Sehen müssen, was der Verstand nicht fassen kann

09.01.2012
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von der Nahostreise 2012 (5)

Wer, wie ich heute, die Gedenkstätte Yad Vashem besucht, tut gut daran, sich nach dem Besuch sehr viel Zeit zu nehmen. Die Seele braucht eine Chance zur Verarbeitung dessen, was die Augen gesehen haben, der Verstand aber nicht fassen kann. Yad Vashem gibt den Ermordeten Namen, Gesichter und Lebensschicksale zurück. Die Gedenkstätte zeigt aber auch die Gesichter der Mörder, die Gesichter des Verbrechens, all jene, die von sich behaupteten, nur Befehle ausgeführt zu haben. Selbst der Massenmord ist in Deutschland ganz bürokratisch organisiert worden. Züge mussten fahren, um die Opfer bis fünf nach Zwölf in die Vernichtungslager zu transportieren. Es musste alles erfasst werden, auch die Vernichtung von Beweisen vor den heranrückenden alliierten Armeen wurde bürokratisch angewiesen und organisiert. Auf der Täterseite sehe ich Gesichter, korrekt gezogene Scheitel, gepflegte Uniformen und noble Abendanzüge. Am Tod der Millionen Jüdinnen und Juden ist kräftig verdient worden. Das Giftgas brachte Profit, die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft ebenso wie der Raub von Wertgegenständen.

 

Am 20. Januar begehen wir den 70. Jahrestag der Wannseekonferenz – jenes Verbrechertreffens, das die so genannte Endlösung der Judenfrage in Europa organisiert hat. Das alles mit Gründlichkeit unter Beteiligung von Beamten, Militärs, Richtern, Polizei, SA und SS. DIE LINKE setzt sich mit dieser Geschichte, mit dieser Verantwortung aktiv auseinander. Wir wissen, ‚der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.‘ Über all das denkt man nach, denkt man tiefer nach, wenn man Orte wie Yad Vashem oder Auschwitz, Buchenwald und Bergen Belsen gesehen hat. Mein Vorschlag an die Gliederungen der Partei DIE LINKE: Macht öffentliche Veranstaltungen zur Geschichte der faschistischen Verbrechen, zum Jahrestag der Wannseekonferenz. Verabredet euch mit der VVN – Bund der Antifaschisten und ladet Referentinnen und Referenten ein.

‚Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!‘ (Bert Brecht)