Antrag an den Parteitag zum 75. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Frieden mit Russland - Verständigung in Europa - Nein zu Faschismus und Krieg
11.05.2016
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Wolfgang Gehrcke, Ellen Brombacher

 

Vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel das faschistische Deutschland die Sowjetunion. 153 Divisionen der Wehrmacht mit 3 Millionen Soldaten fielen über das Land her. Hinzu kamen Soldaten der mit Hitler-Deutschland verbundenen Staaten Rumänien, Ungarn, Finnland, Slowakei und Italien. Knapp vier Jahre kämpfte die Rote Armee gemeinsam mit den anderen Alliierten und dem antifaschistischen Widerstand in ganz Europa gegen diese Barbarei. Die Sowjetunion trug die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus. 27 Millionen Sowjetbürger wurden Opfer des Vernichtungskrieges. 14 Millionen Zivilisten, darunter 2 Millionen sowjetische Juden, überlebten die faschistische Barbarei ebenso wenig, wie 2 Millionen sowjetische Kriegsgefangene.

8 von 10 in Sowjetrussland am Ende des 1. Weltkrieges geborene Männer wurden Opfer des Krieges. Allein die Blockade von Leningrad kostete über 1 Million Menschen das Leben. In Bjelo-Russland wurden 628 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und die Einwohner bestialisch ermordet. Die Wehrmacht hinterließ 2 Millionen Quadratkilometer verbrannte Erde.

So monströs diese Zahlen sind, bleiben sie doch fast hilflos gegenüber dem unfassbaren Leid, das der rassistische Vernichtungskrieg verursacht hat. Unterstützt und mit geplant war er von den Größen der deutschen Industrie und der Banken, die die Machtübernahme der Faschisten gefördert und von ihr profitiert haben. Sie haben Hitler finanziert und seine Propaganda verbreitet, die Kriegsgefangenen haben sie als Sklaven gehalten und ausgebeutet, sie haben die Waffen an die Ostfront geliefert und die Särge gleich mit. Sie wussten, was sie taten und sie kannten die Methoden der Kriegsführung.

Im „Hungerplan“ des faschistischen Deutschlands und im Generalplan Ost wurde der Hungertod von Millionen Menschen einkalkuliert. Der Politik der verbrannten Erde fielen 6 Millionen Gebäude zum Opfer; 25 Millionen Menschen wurden obdachlos. 31.850 Betriebe, in denen 4 Millionen Beschäftige einen Arbeitsplatz hatten und 98.000 Kolchosen wurden gänzlich oder teilweise zerstört, ebenso ungezählte Schulen, Lehranstalten und Kultureinrichtungen.

Aus dieser finstersten Zeit deutscher Verbrechen in Europa gibt es nur eine Lehre:
Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg.

Die Beziehungen zu Russland müssen dringend wieder verbessert werden

Über geschichtliche Verantwortung und die Notwendigkeit, die deutsch-russischen Beziehungen zu verbessern, muss heute geredet und nachgedacht werden. Konsequenzen aus der rapiden Verschlechterung der Beziehungen sind vonnöten. Nach Jahrzehnten des Schweigens ist endlich durchgesetzt worden, die Schoah als einzigartiges, monströses Verbrechen an den europäischen Jüdinnen und Juden anzuprangern. Das war und ist absolut notwendig und richtig. Ebenso anzuprangern ist die Vernichtung von 27 Millionen Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion, von denen die meisten Russen waren. Den Respekt vor den Ermordeten, ihren Familienmitgliedern und den Überlebenden fordern wir dringend ein. Wir erwarten, dass das Trauma von Russinnen und Russen, von Bürgerinnen und Bürgern anderer ehemaliger Sowjetrepubliken angesichts der von ihnen erbrachten gewaltigen Opfer ernstgenommen wird.

Schon allein der Respekt vor den Opfern erfordert gerade von Deutschland eine Politik der zivilen Kooperation mit Russland. Gute Beziehungen zu Russland sind im Interesse aller europäischen Staaten.  Gemeinsame Sicherheit in Europa muss das Interesse aller Staaten auch im Osten Europas sein. Dafür sind gute Beziehungen und eine kluge Nachbarschaftspolitik gegenüber Russland notwendig. Kollektive Sicherheit in ganz Europa kann auch dazu beitragen, den Konflikt um die Ukraine zu entspannen.

Stattdessen hat das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland einen Tiefpunkt erreicht. Ein Cordon-Sanitaire seitens der NATO um Russland liegt auch nicht im deutschen Interesse. Die Ausweitung der NATO durch weitere Mitgliedsländer auf dem Balkan und im Osten Europas kann vorhandene Konflikte weiter anheizen. Die Stationierung von Bundeswehr-Verbänden an der Westgrenze Russlands, ob zeitweilig oder dauerhaft, vertieft den Graben zwischen Russland und Deutschland. Der feindselige Ton in Medien und in der Politik muss einer Wiederannäherung, einer Entspannung der Beziehungen weichen. Wir wollen endlich wieder eine gute Nachbarschaft mit Russland und kollektive Sicherheit in Europa.

Deshalb: Sechs Vorschläge für eine zivile europäische Entspannungspolitik.

Erstens: Der Versuch, Russland zu isolieren, muss zugunsten eines Systems der europäischen Sicherheit aufgegeben werden. Als erster Schritt zur Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems unter Einbeziehung Russlands muss die weitere Ausdehnung der NATO und die Stationierung von NATO-Einheiten an der russischen Westgrenze beendet werden. Die Erhöhung des Rüstungsetats der NATO-Staaten - gefordert werden 2 % des Bruttoinlandproduktes –  muss gestoppt werden. Gerade jetzt, da die Kriegsgefahr durch das Agieren des westlichen Militärbündnisses gestiegen ist, muss Deutschland aus den militärischen Strukturen der NATO austreten und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen werden.

Zweitens: Dem Sicherheitsbedürfnis aller europäischen Staaten einschließlich Russlands ist zivil Rechnung zu tragen. Dafür bieten die Schlussakte von Helsinki 1975 und die OSZE-Charta von Paris für ein neues Europa 1990 wichtige Ausgangspunkte. In diesem Sinne soll Deutschland zur Stärkung der OSZE, deren Vorsitz die Bundesrepublik 2016 übernommen hat, beitragen. Überall in Europa muss dem Rassismus und Nationalismus entgegengetreten werden. Militärische Konfrontation ist auch ein Nährboden für Nationalismus und Rassismus, in Ost und West, in Russland wie in Frankreich und auch in Deutschland. Militärische Konfrontationen liefern die Begründung für Aufrüstung und Demokratieabbau, für die Schaffung staatlicher und nichtstaatlicher Feindbilder.

Drittens: Das Völkerrecht ist neu zu beleben. Gerade sein Bruch bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien und die Sezession der Krim mahnen nachdrücklich dazu. Für alle Staaten in Europa muss gelten: Verzicht auf Gewalt und die Androhung von Gewalt, unbedingter Respekt der politischen und territorialen Integrität der Staaten in Europa. Alle politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland sind aufzuheben. Dafür sollte Deutschland in der EU die Initiative ergreifen.

Viertens: Schritte zur europäischen Entspannung sollten die Autorität der Vereinten Nationen, globale Abrüstung und Gerechtigkeit wiederbeleben. Dies kann nur gelingen, wenn ein neues Vertrauensverhältnis zu Russland aufgebaut wird. Das ist auch von grundlegender Bedeutung, um die Beendigung der Gewalt im Nahen und Mittleren Osten und ein tatsächliches Ende des Krieges in Afghanistan zu erreichen.

Fünftens: Die Ukraine braucht Frieden, Demokratie und eine Entmachtung der Oligarchen. Der Weg dorthin muss unterstützt werden. Eine militärische Lösung der schweren Krise in der Ukraine darf es dagegen nicht geben. Das Abkommen Minsk II muss eingehalten werden. Eine darin vereinbarte Verfassungsreform, humanitäre Hilfe und die Einstellung bewaffneter Feindseligkeiten sollen von der EU in Abstimmung mit Russland politisch begleitet werden. Die Ukraine soll weder der Europäischen Union noch der NATO beitreten bzw. in diese Organisationen aufgenommen werden. Nationalistische Organisationen, einschließlich sogenannter Freiwilligenbataillone sind zu verbieten und zu entwaffnen. Neofaschistische Propaganda und die Gewalt gegen Andersdenkende müssen eingestellt werden. Zum Verfassungsprozess gehört auch die Stärkung föderativer Staatselemente.

Sechstens: Die sinnvolle europäische Alternative ist ein grundlegender Kurswechsel in Richtung sozialer Gerechtigkeit, Entspannung und Frieden, von Ausbau und Vertiefung der Demokratie, Frieden mit Russland und einer nicht gewaltsamen Lösung der Ukraine-Krise. Sonst besteht die Gefahr eines großen Krieges in Europa, einer militärischen Konfrontation NATO/USA gegen Russland. Diese Gefahr muss erkannt und ihr muss entschieden entgegengetreten werden. Eine europäische Friedensbewegung ist heute dringend nötig. Eine neue Konferenz für Sicherheit und Entspannung – „Helsinki plus 40“ - muss in Angriff genommen werden. Diese Staatenkonferenz soll durch zivilgesellschaftliche Akteure, Friedensbewegungen, antifaschistische Organisationen und ökologische und soziale Initiativen begleitet und vorangetrieben werden. Dies zu befördern ist Aufgabe einer neuen deutschen und europäischen Ostpolitik.

EinreicherInnen:

Gliederungen/Strukturen

Bezirksverband Berlin-Spandau; Bezirksverband Berlin-Tempelhof-Schöneberg; Bezirksverband Hamburg-Mitte; Kommunistische Plattform

Delegierte:

Ali Al-Dailami (PV/ LV Hessen); Ulrike Bretschneider (KPF); Arne Brix (PV/ LV Niedersachsen); Ellen Brombacher (LV Berlin /KPF);  Dr. Diether Dehm (MdB / LV Niedersachsen); Rim Farha (KPF); Helge Fitz (Main-Kinzig); Alexander Frehse (KV Potsdam); Kerstin Fremder-Sauerbeck (Hamburg Mitte) Claudia Gerathewohl (AG Cuba sí); Harri Grünberg (AG Cuba sí); Agnes Hasenjäger (Region Hannover); Ernst Hilmer (KV Darmstadt – Dieburg); René Jokisch (Friedrichshain-Kreuzberg); Harald W. Jürgensonn (KPF); Franziska Kupfer (Berlin-Lichtenberg); Thiemo Kirmse (SV Chemnitz); Marlit Klaus (Hamburg-Altona); Wulf Kleus (KPF); Ralf Krämer (Delegierter / SL); Sabine Lösing (MdEP); Marion Morassi (KV Ahrweiler); Alexander Neu (Nordrhein-Westphalen); Jürgen Olschok (BV Hamburg-Mitte); Bernd Ostermann (Berlin-Marzahn-Hellersdorf); Dr. Artur Pech (KV Oder-Spree); Thorben Peters (KV Lüneburg); Carsten Schulz (Berlin Tempelhof-Schöneberg); Susi Schaper (LV Sachsen); Marvin Schöwe (Strasburg/Uckermark); Elisabeth Wissel (Berlin Tempelhof-Schöneberg); Julius Zukowski-Krebs (solid)