Canto General

08.12.2012
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8. Dezember 2012 – Reisetagebuch Santiago de Chile (5)

Der politisch-theoretische Teil der Konferenz ist abgeschlossen. Viele Fragen, die in und mit einer internationalen Gemeinschaft diskutiert wurden, bewegen auch uns. Über einige werde ich in den nächsten Tagen im Nachgang zu diesem Reisetagebuch sicher noch etwas schreiben. ‚Einheit in der Vielfalt‘ war nicht nur eine zentrale Aussage dieses Treffens, sondern bewegt sehr viele auch in ihrem alltäglichen Leben. Auf dem Schlusspodium sprachen ein Senator der Kommunistischen Partei, ein Vertreter der Radikalsozialisten und ein „Rebell“ aus der Demokratischen Partei. Ihre Aussagen waren eindeutig: Sie wollen eine andere Regierung in Chile, eine Regierung, die mit dem neoliberalen Wirtschafts- und Politiksystem bricht, und, das schälte sich immer mehr als ein Schwerpunkt heraus, sie wollen eine andere Verfassung. Eine Revolution, eine Umgestaltung mit der Verfassung, dieser lateinamerikanische Gedanke ist auch für Europa interessant. Es wird über die Widersprüche von ‚Einheit und Klarheit‘ gesprochen, über Moral und Glaubwürdigkeit und darüber, was heute noch nationalstaatlich möglich ist und was im Alltag bereits weit über die Grenzen des Nationalstaates hinausreicht.

Ich bin das erste Mal in Chile. Bisher kannte ich das Land aus vielen Solidaritätsaktionen, aus der Musik von Victor Jara, Quilapayún, Inti Illimani, aus der Poesie Pablo Nerudas, die die Kraft des Volkes im Canto General wiederspiegelt, aus Gesprächen mit Gladys Marin, Luis Corvalán und vielen chilenischen Freunden, die in Deutschland Asyl gefunden hatten. Heute, vor der großen Abschlussveranstaltung, besuchte ich die Gedenkstätte der Erinnerung im Nationalstadion von Santiago, und in den vergangenen Tagen habe ich mit Vertretern der chilenischen Menschenrechtskommission gesprochen. Für mich ist klar: DIE LINKE wird ihren Antrag in den Bundestag einbringen, wir arbeiten schon seit einiger Zeit daran, und Aufklärung fordern über den Filz der deutschen Politik mit den Verbrechen der Pinochet-Diktatur in Chile. Wir wollen Aufklärung darüber, was die deutsche Regierung wusste, wie tief sie verwoben war in die Geschäfte und Praktiken der Colonia Dignidad und wie beharrlich sie politisch verteidigt hat, dass der kampf gegen den Kommunismus alles rechtfertigt. Wir alle haben Anspruch auf Wahrheit und die chilenischen Menschenrechtler erwarten, dass ihnen endlich auch die deutschen Akten zur Verfügung gestellt werden.

Heute Abend bin ich noch einmal im Estadio Nacional. Ich freue mich, auf der großen Bühne viele alte und neue Freunde zu sehen und zu hören.

Als Dank an meine Gastgeber in Chile und als Gruß an alle, die mit Chile solidarisch waren und sind, ein kleiner Abschnitt aus dem Canto General.