Statt Völkerrecht Mord und Totschlag – NATO fälscht Bilanz des Libyen-Krieges

03.11.2011
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Zur Bilanz des Libyen-Kriegs erklärt Wolfgang Gehrcke, Mitglied des Parteivorstands der LINKEN:

Für die NATO ist der Libyen-Krieg ein "großer Erfolg". Für die Bundesregierung, obwohl sie im Weltsicherheitsrat nicht zugestimmt hatte, ebenfalls. Westerwelle traut sich nicht, dem allgemeinen Jubel entgegen zu treten und über die Ermordung von Gaddafi zeigt sich die westliche Politikerkaste peinlich berührt, aber doch erleichtert.

Die Wahrheit sieht anders aus:

Im Libyen-Krieg verloren zwischen 40.000 und 80.000 Menschen ihr Leben. Angeblich sollten, so die Resolution des Weltsicherheitsrates, die Luftangriffe dem Schutz der Zivilbevölkerung dienen. Tatsächlich wurden Tausende Menschen hingemordet. Angeblich sollte Libyen entmilitarisiert und die Lieferung von Waffen unterbunden werden. Tatsächlich verbreitet der fast ungehinderte Zugriff auf Waffen weltweit Sorgen. Zu den in Libyen aufgefundenen Waffen gehören auch deutsche Sturmgewehre der Firma Heckler & Koch. Es ist davon auszugehen, dass binnen kurzer Zeit auf den Kriegsschauplätzen in aller Welt Waffen aus Libyen auftauchen.

Der Weltsicherheitsrat sprach davon, dass Demokratie die Grundlage für die libysche Gesellschaft darstellen solle. Tatsächlich wurde als erstes Gesetz die Scharia eingeführt und damit alle Gesetze aufgehoben, die ihr entgegen stehen. Binnen kurzem wird man registrieren können, dass Frauenrechte, die es selbst unter dem Regime Gaddafi gab, wieder eingeschränkt und aufgehoben werden.

Nicht widerlegt ist bisher der Verdacht, dass bereits während des Krieges Ölverträge über mehr als ein Drittel des libyschen Öls mit französischen Firmen abgeschlossen wurden. Es bleibt abzuwarten, ob soziale Rechte und bildungspolitische Errungenschaften aufrecht erhalten bleiben oder in der Neuordnung untergehen. Fest steht hingegen, dass Libyen erneut als Festungswall gegen Fluchtbewegungen Richtung Europa aufmunitioniert wird. Die Europäische Union hat sogar angeboten, militärische Einheiten zur Sicherung der libyschen Grenzen zu entsenden.

Angesichts solcher Tatsachen von Erfolg zu sprechen, ist zynisch, menschenverachtend. Die Verantwortlichen für den Krieg gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof. Doch genau das wird eher nicht passieren, auch wenn der Chefankläger des Gerichtshofes ‚unparteiische‘ Untersuchungen angekündigt hat. Sicher ist: Die Vereinten Nationen haben schweren Schaden genommen. Sie haben gegen ihre eigene Charta gehandelt. Schon mit der Handlungsunfähigkeit des Weltsicherheitsrates im Syrienkonflikt wird deutlich, dass die Bereitschaft, sich auf Beschlüsse der UNO einzulassen, gravierend zurück gegangen ist. Statt Völkerrecht, Demokratie und Aussöhnung hat der Libyen-Krieg Mord und Totschlag verbreitet. Das kann nicht der Weg sein, Stabilität in der Region herbeizuführen. Statt eines arabischen Frühlings haben wir es mit einem Herbst der Demokratie zu tun.