammed bin Salman müssen für ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen werden. 

Wir danken Ali Al-Dailami, stellvertretender Vorsitzender der LINKEN und als Kind aus dem Jemen geflohen, für seine Aufklärung und Analyse. Sie sind in diesen Artikel eingegangen. Zum Weiterlesen empfehlen wir das sechsteilige Jemen-Spezialauf Justice Now! Von Jakob Reimann:   http://justicenow.de/tag/jemen-special/