Über die These vom Unrechtsstaat

22.09.2009
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Weil die Überschrift zu meinem Interview in der Frankfurter Neuen Presse ist, wie sie ist, hier ausführlicher meine Gedanken zum Thema "DDR=Unrechtsstaat?"


Die CDU, die rechte Presse und selbsternannte Bürgerbewegte aus der DDR wollen mit scheinbaren Rückgriffen auf die Vergangenheit Einfluss auf die Gegenwart nehmen. Die LINKE soll klein geredet, klein geschrieben und klein gewählt werden. Die aktuelle Hitliste des Antikommunismus: Stasi im Westen, DDR = Unrechtsstaat und Stasileute im öffentlichen Dienst. 

DDR=Unrechtsstaat wird zu einer politischen Kampflosung gemacht und damit willentlich und vorsätzlich einer ernsthaften, differenzierten und tief gehenden Diskussion entzogen. Das schadet einer Bearbeitung der deutschen Nachkriegsgeschichte, die immer eine Geschichte Deutschland – West und Deutschland-Ost, des Kalten Krieges, der verpassten Chancen und vielleicht auch nicht vorhandener Möglichkeiten war. Schade.

Die DDR ist zusammengebrochen aus einem Mangel an Demokratie, wirtschaftspolitischer Schwäche, Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch durch Druck von außen. Die DDR hat die Systemkonkurrenz nicht bestanden. In der DDR gab es Unrecht im Großen und im Kleinen, im Generellen und im Alltag. Es war Unrecht, Menschen ihre Reisefreiheit zu nehmen oder eine Grenze mit Mauer, Stacheldraht und Selbstschussanlagen undurchlässig zu machen und es war Unrecht, Menschen, weil sie oppositionelle Flugblätter verfassten und verbreiteten, ins Gefängnis zu bringen. Das muss immer wieder gesagt und kritisiert werden, aber der Begriff „Unrechtsstaat“ signalisiert, dass dieser ganze Staat durch und durch und von Anfang bis Ende Unrecht war. Doch genau hier scheiden sich die Geister. 

Wer über 1945 und nachfolgend über die Gründung der DDR redet, darf über 1933 nicht schweigen; er kann auch nicht darüber hinweggehen, dass die Spaltung Deutschlands auch vom Westen betrieben worden ist; Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik hat das auf den klassischen Satz gebracht: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb“. 

Unter dem Begriff „Unrechtsstaat“ können sich viele und Vieles gut verstecken: Die Erben der Großgrundbesitzer etwa, die ihren nach 1945 enteigneten Boden zurück haben wollen; oder die IG Farben-Nachfolger und andere Kriegsgewinnler, die ihre im Einklang mit dem Potsdamer Abkommen enteigneten Betriebe im Osten wieder für sich reklamieren; Nazis und ihre Mitläufer, die heute alle unter einem „Unrechtsstaat“ gelitten haben. Überhaupt: Enteignung soll mit Unrecht gleichgesetzt werden. Nicht zuletzt darauf zielt die These vom Unrechtsstaat und deshalb 
lehne ich sie ab.

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