

Inhalt:
1. Engagiert, entschlossen, besonnen
2. Wiedereinzug in den Bundestag und in den hessischen Landtag ist das Ziel
3. DIE LINKE muss Vertrauen zurück gewinnen
4. DIE LINKE wirkt aus der Opposition, aus der Gesellschaft heraus
5. Veränderung durch Opposition – Kopf hoch und nicht die Hände
6. Anpassung ist Mist
7. Der Dauerbrenner: DIE LINKE soll ihre Antikriegspolitik ändern. Widerspruch!
8. Die LINKE: erkennbar und wählbar
9. Über den Kapitalismus hinaus
1. Engagiert, entschlossen, besonnen
Wir beginnen den Bundes- und Landtagswahlkampf, anders als die vorherigen, nicht im Aufschwung für die LINKE, sondern in einer Phase der Stagnation und der Unsicherheit über das Ergebnis. In dieser Situation kann man leicht Fehler machen. Noch immer ist eine Linke in Parlamenten für die politische Klasse Deutschlands ein Tabubruch und alle im Bundestag vertretenen Parteien wollen uns erledigen. Es besteht die Gefahr, dass wir Getriebene von Medien und Meinungsmachern werden, die uns auf ihre Themen eingrenzen, die nicht unsere sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns klar werden über die wesentlichen Ziele und Inhalte unserer Wahlkämpfe in dem sicheren Bewusstsein: Wir beeinflussen schon jetzt das politische Klima, namentlich in der sozialen und Friedensfrage. Wir können gute Erfolge erzielen, wenn wir klar unsere Ziele benennen und verfolgen und dicht bei den Menschen bleiben.
2. Wiedereinzug in den Bundestag und in den hessischen Landtag ist das Ziel
Hierauf sollen wir uns konzentrieren und uns nicht verzetteln. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Wenn wir die Ablösung von Schwarz-Gelb in Bund und Land in den Vordergrund stellen, kann das von uns weg und zur Wahl von SPD und Grünen führen. Zur Erinnerung: Die Losung „Stoiber verhindern“ trug 2002 zur Wahlniederlage der PDS bei. Um wieder mit einer klaren alternativen Politik in die Parlamente zu kommen, brauchen wir Hilfe und Unterstützung aus der Friedensbewegung und von Gewerkschaften, aus entwicklungspolitischen und Umweltgruppen, von Blockupy und attac, von Aktiven aus Kommunen, Land, Bund. Sie werden uns nur unterstützen, wenn wir für sie bedeutsam sind.
3. DIE LINKE muss Vertrauen zurück gewinnen
In vielen Bereichen repräsentiert DIE LINKE gesellschaftliche Mehrheiten, diese aber fühlen sich mehrheitlich nicht durch die LINKE vertreten. Das deutet auf einen hohen gesellschaftspolitischen Nutzen und Chancen der LINKEN hin; zuallererst aber legt diese Kluft ein großes Problem offen, vor allem, weil unsere Politik darauf gerichtet ist, dass wir nicht nur die Interessen der Betroffenen vertreten, sondern dass sie sich selbst auch möglichst machtvoll äußern. Doch große außerparlamentarische Bewegungen sind heute eher selten. Bei den letzten Wahlen, vor allem im Westen, hat DIE LINKE in die verschiedensten Richtungen verloren, v.a. in die Nichtwählerschaft und an SPD und Grüne. So müssen wir Vertrauen zurück gewinnen. Das ist aber viel schwieriger, als Vertrauen zu verspielen. Ganz bewusst sollen wir uns hinwenden zu den Nichtwählenden, die von der etablierten Politik enttäuscht oder abgestoßen sind, weil ihre Interessen als Arme oder von Armut Bedrohte keine Rolle spielen; zu den weiblichen und männlichen Facharbeitern, Angestellten, Beamten, die ihre eigenen Rechte verteidigen, Wertschätzung einfordern und zugleich gute Arbeit und ein gutes Leben für alle im Blick haben; zu den Jugendlichen (und vielen Erwachsenen), die nicht einen Platz in dieser Gesellschaft zugewiesen bekommen, sondern ihn selbst wählen und gestalten wollen, möglichst zusammen mit anderen hier und auf der ganzen Welt und im Einklang mit der Natur; zu den Aufbegehrenden und in demokratischen Bewegungen Aktiven, die Parteien, auch linken, mit Misstrauen begegnen aus berechtigter Sorge, dass sie als Bewegungen und/oder ihre Forderungen instrumentalisiert werden, vor allem in Wahlkampfzeiten. Kritik aus all diesen Gruppen müssen wir nicht nur aushalten, sondern uns mit ihr auseinandersetzen. So können wir nicht zuletzt LINKE-Wählende (zurück-)gewinnen.
4. DIE LINKE wirkt aus der Opposition, aus der Gesellschaft heraus
Das Wahlprogramm soll nicht nur richtige Forderungen auflisten, sondern sich deutlich auf unsere Praxis in den Parlamenten und außerparlamentarisch beziehen. Dort stehen wir für Umsteuern und einen politischen Richtungswechsel ein, diese Praxis ist überprüfbar. Einige Beispiele: DIE LINKE spricht für gesellschaftliche Mehrheiten gegen Bundeswehreinsätze im Ausland, so in Afghanistan, an der türkisch-syrischen Grenze, am Horn von Afrika oder Mali. Ohne unser fortdauerndes NEIN hätten diese Mehrheitsstimmungen keine Vertretung im Bundestag, sie wären noch stärker in Gefahr zu kippen. Ohne unser konsequentes NEIN zu Studiengebühren, verbunden mit dem Engagement der Studierenden und der Bevölkerung, wären sie in Hessen nicht abgeschafft worden, andere Länder sind diesem Beispiel gefolgt. Bei der Volksabstimmung in Hessen haben 30 Prozent gegen die Schuldenbremse gestimmt, daran hat DIE LINKE Anteil. Beim Mindestlohn und beim Verbot von Leiharbeit waren wir zuerst allein, bei der völligen Abschaffung der Hartz-IV-Gesetze sind wir es immer noch. Aber auch das muss ja nicht so bleiben, wie die Erfahrung lehrt. Die Finanzmärkte regulieren – das wollte ursprünglich einzig DIE LINKE.
Heute drängen sich viele um diese Themen, doch Vorsicht! SPD und Grüne haben, obwohl sie in der Opposition sind, jedem Bundeswehreinsatz zugestimmt, die Schuldenbremse wurde mit ihren Stimmen ins Grundgesetz aufgenommen, sie spannten Banken-„Rettungsschirme“ auf und mit ihrer „Sparpolitik“ halten sie die EU auf der schiefen Bahn. In diesen Fragen waren SPD und Grüne in der Opposition keinen Deut besser als sie es in der Regierung waren.
5. Veränderung durch Opposition – Kopf hoch und nicht die Hände
Opposition sei Mist, meinte Müntefering von der SPD und auch in der LINKEN gibt es Oppositionsmüdigkeit. Exemplarisch dafür der frühere Parteivorsitzende Lothar Bisky in der ZEIT, er rät der LINKEN bei dieser Bundestagswahl für ein rot-rot-grünes Bündnis einzutreten, ihre außenpolitischen Positionen, besonders zum Austritt aus der NATO, zu korrigieren, und Steinbrück zum Kanzler zu wählen. Ich rate zum Gegenteil: Wir sollten nicht schmachtend hinter SPD und Grünen herlaufen, um doch immer wieder einen Korb zu erhalten. Das muss unmissverständlich im Wahlprogramm ausgedrückt werden.
Opposition ist nicht Mist, sondern dringend notwendig, verantwortlich, demokratisch. Grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen erwachsen aus Opposition. Wir werden in der kommenden Legislaturperiode im Bundestag in der Opposition bleiben. Diese Rolle soll DIE LINKE annehmen und ausfüllen. Mit erhobenem Kopf und eigener Politik sind Wahlen zu gewinnen. Anders herum verliert man sie. Kopf hoch und nicht die Hände gilt auch heute.
6. Anpassung ist Mist
Ob oder dass wir Steinbrück zum Bundeskanzler wählen, ist eine Gespensterdebatte, absurd und von den Medien inszeniert, um DIE LINKE zu entzweien und unser Profil im Wahlkampf zu zerstören.
Ernsthaft hingegen sind die bisherigen europäischen Erfahrungen für Linke in Zeiten des Neoliberalismus, sie lauten: Wer regiert, verliert. Das war so in Italien, Frankreich, Spanien, Schweden, Norwegen – und auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Der Umkehrschluss: Wer opponiert, gewinnt, ist hingegen auch nicht richtig. Wo in der jüngeren Vergangenheit Mitte-Links-Regierungen zustande gekommen sind, stand bei den Partnern nicht im Vordergrund, gemeinsam eine Politikwende durchzusetzen und dafür Akzeptanz und Ausstrahlung zu gewinnen, sondern sie wollten DIE LINKE entzaubern. Das muss nicht so bleiben. Allein: Es gibt derzeit weder bei den möglichen Parteien noch gesellschaftspolitisch ein Aufbruchsklima zu einer politischen Wende.
An der LINKEN sind übrigens rot-rote Regierungsbündnisse bislang nicht gescheitert. In acht Bundesländern wäre rot-rot-grün möglich gewesen, aber die anderen haben sich jeweils dagegen entschieden. Wir hatten uns in Hessen in einer Urabstimmung entschieden, Andrea Ypsilanti zu unterstützt und bewiesen: An uns scheitert ein Politikwechsel nicht, wenn er der mit der neoliberalen Politik bricht und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in Stadt und Land verbessert. So halten wir es noch heute. Das entspricht auch der Linie von Oskar Lafontaine, der unterstreicht: Damit aus rechnerischen parlamentarische Mehrheiten für einen Politikwechsel werden, müssen mögliche Partner mit ihrer Politik von Kriegseinsätzen und Sozialabbau brechen. Als LINKE führen wir unseren Wahlkampf zu unserer eigenen Programmatik und Praxis und nicht zu Koalitions-Spekulationen. Wir bilden ein eigenständiges politisches Lager für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für das wir möglichst viele politisch Aktive aus Bewegungen und Gewerkschaften gewinnen wollen.
7. Der Dauerbrenner: DIE LINKE soll ihre Antikriegspolitik ändern. Widerspruch!
Um regierungstauglich zu sein, wird von der LINKEN wenigstens ein erster Schritt erwartet in Richtung: Akzeptiert die NATO und schließt Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht vollständig aus. Dazu sagt der Entwurf des Wahlprogramms NEIN und das ist gut so. Aber weil es zum Thema geworden ist, sollten wir auch unser Verhältnis zur NATO weiter klären in der Form, dass die LINKE bei ihren Überlegungen zur Auflösung der NATO nicht nur bleibt, sondern sie konkretisiert. Als erster Schritt ist heute vordringlich, dem Argument der „Bündnissolidarität“ den Boden zu entziehen. Zunehmend werden Militäreinsätze mit der angeblichen NATO-EU-Verpflichtung begründet, die als Staatsräson nicht zu hinterfragen sei.
8. Die LINKE: erkennbar und wählbar
Ein linkes Programm ist noch keine Garantie dafür, dass man gewählt wird, aber ohne ein linkes Programm, auf das sich die Kandidatinnen und Kandidaten verpflichten und das den Wahlkampf prägt, braucht man erst gar nicht anzutreten. Der vorliegende Programmentwurf geht auch mit seinen Vorschlägen zum sozialökologischen Umbau der Gesellschaft, der die Eigentumsfrage nicht ausklammert, in die richtige Richtung. Auf dieser Grundlage sind Verbesserungen durchaus angebracht. Mit wenigen Pinselstrichen können wir ein überzeugendes Bild von der Politik der LINKEN zeichnen, das uns erkennbar und wählbar macht:
o Öffentliches Eigentum vor Privateigentum. Nicht nur Water makes Money, nicht nur Energielieferung schafft Profite, nicht nur in diesen Bereichen wird es nach Privatisierungen teurer und nicht besser; das gleiche gilt für Kliniken, Schulen, Universitäten, für den öffentlichen Personen-Nahverkehr, kurz: Für die Gesamtheit der Daseinsvorsorge.
o Höhere Löhne, bessere Renten und nicht erst ab 67, Anhebung der Hartz-IV-Sätze auf mindestens 500 Euro im Monat sind materiell wichtig für die Betroffenen, sie zeugen von Respekt und sie sind gut für die Wirtschaft.
o Mietobergrenzen beinhalten insbesondere in Großstädten die Chance, dass Innenstädte lebenswerte, bunte Plätze bleiben resp. werden; Verbot von Strom- und Energieabschaltungen, Verbot von Exmittierungen erfüllen das Recht auf Wohnen und Würde mit Leben.
o Drastische Steuererhöhungen für die Reichsten der Gesellschaft. Wer mehr hat, muss mehr für die Allgemeinheit abführen; weitere Umverteilungsschritte in Steuern, Abgaben, Sozial- und Rentenversicherungen, Besitztiteln, Beteiligungen an Vermögen sind dringend nötig, um ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft einzudämmen.
o Die Bundeswehr wird aus allen Auslandseinsätzen sofort zurück beordert, in keine neuen Einsätze entsandt, sie wird nicht weiter mit Offensivwaffen, wie z.B. Drohnen, ausgestattet und Rüstungsexporte werden verboten.
9. Über den Kapitalismus hinaus
Kapitalismuskritik hat in der Gesellschaft erheblich zugenommen, es erreicht sogar FAZ-Herausgeber Schirrmacher. Für DIE LINKE bedrückend: Die Menschen üben Kritik am Kapitalismus, gehen aber nicht zur Wahl oder geben ihre Stimme Parteien, die weder willens noch in der Lage sind, an den Grundfesten dieser Gesellschaftsordnung zu rütteln. 2013 steht der Sozialismus zwar nicht zur Wahl, zur Wahl stehen tiefer gehende Reformvorschläge, die die Gier nach Profit, Kriege und Aufrüstung eingrenzen und Armut, Hunger, Ausbeutung, bekämpfen. Das findet sich im Wahlprogramm wieder. Der Blick über den Kapitalismus hinaus, sozialistische Ideen sollte jedoch als geistige Ausstrahlung unserer Partei deutlicher das Wahlprogramm und unseren Wahlkampf prägen.
Wolfgang Gehrcke