Viel Steine und wenig Brot

07.01.2012
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7. Januar – Viel Steine und wenig Brot

Mein alter Wunschtraum, dass meine Freunde in Israel ohne Angst vor Anschlägen in ein Café gehen können und meine Freunde in Palästina sich in ihrem eigenen Land frei bewegen können, kommt mir wie ein fernes, schönes Märchen vor angesichts dessen, was ich in der Westbank konkret erlebe. Wir besuchen heute Susiya, eine Beduinensiedlung in der Nähe der Stadt Hebron. Eine unendlich mühselige Qual, dem steinigen Boden etwas Fruchtbarkeit abzuringen. Gemeinschaftlich, mit Hilfe der Palästinensischen Autonomiebehörde wurde eine kleine Schule gebaut. Jetzt soll sie vom israelischen Militär wieder abgerissen werden, weil es keine Genehmigung für einen Schulbetrieb gibt. Selbst hier können sich die Beduinen nicht frei bewegen. Gleich hinter ihren Zelten und Hütten sind illegale israelische Siedlungen entstanden. Hier drohen sehr militante Siedler ständig mit Gewalt. Überfälle sind an der Tagesordnung.

 

Weiter nach Hebron – eine wunderschöne alte, geschichtsträchtige Stadt. Wir sind in der Altstadt, in der Nähe der Ibrahim-Moschee, wo vor Jahren durch einen Anschlag militanter Siedler fast 30 Menschen ihr Leben verloren haben. Die Szene ist gespenstisch: auf der rechten Straßenseite darf kein Palästinenser gehen. Viele Straßen sind komplett für Palästinenser gesperrt. Deutsche Besucher wie uns hat man durch gelassen und manchmal wirkt der Diplomatenpass Wunder. Aber auch nur manchmal. Ich stehe vor einer Mauer, blau angestrichen. In dieses Blau hinein gemalt sind zwei Friedenstauben, beide mit einem Ölzweig im Schnabel. Darunter steht „Free Palestine“. Das ist, was viele hier bewegt, wir hören es immer wieder. Die Menschen wollen Frieden, sie wollen mit anderen Menschen vernünftig zusammenleben, sich nicht terrorisieren lassen. Aber das geht nur, wenn man Freiheit hat. Ohne Gerechtigkeit, ohne Frieden bleibt der Nahe Osten ein Pulverfass. Ich habe nie gedacht, dass ich einmal durch eine Straße gehen werde, auf der eine Seite für Palästinenser und die andere für israelische Siedler und für Touristen vorbehalten ist. Die Unvernunft kennt keine Grenzen.

Nun sind wir wieder an einem Checkpoint – ein Container mit aufgebauten Wachturmelementen, Armeejeeps fahren Patrouille. Frieden sieht anders aus. Dafür ist noch sehr viel zu tun.