

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich danke Ihnen für die Zusendung Ihres Fragebogens „Sprachpolitische Fragen an die Kandidaten für die Wahl des 17. Deutschen Bundestages“, denn die Förderung und Entwicklung der deutschen Sprache liegt mir am Herzen. Bis zum heutigen Tag empfinde ich es als Defizit, dass es mir in meiner Kindheit und Jugend nicht möglich war, weiterführende Schulen zu besuchen. Mein ganzes bisheriges Leben lang habe ich viel gelesen, auch die sogenannte schöngeistige Literatur. Und das hat mir geholfen, mein sprachliches Vermögen weiterzuentwickeln, eine klare, anschauliche und verständliche Sprache zu sprechen und zu schreiben.
Deshalb war ich mehr als nur irritiert, dass mir schon in der ersten Frage Ihres Fragebogens ein sprachliches Ungetüm aus dem Wörterbuch des deutschen Bürokraten ins Gesicht sprang: „sprachpolitische Fragen“. Wenn so die Wissenschaftssprache aussehen soll, die Ihrer Meinung nach in Deutsch nicht mehr vorhanden ist, dann möchte ich ernste Bedenken anmelden.
Ich sehe mich außerstande, Ihren Fragebogen zu beantworten, weil sich unter den vorgegebenen Antwortkategorien keine befindet, die ich guten Gewissens als meinen Auffassungen entsprechend ankreuzen könnte. Ich kann schon die in Ihrem Anschreiben getroffene Feststellung nicht teilen, dass „die Zukunft des Deutschen als verbindliche Sprache der Bundesrepublik Deutschland … nicht gesichert ist“. Ich bin aber sehr wohl der Meinung, dass neben allen Varianten der Mundarten und der Jugendsprache, die ebenso wie die Fachsprachen und das literarische Deutsch zum Reichtum der sich ständig entwickelnden deutschen Sprache gehören, die deutsche Hochsprache ständiger Förderung und Pflege bedarf: nicht nur durch die einschlägigen Institutionen oder gar Gesetze, sondern vor allem durch das gute Vorbild derer, die in der Öffentlichkeit das Wort führen. Ich spare mir, diese im Einzelnen aufzuführen. Selbstverständlich müssen auch vom Staat die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, dass alle Kinder und Jugendliche eine sprachliche Förderung erhalten, die ihre Lust anregt, mit der Sprache zu spielen und sie sich spielerisch anzueignen.
Die sprachliche Vielfalt gehört zum Reichtum der gesamten Menschheit. Nationalistische Beschränktheit und Beschränkung – wie sie in einer gesetzlichen Regelung „Die Sprache der Bundesrepublik Deutschland ist Deutsch“ zum Ausdruck kommt, - wird niemals meine Zustimmung finden.
Mit freundlichem Gruß
Wolfgang Gehrcke