Die Bundeswehr hat an Schulen nichts zu suchen

14.04.2013
Printer Friendly, PDF & Email

Interview des Bundestag-Jugendportals "Mitmischen" mit Wolfgang Gehrcke über die verstärkte Werbung der Bundeswehr an Schulen und Jugendmessen, den Wehrdienst mit 17 und ein Verbot der Werbung mit Waffen. Im Original lesen

Die Bundeswehr hat in den letzten Monaten gezielt Werbung an Schulen gemacht, Videos auf Youtube platziert und Anzeigen in der BRAVO geschaltet. Was bezweckt die Bundeswehr Ihrer Meinung nach damit?

Die Bundeswehr will sich als Bestandteil des Alltags vieler Menschen vorstellen. Über die Werbung an Schulen und auf Videokanälen sollen Jugendliche für die Bundeswehr aufgeschlossen werden. Die Bundeswehr hat nichts in Schulen und Hochschulen zu suchen.

Ihre Fraktion fordert in einem Antrag, dass Kindern und Jugendlichen der Zugang zu Kriegswaffen bei Bundeswehr-Veranstaltungen verboten werden sollte. Was war dafür der Anlass und mit welchen Argumenten wurde der Antrag abgelehnt?

Krieg soll etwas "Normales" werden. Das Normale beginnt mit der Ausnutzung von Abenteuerlust und Neugierde bei Kindern. Der Tropfen, der aus unserer Sicht das Fass zum Überlaufen brachte, war die Präsentation der Bundeswehr am Hessen-Tag und ähnlichen Volksfesten. Wir wollen keine Kindern auf Panzern herumtollen sehen.

 

Einige Abgeordnete stimmen grundsätzlich keinem Antrag der Linksfraktion zu. Die würden mit uns nicht einmal eine gemeinsame Zeitfeststellung beschließen. Aber die Hauptargumente waren, dass die Bundeswehr Teil unserer Gesellschaft ist und das Kinder und Jugendliche durchaus die "Arbeitsplätze" ihrer Eltern kennen lernen sollen.

Wieso darf die Bundeswehr Ihrer Meinung nach ihre Waffen bei Veranstaltungen Jugendlichen nicht zur Verfügung stellen?

Waffen sind dazu da, andere Menschen zu töten oder zu verletzen. Das "Kriegshandwerk" ist das Handwerk des Tötens. Jugendliche dürfen auf keinen Fall daran gewöhnt werden, andere Menschen zu verletzen oder zu töten.

Seit 2011 gelten nur Schusswaffen und Vergleichbares als "Waffen". Mit einem Leopard-Kampfpanzer oder einem Eurofighter-Jet dürften Jugendliche unter 18 also dem Gesetz nach in Kontakt kommen. Wie bewerten Sie das?

Ich halte das für ein Verbrechen. Deutsche Waffen werden in alle Welt geliefert und auf allen Kriegsschauplätzen der Welt eingesetzt. Ich möchte ein generelles Verbot für die Bundeswehr, mit ihren Waffen und Waffensystemen in der Öffentlichkeit zu werben.

An einem "Tag der offenen Tür" möchten die Kasernen sich bürgernah präsentieren und Hemmschwellen abbauen. Welche Rolle spielt hier die "Faszination Waffen"? Wäre eine Präsentation ohne Waffen nicht eine Verzerrung der Realität?

Die Realität einer Armee besteht nicht nur aus der Faszination für Technik, sondern ist das Töten als Beruf. Ich denke, dass die Bilder zum Beispiel aus dem Kunduz in Afghanistan, wo auf Befehl eines deutschen Offiziers mindestens 142 Menschenleben ausgelöscht wurden, öffentlich gezeigt werden sollten.

Jedes Jahr treten rund tausend 17-Jährige in die Bundeswehr ein. Wie ist hier die Gesetzeslage und was halten Sie davon?

Am besten wäre es, wenn die Bundeswehr ganz und gar abgeschafft würde. Keiner bedroht unser Land und wir brauchen keine Armee. Aber auf dem Weg dahin, muss streng untersagt werden, das Minderjährige in die Fänge von Werbern geraten.

Welche Bedeutung hat das Internet in dieser Problematik? Zahlreiche Onlineshops verkaufen Waffen, ohne das Alter, geschweige denn die Identität des Käufers zu überprüfen.

Ich will keine US-Verhältnisse in Deutschland. Für den Kauf von Waffen dürfte keinesfalls im Internet geworben werden und muss es strengere Regeln geben.

Anscheinswaffen, also täuschend echte Nachahmungen von Waffen, könnten beispielsweise zum Selbstschutz auf dem Nachhauseweg eingesetzt werden können. Wer sollte Ihrer Meinung nach Zugang dazu haben?

Waffen schützen generell nicht wirklich, weder tatsächliche noch "Anscheinswaffen". Wir brauchen in unserem Land wie auch in anderen Ländern eine Kultur der friedlichen Konfliktregelung – im Großen wie im Kleinen.

Wie ist die Gesetzeslage in anderen Ländern geregelt? Gibt es ein Land, das als Vorbild fungieren kann?

Ich kenne jetzt keins. Leider. Das heißt aber doch nicht, dass es nicht möglich ist, dahin zu kommen.

Wird das Thema in der Öffentlichkeit Ihrem Empfinden nach stark genug wahrgenommen?

Nein. Friedenserziehung ist eine beständige Aufgabe.

Im Original lesen.