Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser

14.08.2009
Printer Friendly, PDF & Email

Antwort von Wolfgang Gehrcke MdB Die Linke
Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2009 - Juli 2009

Frieden und Sicherheit für die Region Nahost sind ein vorrangiges Ziel deutscher Außenpolitik. Die vergangenen Bundesregierungen haben ihre Unterstützung für eine Zweistaatenlösung zur Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts bislang vor allem durch großes entwicklungspolitisches Engagement unterstrichen. Eine Friedenslösung braucht aber mehr als Geberländer, die den Aufbau palästinensischer Institutionen finanziell unterstützen. Sie braucht Regierungen, die politisch darauf hinwirken, dass die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung nicht durch völkerrechtswidrige Besatzungsmaßnahmen zerstört wird.
Aus historischer Verantwortung hat die Bundesrepublik Deutschland für die sichere Zukunft von Jüdinnen und Juden weltweit einzustehen – wo immer sie heute leben. Diesschließt eine besondere Verantwortung für die jüdische Bevölkerung Israels ein. Zu Recht tritt daher die Bundesregierung einer Bestreitung oder Bedrohung des Existenzrechts des Staates Israel in Grenzen von 1949 entgegen. Angriffe auf Zivilisten in Israel sind nicht hinnehmbar und stellen einen Verstoß gegen fundamentale Prinzipien des Völkerrechts dar. Auch das palästinensische Volk hat ein Recht auf sichere Existenz innerhalb eines souveränen Staates. Dieses Recht darf nicht bestritten oder bedroht werden. Das Fundament für die Schaffung eines lebensfähigen palästinensischen Staates wird jedoch seit Jahrzehnten durch völkerrechtswidrige israelische Besatzungsmaßnahmen untergraben. Besonders die systematische Siedlungs-, Abriegelungs- und Separationspolitik im Westjordanland, die schleichende Verdrängung aus Ostjerusalem sowie die Blockade des Gazastreifens entziehen der palästinensischen Bevölkerung ihre natürlichen Lebensgrundlagen und lähmen nahezu alle Aspekte des Alltags- und Wirtschaftslebens.


Frage Eins:
Unsere Fragen an Sie als Bundestagskandidaten / -kandidatin: US-Präsident Barack Obama hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Situation der
palästinensischen Bevölkerung angesichts der täglichen Erniedrigungen, die mit der Besatzung einhergehen, nicht hinnehmbar ist. In der Vergangenheit haben deutsche Regierungen nicht selten eine sehr weitreichende Unterstützung der israelischen Politik erkennen lassen. Aus Rücksicht auf den zerbrechlichen Friedensprozess haben sie nicht klar genug auf die Achtung der Menschenrechte der palästinensischen Bevölkerung und die Einhaltung des humanitären Völkerrechtsrechts durch die israelische Besatzungsmacht bestanden.


Wolfgang Gehrcke: 
Mit dem Nahost-Konflikt beschäftige ich mich schon längere Zeit, schon bevor ich Bundestagsabgeordneter wurde. Als MdB der PDS und später der LINKEN habe ich zahlreiche Anfragen und Anträge unserer Fraktion an die Regierung initiiert und unterstützt, mich in die parlamentarischen und außerparlamentarischen Debatten eingeschaltet, bin in die Krisenregion gereist, habe mich vor Ort informiert und Gespräche geführt. Aus diesen Aktivitäten ist u.a auch das kürzlich erschienene Buch zum Nahost-Konflikt entstanden, bei dem ich als Ko-Autor mitgewirkt habe: Die deutsche Linke, der Zionismus und der Nahost-Konflikt.

Frage Zwei:
Stimmen Sie darin überein, dass Kontrolle über besetztes Territorium an klare Rechtspflichten gekoppelt ist und daher die legitimen Sicherheitsanliegen des israelischen Staates ausschließlich im Rahmen völkerrechtlich verbindlicher Regeln, namentlich den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht, verfolgt werden dürfen?

Ja, diese völkerrechtlichen Regeln sind auch für Israel, das als Staat Völkerrechtssubjekt ist, verbindlich. Es gibt aber zahlreiche UN-Resolutionen, die Israel nicht einhält. Dazu zählen unter anderen die Resolution 242 des Weltsicherheitsrates, die Israel aufordert, die 1967 besetzten Gebiete zu räumen, und die Resolution 3236 der UN-Vollversammlung, die von Israel verlangt, keine exzessive Gewalt gegen die Palästinenser auszuüben und sich in den besetzten Gebieten entsprechend des Völkerrechtes zu verhalten.

Frage Drei:
Sind Sie der Überzeugung, dass bei der Beurteilung völkerrechtswidriger Akte (etwa Angriffen auf Zivilpersonen und zivile Gebäude) gleiche Maßstäbe an beide Konfliktparteien anzulegen sind?

Ja, selbst wenn Palästina mangels eigener Staatlichkeit kein Völkerrechtssubjekt ist. In der Realität verstoßen beide Konfliktparteien gegen das Verbot von Angriffen auf Zivilpersonen und zivile Gebäude. Im Falle Israels kommt hinzu, dass es nicht die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahrt. Zerstörungen, die Israel auf Grund seines militärischen Potenzials anrichtet, sind unverhältnismäßig groß - die Zahl der zivilen Zerstörungen und der Opfer unter der Zivilbevölkerung belegen dies. 
Israel hat mit seiner Siedlungspolitik tiefgreifende Veränderungen der demographischen Struktur der besetzten Gebiete einschließlich Ost-Jerusalems vorgenommen und jahrzehntelang Raubbau an den Ressourcen des palästinensischen Landes betrieben.

Frage Vier:
Sind Sie der Meinung, dass diese rechtswidrigen Besatzungsmaßnahmen – wie durch das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs 2004 festgestellt – gestoppt und rückgängig gemacht werden müssen? Sind Sie der Auffassung dass dort, wo es nicht möglich ist, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, die palästinensische Bevölkerung einen Anspruch auf Kompensation hat?

Ja, ich stimme beiden Forderungen zu. Das schließt auch einen Gebietsaustausch mit ein. Die Genfer Vereinbarung hat dazu in Artikel 4 differenzierte Vorschläge erarbeitet, wie ein solcher Gebietsaustausch aussehen könnte: Einzelne Gebiete werden im Verhältnis 1:1 ausgetauscht, wonach einige Siedlungen Israel angeschlossen werden, andere an Palästina fallen. Israel muss aber auch Entschädigungen auf individueller Ebene für enteignetes Agrarland und für Zerstörungen von Häusern und Feldern leisten.
In den vergangenen Jahren hat es die Europäische Union bei der Umsetzung von EU-Abkommen mit dem Staat Israel an Sorgfalt mangeln lassen. Dadurch konnten Unternehmen, Institutionen und Privatpersonen in völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen von verschiedenen Vergünstigungen und Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen der EU- Mittelmeer- und Nachbarschaftspolitik profitieren.

Frage Fünf:

 

Dürfen Ihrer Ansicht nach völkerrechtswidrige Besatzungsmaßnahmen von der internationalen Staatengemeinschaft stillschweigend hingenommen werden? Sollte die Europäische Union nicht vielmehr bei der Umsetzung internationaler Abkommen darauf bestehen, dass israelische Siedlungen in besetztem Gebiet, die einen Verstoß gegen die Vierte Genfer Konvention darstellen, aus dem Anwendungsbereich internationaler Verträge konsequent ausgeschlossen werden?

Natürlich dürfen völkerrechtswidrige Besatzungsmaßnahmen nicht stillschweigend hingenommen werden. Das käme einer Billigung von Völkerrechtsverletzungen und -brüchen gleich. Die internationale Staatengemeinschaft ist im Gegenteil gehalten, immer und überall das Völkerrecht zu stärken. Das gilt natürlich auch für die Europäische Union. Dazu müssen deutliche diplomatische Initiativen ergriffen werden, um die Partner wieder an den Verhandlungstisch zu führen. Das bedarf mitunter auch des diplomatischen Drucks. So sollten die USA künftig nicht mehr von ihrem Vetorecht im Weltsicherheitsrat Gebrauch machen. Dies würde den Weg ebnen, um einen Sanktionsmechanismus in Gang zu setzen, mit der Zielmaßgabe, Israel zur Einhaltung seiner vertraglichen Verpflichtungen zu zwingen. Es ist Aufgabe des UN-Sicherheitsrates, den Völkerrechten zur Geltung zu verhelfen. Bei deren Durchsetzung sollte die internationale Staatengemeinschaft, auch die EU, konsequente Unterstützung geben.

Als Besatzungsmacht hat der Staat Israel weitreichende Kontrollmöglichkeiten über die besetzten Gebiete und ist – in bestimmten Zonen sogar in alleiniger Verantwortung – für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der palästinensischen Bevölkerung verantwortlich. Vielerorts werden diese Kontrollmöglichkeiten allerdings missbräuchlich zur Abschottung israelischer Siedlungen und der ausschließlich für Siedler und Siedlerinnen vorgesehenen Straßen genutzt. Die Abriegelungspolitik trifft das Alltags- und Wirtschaftsleben der palästinensischen Bevölkerung seit Jahren schwer. Der Bau von Sperranlagen bestehend aus Mauern und Zäunen, die sich teilweise tief durch besetztes Gebiet ziehen, hat viele palästinensische Ortschaften isoliert, fruchtbares Land und Eigentum zerstört, und lässt Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser insbesondere den arabischen Ostteil der Stadt Jerusalem, zu dem die Bewohner der übrigen Westbank nur noch mit Sondergenehmigungen Zugang haben, immer mehr veröden.

Frage Sechs:
Halten Sie es für eine sinnvolle Strategie, dass die Bundesrepublik Mittel der staatlichen Entwicklungshilfe in Millionenhöhe für den Aufbau des Wirtschaftssektors der palästinensischen Gebiete ausgibt, ohne wirkungsvoll Erleichterungen des Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der durch Mauern, Zäune, Kontrollpunkte und Straßensperren zerstückelten Palästinensergebiete von der Besatzungsmacht zu verlangen?

Hilfe für den Aufbau des palästinensischen Wirtschaftssektors ist in jedem, auch dem ungünstigen Fall, sinnvoll. Bedeutend sinnvoller und wirkungsvoller wäre aber eine andere Strategie der Bundesregierung gegenüber der israelischen Regierung: Nämlich, die Beendigung der Zerstückelung Palästinas zu einem vorrangigen Gegenstand der politischen Gespräche mit Israel zu machen. Der freie Personen- und Warenverkehr muss wieder hergestellt werden. Dafür müssen die 640 Kontrollpunkte beseitigt werden, die Israel in den besetzten Gebieten errichtet hat und die das Wirtschaftsleben der Palästinenser und Palästinenserinnen strangulieren.


Frage Sieben:

Sehen Sie die hohen Zustimmungswerte der Hamas auch als ein Zeichen des Protests über die ausbleibenden Verhandlungserfolge der Fatah-geführte Autonomiebehörde, die ihre Bevölkerung nicht mit friedlichen politischen Mitteln gegen eine fortschreitende rechtswidrige Besatzungspolitik schützen konnte? Teilen Sie die Sorge, dass unter diesen Rahmenbedingungen auch künftig Störer
auftreten und den Teil der Bevölkerung mobilisieren können, die den Glauben an das Recht als wirksames Mittel der Konfliktregulierung und den entsprechenden
Durchsetzungswillen der internationalen Gemeinschaft verloren hat?


Seit dem Osloer Prozess den die palästinensische Bevölkerung mit viel Enthusiasmus begrüßte, hat sich Leben der Palästinenser nicht verbessert. Im Gegenteil ökonomisch geht es den Palästinensern heute schlechter als vor Oslo. Der PLO wird vorgeworfen wenig erreicht zu haben. Hinzu kommt das man mit ihr aufgrund der Korruption unzufrieden ist. Nach dem einseitigen israelischen Teilabzug aus dem Gazastreifen im Jahre 2005 behielt sich der Staat Israel viele Kontrollmöglichkeiten über das dortige Territorium und seine Zivilbevölkerung vor (Waren- und Personenverkehr, Land- und Seegrenzen, Luftraum, Energieversorgung, Postwesen und Telekommunikation, Währung, Bevölkerungsregister). In den folgenden Jahren – und wesentlich verschärft nach der Machtübernahme der Hamas, die
Anfang 2006 aus demokratischen Wahlen als stärkste politische Kraft hervor ging – riegelte Israel den Gazastreifen zunehmend ab und löste eine humanitäre Krise mit über 80% Armutsrate aus. Die Blockade des Gazastreifens stellt aus Sicht israelischer und palästinensischer Menschenrechtsorganisationen eine Maßnahme mit Kollektivstrafcharakter dar, da sie nicht allein die Verantwortlichen für rechtswidrige Gewaltakte, allen voran den Raketenbeschuss verschiedener militanter Gruppen gegen Wohnviertel in Israel, sondern die Zivilbevölkerung Gazas als ganze trifft.

Frage Acht:
Sind Sie der Auffassung, dass Kollektivstrafen, welche einen schweren Verstoß gegen geltendes Völkerrecht darstellen, ein geeignetes Mittel sind, um ein völkerrechtskonformes und politisch kompromissbereiteres Verhalten militanter palästinensischer Gruppen zu erreichen?

Selbst wenn Kollektivstrafen nicht gegen Völkerrecht verstießen, wären sie kein geeignetes Mittel, um einen Gegner zu einem dauerhaften Kompromiss zu bewegen.
Kollektivstrafen verstärken auf der Seite der Bestraften Ohnmachts- und Hassgefühle, den Wunsch, Rache für ungerechte Behandlung zu nehmen. Verstöße gegen das Völkerrecht können niemals ein Beitrag zum Frieden sein.

Frage Neun:
Welche Maßnahmen halten Sie von Seiten Deutschlands für erforderlich, um der Verpflichtung gemäß den Genfer Abkommen nachzukommen, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts unter allen Umständen durchzusetzen, also auch für das Ende von verbotenen Kollektivstrafen einzutreten?

Die Bundesregierung muss endlich eine eigene Nahost-Politik entwickeln, die die Kritik an Völkerrechtsverletzungen, Missachtung von UN-Beschlüssen und friedensgefährdenden, eskalierenden Maßnahmen durch die israelische Politik einschließt. Es dürfen keine Waffen mehr an Israel geliefert werden. Die Bundesregierung muss in ihren Bündnissen als Vorbild dafür wirken, dass die israelischen Verstöße gegen UN-Resolutionen, gegen Völker- und Menschenrechte nicht länger als Kavaliersdelikte übersehen werden. Sie sollte innerhalb der EU ihre Blockadehaltung gegenüber einer gemeinsamen EU-Politik, die Israel unter diplomatischen Druck setzt, aufgeben. Dazu gehört auch die Außerkraftsetzung des EU- Assoziierungsabkommens mit Israel. Denn Israel hält sich nicht an die Vereinbarungen und deklariert Agrarprodukte der Siedler als israelische Produkte, die auf diese Weise auf den europäischen Markt gelangen. Das ist ein Vergehen gegen die vertraglichen Vereinbarungen. Deutschland und die EU sollten sich auch für positive Anreize stark machen, die es Israel erleichtern, sich von der bisherigen aggressiven Obstruktionspolitik gegenüber den Palästinensern zu verabschieden. Dazu gehört auch, im Falle einer Regulierung des Konfliktes eine engere Zusammenarbeit mit Europa in Aussicht zu stellen.
Den generellen Boykott von Warenlieferungen als Druckmittel gegenüber der israelischen Regierung halte ich nicht für geeignet. Er ist insbesondere ungeeignet als Druckmittel einer deutschen Regierung. Ein Warenboykott erinnert nicht nur an den der deutschen Faschisten – „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ – er kann auch als Kollektivstrafe missverstanden werden. 

Im Dezember 2003 ersuchte die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof (IGH) um ein Rechtsgutachten zur Frage der Rechtsfolgen des israelischen Mauerbaus auf besetztem palästinensischen Gebiet. Der Staat Israel lehnte die Mitwirkung an einem derartigen Verfahren ab. Auch die Bundesrepublik Deutschland empfahl damals dem Gericht, von der Erteilung eines solchen Gutachtens abzusehen, da es Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser „nicht angemessen sei, ohne die Zustimmung der Konfliktparteien zu einer Frage Stellung zu nehmen, welche zwischen beiden Konfliktparteien hochgradig umstritten sei“. Zudem bestehe die Gefahr, dass ein Rechtsgutachten die „komplexen diplomatischen Verhandlungen und politischen Bemühungen zur Lösung des Nahostkonflikts untergraben könnte“.

Frage Zehn:
Halten Sie die Klärung strittiger völkerrechtlicher Fragen (aktuell z.B. die Frage nach Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch beide Konfliktparteien im Rahmen des Gazakriegs von Dezember 2008 / Januar 2009) durch unabhängige internationale Kommissionen und Gerichte für einen konstruktiven Beitrag zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts oder
sehen Sie in der Befürwortung derartiger Untersuchungen eine unbotmäßige Einmischung in die Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien?


Natürlich können unabhängige internationale Kommissionen und Gerichte einen konstruktiven Beitrag zur Lösung dieses Konfliktes leisten. Sie müssen aber wirklich unabhängig und neutral sein, damit sie als gerechte Vermittler von beiden Seiten anerkannt werden können. Bekannt ist das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes, in dem der israelische Mauerbau auf palästinensischem Gebiet als völkerrechtswidrig erklärt, der Rückbau auf israelisches Territorium und Schadensersatzleistungen gefordert werden. Die Vereinten Nationen, die einst den Teilungsplan Palästinas beschlossen und damit eine legale Voraussetzung für die Gründung Israels geschaffen haben, sind auch für die Verwirklichung dieses Planes insgesamt verantwortlich, nämlich auch für die Schaffung eines palästinensischen Staates.

Israel wünscht sich einen zügigen Ausbau der Beziehungen mit der Europäischen Union nach dem Modell der Schweiz oder Norwegens. Ein entsprechendes „Upgrade“ im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) wird seit langem diskutiert. Im Kontext des Gazakrieges stellten verschiedene Politiker/innen und Vertreter/innen der Europäischen Union allerdings die Frage, ob „business as usual“ das richtige politische Signal sei, solange der Staat Israel keine greifbaren Schritte zur Änderung seiner rechtswidrigen Besatzungspolitik in der Westbank und der Aufhebung der Blockade des Gazastreifens unternehme.

Frage Elf:
Befürworten Sie zum jetzigen Zeitpunkt einen zügigen Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Israel oder halten Sie eine abwartende Haltung der Europäischen Union angesichts fortdauernder rechtswidriger Besatzungsmaßnahmen durch den israelischen Staat in der gegebenen Situation für sachgerechter?

Der zügige Ausbau dieser Beziehungen, den die israelische Regierung wünscht, wäre zum jetzigen Zeitpunkt eine „positive Sanktion“ für eine israelische Politik, die durch den Ausbau von Siedlungen und die Drohpolitik gegenüber Iran die Spannungen in der gesamten Region auf unverantwortliche Weise verschärft. Aber die Bundesregierung und die EU sollten ein „Nachkriegs“-Szenario entwickeln - für die Zeit einer Friedensregelung, die Israel und Palästina eine positive politisch-wirtschaftliche Zukunftsperspektive vorhält.

Frage Zwölf:
Befürworten Sie die Aufnahme konkreter „Benchmarks“ in Bezug auf die wirkungsvolle Umsetzung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in den besetzten Gebieten in den neu zu verabschiedenden ENP-Aktionsplan zwischen der EU und Israel?

Der Grad der Beziehungen, die zu Israel unterhalten werden, sollten tatsächlich von der Einhaltung solcher Benchmarks abhängig gemacht werden. Dies gilt insbesondere jetzt, wo Israel von einer rechten Regierung unter Einschluss rechtsradikaler Parteien regiert wird. Israel betont immer wieder, die einzige funktionierende Demokratie in der Region zu sein. Gerade weil Israel solche hohe Standards beansprucht, muss es auch selbst demokratische Standards einlösen. Folter von Gefangenen sowie offener und verdeckter Terror der Armee und Siedler gegen die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete müssen aufhören. Aber auch die Drangsalierung und Diskriminierung der 1,3 Millionen Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft, die sei 1948 in den Grenzen des neu geschaffenen jüdischen Staates blieben oder nicht vertrieben wurden, müssen aufhören. 


Kontakt:
Wiltrud Rösch-Metzler, pax christi Nahostkommission, Deutsche Sektion
www.paxchristi.de
Manfred Lotze, AK Süd-Nord der IPPNW - Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des
Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
www.ippnw.de
Clemens Ronnefeldt, Nahostkommission des Internationalen Versöhnungsbundes, deutscher Zweig
www.versoehnungsbund.de

Schlagwörter