"Es ist gut möglich, dass die schicksalhafte Entscheidung, ob jemals ein palästinensischer Staat entstehen wird, in den Händen des Bundestages liegt." Alon Liel, ehemaliger Diplomat des Staates Israel, schrieb diese Worte und darin steckt sehr viel Wahrheit. Wir müssen alles tun, diese katastrophale Lage friedlich zu beenden. Wir müssen unseren Freunden sagen, was heute notwendig ist.
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100. Sitzung des 18. Deutschen Bundestag, Donnerstag, 23. April 2015
TOP 16 – Antrag der Fraktion DIE LINKE „Staat Palästina anerkennen – Vollmitgliedschaft Palästinas in der UNO aktiv unterstützen“ – 1. Lesung
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Danke sehr. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag, der hier im Parlament bereits diskutiert worden ist, hat eine sehr lebhafte Debatte ausgelöst. Ich will Ihnen nur einmal aus einem Kommentar des ehemaligen israelischen Diplomaten Alon Liel im Tagesspiegel zitieren. Er schreibt:
Es ist gut möglich, dass die schicksalhafte Entscheidung, ob jemals ein palästinensischer Staat entstehen wird, in den Händen des Bundestages liegt.
Ich finde, er hat Recht, und genau deswegen haben wir den Antrag geschrieben und hier eingebracht.
Ich möchte mit Ihnen jetzt einmal sehr ernsthaft ausloten, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt, um diese katastrophale Situation im Nahen Osten, möglichst in Richtung Frieden, zu beenden. Sie kennen ja die Erklärung des israelischen Regierungschefs Netanjahu, dass es keinen palästinensischen Staat geben wird, solange er Regierungschef ist. Er hat seine Erklärung zwischenzeitig relativiert das weiß ich auch , aber das ist seine Grundeinstellung.
Ich denke, dass man hier drei Möglichkeiten gegeneinander abwägen muss:
Erste denkbare Möglichkeit. Es bleibt beim Besatzungsstatut und einer Fortsetzung der Besatzung Palästinas. Das wird immer wieder Gewalt produzieren und gewaltsame Auseinandersetzungen mit sich bringen. Die Fortsetzung der Besatzung ist nicht friedlich zu gestalten.
Die zweite denkbare Möglichkeit ist ein gemeinsamer demokratischer Staat mit demokratischen Institutionen, gegenseitiger Akzeptanz und der Bereitschaft zu einer gemeinsamen Staatsbürgerschaft. Das würde bedeuten, dass die Jüdinnen und Juden in diesem Staat in der Minderheit wären. Das wird in Israel nicht akzeptiert und scheidet deswegen klar aus.
Die dritte denkbare Möglichkeit ist, dass es zwei demokratische Staaten nebeneinander gibt, die miteinander verbunden sind: Israel und Palästina.
Sie entscheiden jetzt, in welche Richtung der Deutsche Bundestag votieren und Druck entwickeln soll. Meine Entscheidung ist hier völlig klar: Ich möchte, dass ein lebensfähiger und demokratischer palästinensischer Staat entsteht, und das muss relativ schnell passieren. Es ist nicht mehr viel Zeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte gerne einmal aus dem grandiosen, großartigen Buch mit dem Titel Judas von Amos Oz zitieren, das zur Buchmesse herausgebracht worden ist. Ich kann jedem nur empfehlen, dieses Buch zu lesen. Amos Oz beschreibt die Debatte in Israel vor der Staatsgründung. Er sagt:
Dieses Land wird in zwei selbstständige Staaten aufgeteilt, die durch eine Wirtschaftsunion und eine gemeinsame Währung verbunden sind. Jerusalem und Bethlehem werden unter internationale Kontrolle gestellt.
Ich finde das eine großartige Vision, die er im Rückblick entwickelt. Er schließt solche Überlegungen also nicht aus. Um dorthin zu kommen, führt der Weg heute über einen eigenständischen demokratischen palästinensischen Staat.
Zum Abschluss will ich Ihnen auch nicht vorenthalten, was seine - meine auch - Angstvision ist. Er schreibt in diesem Buch auch:
Die Araber erleben Tag für Tag die Katastrophe ihrer Niederlage, und die Juden erleben Nacht für Nacht ihre Angst vor der Rache.
Das ist die Angstvision von heute. Ich finde, aus dieser Angstvision muss es einen Ausweg geben, und ich möchte gerne, dass wir diesen Ausweg mit aufzeigen.
Der Bundestag hat die Verpflichtung, klar für eine Zweistaatenlösung einzutreten. Der Weg zur Zweistaatenlösung geht über eine Vollmitgliedschaft Palästinas in der UNO. Warum soll man denn unseren Freunden nicht sagen, was heute notwendig ist?
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)