Schlamassel Mandatsverlängerung

08.11.2007
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Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Frau Präsidentin, schönen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, die regelmäßigen Debatten über Mandate und Mandatsverlängerungen zwingen uns dazu, jedes Mal wieder den eigenen Standpunkt zu überprüfen. Das gilt sowohl für die Kolleginnen und Kollegen, die zustimmen, als auch für die Kolleginnen und Kollegen, die ablehnen. Man ist gezwungen, jedes Mal die eigenen Argumente noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Aber Sie kommen nie zum Lernerfolg!)


Es gibt Entscheidungen, die zumindest in einzelnen Fraktionen unumstritten sind; dazu gehört bei uns die Entscheidung zu Afghanistan. Und es gibt Entscheidungen, die umstrittener und differenzierter zu betrachten sind; dazu gehört zweifelsohne die Entscheidung zum Sudan.

(Uta Zapf [SPD]: Ich staune!)

Ich möchte unseren Abwägungsprozess ein Stück weit transparent machen und erläutern, warum wir zu welchen Entscheidungen kommen. Meine Fraktion wird nicht zustimmen. Ein Teil meiner Fraktion wird sich der Stimme enthalten, und ein anderer Teil wird dagegen stimmen. Warum das so ist, möchte ich Ihnen nahebringen. Vielleicht wägen auch Sie ein Stück weit mit ab.

Ich glaube, es ist völlig klar, dass kein Mensch über die ungeheure Anzahl von Menschen, die im Sudan ermordet worden ist – ich benutze bewusst die Formulierung „ermordet worden ist“ – hinwegsehen kann. Keiner kann darüber hinwegsehen, was an Vertreibungen und Gewalt im Sudan ausgelöst worden ist. Keiner kann darüber hinwegsehen, welche unsichere, instabile Situation es in den Flüchtlingslagern gibt. All dies sind Faktoren, die ernsthaft in Rechnung gestellt werden müssen.

Ich glaube auch, dass man die Destabilisierung, die vom Sudan auf ihn selbst und auf seine Nachbarländer ausgeht, ernsthaft in Rechnung stellen muss. Ich stelle natürlich auch immer in Rechnung – das ist mir selbst und meiner Fraktion nämlich wichtig –, ob ein klares Mandat der Vereinten Nationen vorliegt oder nicht. Das ist zwar hier der Fall, muss aber nicht heißen, dass jedes Mandat der Vereinten Nationen dann auch politisch von den einzeln handelnden politischen Kräften geteilt werden muss. Man kann auch zur Auffassung gelangen, dass man eine andere Position einnimmt; aber man muss es in Rechnung stellen.

Ferner muss in Rechnung gestellt werden – diesbezüglich teile ich den Optimismus vom Kollegen Erler nicht; ich wäre froh, wenn Sie recht hätten und ich unrecht hätte –, dass wir es im Sudan mit enorm großen neuen Gefahren zu tun bekommen werden. Die Lostrennungstendenzen nicht nur im Süden des Sudans sind stärker geworden. Solche Lostrennungstendenzen gibt es auch in Darfur; das ist bekannt. Die Rebellengruppen – falls man diesen Begriff überhaupt verwenden kann – haben sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Die Regierung im Sudan hat keine vernünftigen Lehren aus all dem gezogen. Die Handlungsweise der sudanesischen Regierung ist und bleibt kritikwürdig.

Dazu kommt – das ist zwar nicht Gegenstand des Mandats, aber man hat es mit einzubeziehen – die Truppenstationierung im Tschad, die mit der Situation in Darfur im Zusammenhang steht. Es handelt sich hier um Truppen der Europäischen Union. Wenn man genauer hinschaut, so stellt man fest, dass es hauptsächlich französische Truppen sind; es sind nur wenig andere dabei. Ob es besonders klug ist, dass die ehemalige Kolonialmacht den Hauptteil der Truppen stellt, wage ich zu bezweifeln.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie vorschlagen, dass wir das machen, Herr Kollege?)

– Ich halte es für falsch. – Natürlich steht auch das Problem im Hintergrund, dass sich die Kämpfe wiederum um Naturressourcen wie Öl und Gas im Sudan drehen.

Wenn man all dies gegeneinander abwägt, gibt es in der Tat Argumente, die für die Stationierung sprechen. Aber es gibt tatsächlich auch Argumente, die dagegen sprechen, weil der Beweis, dass mit einer Militäraktion Stabilität einziehen wird, nicht erbracht ist. Es wurde hier zumindest einmal von den Kolleginnen und Kollegen, die von Militäraktionen als dem letzten Mittel gesprochen haben, die Meinung vertreten: Wenn es nur einen Hauch fraglich bleibt, ob ein Einsatz von Militär sinnvoll ist, dann muss man sich entscheiden, nicht zuzustimmen. Das ist die Verantwortung, die man trägt. Man trägt allerdings auch dann eine Verantwortung, der man gerecht werden muss, wenn man Nein sagt, was, wie ich glaube, hier die richtige und angemessene Entscheidung ist.

Eine letzte Bemerkung: Herr Verteidigungsminister, ich hoffe, dass wir nicht binnen kurzer Zeit erneut über eine Aufstockung der Truppen werden diskutieren müssen. Wenn das ganze Schlamassel im Sudan so abläuft, wie ich es befürchte, spricht allerdings sehr viel dafür.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)