Forumsbeitrag: Wie gehen Demokraten mit Diktaturen um?

03.03.2008
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Es ist gar nicht so leicht, diese Frage zu beantworten. Denn die Fragestellung lässt verschiedene Interpretationen offen. Zum Beispiel: Wie sind Demokratien bislang mit Diktaturen umgegangen? Aber auch: Wie sollten Demokratien mit Diktaturen umgehen? Bei diesen Fragestellungen wird vorausgesetzt, dass die Begriffe Demokratie und Diktatur einigermaßen geklärt sind. Wenn aber nicht nach dem Umgang demokratischer Systeme, sondern nach Personen mit demokratischen Überzeugungen, also nach Demokraten, gefragt ist, wird eine Antwort wieder anders aussehen müssen.


Im herrschenden Alltagsbewusstsein wird unter Demokratie ein Herrschaftssystem verstanden, dessen Grundlage „aus dem Volk abgeleitet wird“. Wie direkt oder indirekt diese Ableitung stattfindet, bleibt offen. Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen und Gewaltenteilung werden ebenfalls der Demokratie zugeordnet. Dagegen übt in der Diktatur in der Regel ein einziger Menschen, eben der Diktator, politische Herrschaft ohne Einschränkung und Kontrollen aus.

So ähnlich ist das bei Wikipedia nachzulesen.

Wie also sind in der Geschichte so definierte Demokratien mit Diktaturen umgegangen? Betrachten wir dies am Beispiel von zwei großen Demokratien, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Verhältnis zu so blutigen Diktaturen wie der Salazar-Diktatur in Portugal, der Diktatur der Obristen in Griechenland, der Pinochet-Diktatur in Chile, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, war durch wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit geprägt. Doch Regierungen mit sozialistischen Vorzeichen, die nur zum Teil keine Demokratien im oben definierten Sinne waren, aber auch keine „klassischen“ Alleinherrschaften, haben sie als Diktaturen verurteilt und bekämpft, zum Beispiel mit einer umfassenden Wirtschaftsblockade, und militärisch bedroht. So erklärte der ehemalige US-Präsident Truman über den nikaraguanischen Diktator Somoza, er sei „ein Hurensohn, aber es ist unser Hurensohn“. Und als dieser „Hurensohn“ vom nikaraguanischen Volk gestürzt wurde, haben die USA mit allen nur erdenklichen Mitteln die Regierung des Volkes zu Fall gebracht.

Das Verhältnis der genannten Demokratien zur Herrschaft des Volkes, was die eigentliche Bedeutung von Demokratie ist, ist daher als instrumentell zu kritisieren. Es entspricht dem Prinzip: „Der Zweck heiligt die Mittel“ und „Der Feind meines Feindes ist mein Verbündeter“. Wie Demokratie und Menschenrechte gegenwärtig instrumentalisiert werden, wie mit doppeltem Maß gemessen wird, je nachdem, ob es sich um Freund oder Feind handelt, lässt sich an der Afghanistan-Politik ablesen:

Von der Bundesregierung wurde ihre Beteiligung am Afghanistan-Krieg u. a. mit der Notwendigkeit der Frauenbefreiung begründet. Ich halte das Argument für falsch, um nicht zu sagen: verlogen. Denn wie verträgt es sich damit, dass einer der engsten außenpolitischen Verbündeten Deutschlands und der USA Saudi-Arabien ist – ein Land, in dem die Frauen rechtlos sind und unter extrem frauenfeindlichen Gesetzen zu leiden haben?

Und wie ist es mit den Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit in Übereinstimmung zu bringen, dass in den USA die Folter zu den amtlichen Verhörmethoden gehört? Die Folterhöllen von Abu Ghraib und Guantanamo haben die Beziehungen zwischen den politischen Repräsentanten der deutschen Demokratie und den USA nicht eine Sekunda lang beeinträchtigt.

Menschen, die es mit der Herrschaft des Volkes, der Rechtsstaatlichkeit, den Menschenrechten ernst meinen, Demokraten also, werden sich nicht von politischen oder ökonomischen Nützlichkeitserwägungen gegenüber Diktaturen leiten lassen. Sie dürfen nicht tatenlos zusehen, wenn im Kampf gegen Diktaturen, gegen „Schurken-Staaten“, gegen Terroristen immer mehr demokratische Rechte eingeschränkt und abgebaut werden; wenn die Geheimdienste unkontrolliert das öffentliche Leben durchdringen, die Bundeswehr im Inneren eingesetzt werden soll – wenn unsere politisches System demjenigen immer ähnlicher wird, was wir vorgeben zu bekämpfen.

Wie gehen Demokraten mit Diktaturen um? Indem sie die Glaubwürdigkeit der Demokratie stärken und sich für eine Außenpolitik des Friedens, des Völkerrechts, der Gerechtigkeit einsetzen.
 

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