Wolfgang Gehrcke, MdB, Kurzbericht aus Beirut:

26.07.2006
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„Die humanitäre Lage in Beirut und im Süden des Libanon ist eine einzige Katastrophe. Große Teile im Süden der Stadt liegen in Trümmern, und heute Nacht gab es wieder Raketenangriffe auf Beirut. Im Süden des Landes sind alle Brücken zerstört, Angriffe gab es auch auf Rot-Kreuz-Konvois, die Verwundete transportierten. Mittlerweile zählt man mehr als 400 Tote, die Anzahl der Verletzten ist nicht überschaubar. Rund 700.000 Menschen sind auf der Flucht. Die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist nach den israelischen Angriffen auf die Lebensmittel produzierende Infrastruktur nicht mehr gesichert. Dieser Krieg wird nur Verlierer haben.“


Wolfgang Gehrcke, der heute auf dem Weg in den Süden Libanons ist, hatte sich nach der Sondersitzung des Auswärtigen Ausschusses des deutschen Bundestages, die auf Antrag der Linksfraktion zustande kam, kurzfristig entschlossen, mit einer Delegation der Europäischen Linken nach Beirut zu fahren. An dieser Delegation sind linke Abgeordnete aus Frankreich, Griechenland (unter Einschluss der einstigen Regierungspartei PASOK), Großbritannien, Portugal, Zypern und Italien beteiligt.
In seinem ersten Kurzbericht verweist er auf die explosive Gemengelage in Nahost, die ihre Sprengkraft aus alten und neuen ungelösten Problemen bezieht:

„Im Libanon-Krieg bündeln sich viele politische Fragen. Es spielen hinein die Auseinandersetzung mit dem Iran, das Ergebnis des Irak-Krieges, innere Konflikte im Libanon selbst, die Stellung Syriens, bis hin zum Aufmarsch türkischer Truppen in Kurdistan. Der Kern ist und bleibt aber die ungelöste Frage eines eigenständigen lebensfähigen palästinensischen Staates.“

Innerhalb der Europäischen Linken, so Gehrcke, habe man sich auf folgende Sofortmaßnahmen als Forderungen geeinigt:
1.Sofortiger Waffenstillstand und Öffnung eines humanitären Korridors in den Süden des Libanon, wobei die Betonung auf „sofort“ liegt.
2.Aufnahme von Verhandlungen inkl. eines Gefangenenaustausches.
3.Keine Waffenlieferungen in die Krisenregion, d.h. auch keine Waffen an Israel.

Zur Diskussion über die Frage der Etablierung einer internationalen Militärmission im Süden des Libanon erklärte Gehrcke: „Der Leiter der Vertretung der EU-Kommission informierte uns darüber, dass dieses Problem heute in Rom diskutiert werden soll und dass es den Vorschlag gebe, eine EU-Militärmission einzurichten, die im Kern aus deutschen und französischen Soldaten gebildet werden soll. Ich kann davor nur warnen. Denn die EU würde das übernehmen, was Israel selbst nicht in der Lage sein wird, auf Dauer aufrechtzuerhalten: eine Militärstationierung im Libanon.
Etwas anderes wäre es, im Rahmen von Endstatus-Verhandlungen zur Lösung des Palästina-Konfliktes das Ergebnis durch Sicherheitsgarantien zu stabilisieren. Genau diese Verhandlungen jedoch verweigert Israel. In diese Richtung zielt aber unser Vorschlag für eine Nahost-Konferenz.“

Wolfgang Gehrcke aus Beirut

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