Bericht zur Konferenz "100 Jahre nach Zimmerwald: Linke und die Friedensfrage"

Diskussionsfreudig – aufklärerisch – ein Anfang
16.10.2015
Printer Friendly, PDF & Email

Offensichtlich traf sie ein Bedürfnis, die Konferenz 100 Jahre nach Zimmerwald: Linke und die Friedensfrage. Imperialismus heute – Differenzen verstehen – Spaltungen überwinden. Am 4. Oktober waren im Berliner Haus der Demokratie gut 120 Friedensaktive zusammengekommen, um sich als Linke, ob in der Partei gleichen Namens oder nicht, zu beraten, wie sie dem Frieden zu seinem Recht verhelfen können. Das war das gemeinsame Interesse. Gemeinsam auch die Erkenntnis: Es ist Krieg, von den Rändern Europas aus rückt er immer näher und in Form der Flüchtlinge, jenen Zeugen und Boten des Krieges, ist er schon hier angekommen. Doch Gegenöffentlichkeit und Aktion durch die Friedensbewegung entsprechen nicht der militaristischen Gefahr. Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland lehnt zwar Kriege und Kriegsbeteiligungen ab, aber sie schreien nicht auf, sie rütteln nicht an den Machtgefügen. Eine die Linke herausfordernde Situation und mit einem bloßen „weiter so“ nicht zu meistern. Auf der Konferenz trafen politische Wissenschaft, historische Erfahrungen, aktuelle Politik und Kultur zusammen. Eine nicht ganz gewöhnliche Kombination, anregend und aufklärerisch. Die Vorträge, Referate, Kommentare und hoffentlich auch Eindrücke und Debatten werden fortlaufend veröffentlicht unter www.wolfgang-gehrcke.de/zimmerwald-frieden.

In zwei thematischen Plenums- Blöcken – eines stellte Bezüge zwischen der Zimmerwalder Konferenz und heute her, das andere ging dem Imperialismus heute nach -  und vier Arbeitsgruppen haben die Teilnehmenden die aktuellen Kräfte des Krieges und des Friedens analysiert. Es bestand ein großes Bedürfnis z.B. die Kontroversen in der Friedensbewegung zu verstehen oder sich mit dem Unfrieden auseinanderzusetzen, den die EU stiftet, den Zusammenhang von Krieg und Flucht zu ergründen oder dem untrennbaren, aber nicht immer störungsfreien Verhältnis von Frieden und Antifaschismus nachzugehen. Und überall wurde beraten: Was folgt daraus? Die Arbeitsgruppe Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Frieden: Wo liegen die Probleme fiel leider mangels Masse aus, was nur unterstreicht, dass es in dieser Dreiecksbeziehung Probleme gibt. Und auch das Abschlussplenum 100 Jahre nach Zimmerwald Welche Friedensbewegung brauchen wir? markierte eher den Beginn einer ernsthaften Auseinandersetzung als einen Schlussstrich.  

Es war eine Konferenz von Linken in der Friedensbewegung für Linke. Eingeladen hatte ein Kreis von Einzelpersönlichkeiten und geladen haben sie nicht Parteien oder Repräsentanten, sondern Linke, die theoretisch, strategisch und praktisch daran mitarbeiten wollen, die Defizite und Probleme im Verhältnis von Linken zur Friedensfrage zu beheben. Das hat die wohltuend offene, unaufgeregte, zugleich intensive, nachdenkliche, dabei streitbare Atmosphäre dieser Konferenz ausgemacht und unterschiedliche linke Milieus und Denkweisen im Dialog zusammengeführt. Prägend waren nicht zuletzt die Friedenslieder von Gina und Frauke Pietsch und das literarische Zwiegespräch zum blutenden Mond von Heidrun Hegewald.

Einige Fragen konnten auf dieser Konferenz vielleicht beantwortet werden, doch zugleich ist die Liste der offenen Fragen länger geworden. Das schreit regelrecht nach Folgetreffen und die wird es sicherlich geben.