Heute veröffentlicht Die Zeit (Nr. 41 29.09.2016) auf Seite 21 in der Rubrik Geschichte ein Interview mit Wolfgang Gehrcke.
Elisabeth Niejahr und Gero von Radow hatten Wolfgang Gehrcke als einzigen bekennenden Kommunisten im Deutschen Bundestag ausfindig gemacht und reizten ihn zu einem langen Gespräch heraus: Über Rechtspopulisten, die Überreste der DDR und die Frage, was es heute heißt, ein Kommunist zu sein.
Hier ein erster Ausschnitt:
ZEIT: Herr Gehrcke, was ist so toll daran, seine Meinung nicht zu ändern?
GEHRCKE: Gar nichts. Ich liebe die Geschichte von Bertolt Brecht, in der Herr Keuner hört, dass er sich nicht verändert hat. Er wird bleich, weil das für ihn kein Kompliment ist.
ZEIT: Aber Sie sind stolz darauf, seit Jahrzehnten Kommunist zu sein, der einzige im Deutschen Bundestag. Können Sie erklären, was das für sie bedeutet?
GEHRCKE: Klar: Ich bin überzeugt, dass wir eine weltweite Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse brauchen. Das Überleben der Gattung Mensch hängt davon ab, ob wir es hinbekommen, anders zu produzieren, zu verteilen und zu konsumieren.
ZEIT: Glauben Sie, dass der Kapitalismus durch eine Revolution überwunden wird - und dass Sie das noch erleben?
GEHRCKE: Zweimal Ja. Aber man darf sich die Revolution nicht so vorstellen, wie es im „Kommunistischen Manifest“ beschrieben wird, als Endkampf zwischen Klassen. In einigen Ländern ist ein Umsturz wahrscheinlich der einzige Ausweg aus einer Katastrophe. Aber für unsere Gesellschaft stelle ich mir den Weg zum Kommunismus anders vor, ohne Gewalt ...
ZEIT: … aber mit einer Revolution?
GEHRCKE: Ja. Meine These dazu lautet: Die Revolution wird passieren, aber im Rahmen dessen, was das Grundgesetz erlaubt. Das Grundgesetz erlaubt, weite Teile der Wirtschaft in gemeinschaftliches Eigentum zu überführen. Wenn das geschähe, wären wir schon sehr nah an dem, was ich mir unter Kommunismus vorstelle. Der Kapitalismus ist am Ende. Er löst die Menschheitsprobleme nicht.
ZEIT: Seit es Kommunisten gibt ist der Kapitalismus angeblich am Ende.
GEHRCKE: Das stimmt, aber inzwischen haben sich die Probleme zugespitzt. Sechzig Millionen Menschen sind auf der Flucht.
ZEIT: Sie fliehen in den Kapitalismus.
GEHRCKE: Aber ohne eine andere Wirtschafts-, Produktions- und Lebensweise wird es nicht möglich sein, ein gutes Zusammenleben mit ihnen zu organisieren.
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