Foro Sao Paulo in San Salvador, Januar 2007

12.01.2007
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Foro Sao Paulo in San Salvador, Januar 2007

Noch ein weiter Weg zum inneren Frieden
Vom 12. bis 15. Januar 2007 fand in San Salvador die 13. Tagung des Sao-Paulo-Forums statt. In jenem Jahr hatte sich die Unterzeichnung des Friedensabkommens in El Salvador zum 15. Mal gejährt. Ich gehörte zu den 24 geladenen Gästen aus Asien, Afrika und Europa, die mit den Vertreterinnen und Vertretern von 58 Parteien aus Lateinamerika an der Tagung teilnahmen. Das Sao-Paulo-Forum ist der repräsentativste Zusammenschluss der lateinamerikanischen Linken. Innerhalb des Forums gab es zwei spezielle Sitzungen der Parlamentarierinnen und Parlamentarier – eine zur lateinamerikanischen Integration, die andere zur Zusammenarbeit lateinamerikanischer und europäischer Parlamentarierinnen und Parlamentarier.


Äußerst kritisch fiel das Resümee der Frente Farabundo Martí para la Liberacion Nacional (FMLN) aus. Die salvadorianische Oppositionspartei hatte bei der letzten Parlamentswahl ca. 40 Prozent der Stimmen erreichte und stellte seit den Kommunalwahlen im Jahr 2006 59 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Sie fragte: Was hat das Friedensabkommen El Salvador konkret gebracht? 

Erreicht wurde die Errichtung parlamentarischer Gremien, die Entwaffnung der Guerilla, die Etablierung politischer Parteien und in einem gewissen Umfang der Aufbau staatlicher Strukturen. Aber nach wie vor klaffen die sozialen Verhältnisse weit auseinander. Dieses Ziel des Friedensabkommens wurde nicht erreicht. Auch die Kriminalität im Lande ist gewachsen. Die „Todesschwadronen“ der rechtsgerichteten Kräfte sind weiter aktiv. Die Abhängigkeit El Salvadors von den USA hat sich verstärkt. Von den rund 6,5 Millionen Bürgerinnen und Bürgern des Landes versuchen jährlich ca. 60.000 – legal oder illegal – in die USA zu emigrieren. Der Staatshaushalt wird in einem hohen Maße von Überweisungen der salvadorianischen Migrantinnen und Migranten gestützt, die in den Vereinigten Staaten einen Job gefunden haben. 

Die Debatte um eine lateinamerikanische Integration hatte in den Beratungen einen sehr großen Stellenwert. Mir fiel auf, dass sich das Selbstbewusstsein der politischen und sozialen Kräfte Lateinamerikas nicht nur verstärkt, sondern auch verändert hat. Neben dem Verständnis, Bürgerinnen und Bürger eines bestimmten Landes zu sein, hat sich eine eigene lateinamerikanische Identität herausgebildet. Hier spielt der Rückgriff auf indigene Wurzeln eine erhebliche Rolle. Die hohe Popularität des Präsidenten von Bolivien, Evo Morales, ist auch daraus begründet. 

Zur lateinamerikanischen Integration werden unterschiedliche Modelle diskutiert. Brasilien favorisiert den Ausbau des MERCOSUR, während Venezuela und Bolivien auf den Ausbau der ALBA (Bolivarische Alternative für Amerika) setzen. An Bedeutung haben parlamentarische Zusammenschlüsse wie zum Beispiel das Zentralamerikanische Parlament gewonnen. 

Schlaglichtartig ist mir die weithin katastrophale soziale Lage in Lateinamerika ins Bewusstsein gerückt. Auf Einladung von Dr. Jaime Recinos Crespín, Bürgermeister der Stadt Cuscatancingo, besuchte ich am 15. Januar diese mittelgroße Stadt. Sie liegt ca. 30 Autominuten von der Hauptstand San Salvador entfernt und hat - geschätzt - 120.000 Einwohner. Die Mehrheit der Menschen lebt in Wellblech- oder Papphütten bzw. in kleinen, lose zusammengefügten Steinhäusern. Auf eine Wohnfläche von 15 bis 20 qm kommen 8 bis 10 Personen. Ein Großteil des Stadtgebietes ist ohne jegliche Stromversorgung, ohne Wasser bzw. Abwasser. Für 120.000 Einwohner steht ein 
Arzt zur Verfügung. Es gibt kein Krankenhaus und keine medizinische Station. Der einzige Brunnen ist privatisiert, das heißt, die Menschen müssen sauberes Trinkwasser täglich kaufen. Der Friedhof der Stadt wurde ebenfalls privatisiert; eine Beisetzung kostet 7.000 Dollar, was zur Folge hat, dass die Armen, also der weitaus größte Teil der Bevölkerung, ihre verstorbenen Angehörigen irgendwo verscharren müssen. Es gibt keinen einzigen Sportplatz und keine öffentliche Schule. 

In einem solchen sozialen Umfeld entstehen leicht Hoffnungslosigkeit, Rebellion und die Gefahr von Drogen und Kriminalität. Ein sehr schweres Erbe für den jungen Bürgermeister und seine UnterstützerInnen.