Humanitäre Katastrophe verhindern

Brief an Außenminister Steinmeier und Staatsminister Roth
17.07.2015
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Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Dr. Steinmeier,

sehr geehrter Herr Staatsminister Roth,

täglich erreichen uns dramatische Berichte über die Situation der Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen in Griechenland. Die Situation der Flüchtenden an der Grenze zu Mazedonien, aber auch auf den Ägäis-Inseln spitzt sich immer mehr zu. Die häufig traumatisierten Menschen campieren auf offener Straße und erhalten vom griechischen Staat in der Regel weder Unterkunft und Nahrung noch medizinische Versorgung. Amnesty International weist in einem dringenden Appell darauf hin, dass einige der Flüchtlinge physisch und psychisch so erschöpft sind, dass sie auf offener Straße kollabieren.

Im Tagesspiegel wird berichtet, dass auf der Insel Samos die zuständigen Cateringunternehmen zeitweilig keine Nahrungsmittel mehr an die Flüchtlinge liefern, da sie seit Monaten von den zuständigen griechischen Stellen keine Entlohnung mehr erhalten haben. Allein auf Lesbos sind seit Anfang des Jahres etwa 25 000 Flüchtlinge angekommen, die unter erbärmlichen Bedingungen in den überfüllten Auffanglagern oder unter freiem Himmel leben müssen. Jeden Tag kommen viele Hundert neue Flüchtlinge allein auf Lesbos an, die Zahl der Neuankömmlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze beläuft sich auf bis zu 1 000 Flüchtlinge täglich. An dieser Grenze gibt es keinerlei Infrastruktur, keine Unterkünfte, keine Versorgung der Menschen mit Wasser und Nahrungsmitteln. Skrupellose Menschenhändler nehmen den Geflüchteten das Wenige ab, das sie mitnehmen konnten und kassieren von den Flüchtlingen immense Summen (etwa 3 000 Euro) für gefälschte Papiere. Etliche Flüchtlinge werden gegen ihren Willen in Busse gepfercht und nach Skopje gebracht. Dort werden sie ins Gefängnis gesteckt, nachweislich ist dort mindestens ein palästinensischer Flüchtling zu Tode gekommen. Junge Frauen werden als Sexsklavinnen gehalten.

Inzwischen sind einige NGOs wie z.B. das International Rescue Committee (IRC) auf Lesbos, Kos und anderen kleinen Inseln aktiv, um der Bevölkerung, die die Flüchtlinge mit dem Nötigsten versorgt, zu Hilfe zu kommen.

Der Präsident des IRC, Milliband, hat sich dazu am 13.7. 2015 folgendermaßen geäußert:

“The requirement for IRC to deploy staff is a terrible commentary on the failure of European countries to meet immediate and basic needs of refugees in Lesbos. We are an NGO focused on the victims of conflict in the poorest countries in the world, from Niger to Afghanistan to the Middle East, yet Europe's inability to support Greece means we have to send staff to the richest region in the world. Europe is setting an example to the rest of the world – of exactly the wrong kind."

Kürzlich hat UNHCR Griechenland als Notstandsgebiet klassifiziert, verstärkt sein Personal und sendet Hilfslieferungen nach Griechenland.

Die Lage wird sich in den nächsten Wochen noch weiter zuspitzen. Griechenland weist darauf hin, dass allein entlang der türkischen Ägäis-Küste mehr als 100.000 Flüchtlinge auf eine Möglichkeit warten, nach Griechenland zu kommen.

Es fehlt an allem: Zelte, Decken, Medikamente, Infektionsschutz, Nahrung. Die häufig privat organisierten Health-Center benötigen dringend Hilfe zur Finanzierung von medizinischem Notfallmaterial und Medikamenten. Dringend benötigt werden neben Medikamenten auch Verbände, sterile Handschuhe, Flüssigkeiten und Gesichtsmasken.

Wir möchten Sie dringend bitten, mit den Möglichkeiten der humanitären Nothilfe schnellstmöglich finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit die Beschaffung der für das Leben der Flüchtlinge notwendigen Hilfsgüter abgesichert werden kann.

Gleichzeitig bitten wir Sie zu prüfen, ob mit einem koordinierten Einsatz des Technischen Hilfswerks und/oder des Internationalen Roten Kreuzes schnellstmöglich Unterkünfte mit der entsprechenden Infrastruktur wie Sanitäranlagen, Küchen, Krankenstationen etc. errichtet werden können.

Für Ihren Einsatz möchten wir uns bereits im Voraus herzlich bedanken.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Gehrcke und Annette Groth