Rede vom 11.05.2006; Thema: EU- Lateinamerika Gipfel

11.05.2006
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EU- Lateinamerika Gipfel
"Zur neuen Politik in Lateinamerika gehört, dass die Länder Schritt für Schritt zu mehr Zusammenarbeit finden und sich aus der Dominanz und Vorherrschaft der USA lösen. Deshalb ist der Bush-Vorschlag für eine Freihandelszone nach den Interessen der USA gescheitert. Die lateinamerikanische Zusammenarbeit, eine Lateinamerika-Union, wächst von unten und wird auch keine Kopie der EU werden.

Deshalb sollte der Gipfel EU-Lateinamerika nicht primär ein Wirtschaftsgipfel sein. Europa kann zu einem wichtigen Partner Lateinamerikas werden. Das aber nur, wenn Europa keine Kopie der USA ist und wird, sondern wenn Europa alternativ ist, und ein anderes Europa ist möglich. Wolfgang Gehrcke in der Debatte auf Antrag der Linken "Die Beziehungen zwischen EU und Lateinamerika solidarisch gestalten - Kein Freihandelsabkommen EU-Mercosur"

"Die Entscheidung des bolivianischen Präsidenten Evo Morales, die Erdgasfelder seines Landes zu verstaatlichen, hat eine Tatsache auf den Punkt gebracht: Der politische Wind in Lateinamerika hat sich gedreht. Eine Tatsache, die offensichtlich gewöhnungsbedürftig ist. Nur so kann ich die Erklärung des deutschen Außenministers, dass er in Sorge sei, erklären. Worüber er besorgt ist, darüber ließ uns der Herr Außenminister im Unklaren. Wenn seine Sorge die geschichtliche Erfahrung reflektiert, dass eine solche mutige Entscheidung in der Vergangenheit oftmals zu einem von der USA unterstützten Militärputsch führte, kann ich sie verstehen; wenn allerdings der Eingriff in die Macht und den Einfluss multinationaler Konzerne die Grundlage ist, will ich widersprechen. Ich habe auch zur Kenntnis genommen, dass die Erklärung der Entwicklungsministerin einen anderen Tenor hatte. An Lateinamerika wird besonders deutlich, dass der Neoliberalismus seinen Zenit überschritten hat, seine Akzeptanz in den Bevölkerungen zu bröckeln beginnt. Schwer wird es sein, die Zerstörungen, die drei Jahrzehnte Marktradikalismus hinterlassen, im Sinne von Solidität, Solidarität und Gerechtigkeit, von Ausgleich und Sozialstaatlichkeit aufzuarbeiten. Genau vor dieser Aufgabe stehen Politikerinnen und Politiker, die heute das neue Lateinamerika verkörpern. Ich denke dabei an Chávez in Venezuela, Kirchner in Argentinien, Lula in Brasilien, Morales in Bolivien und viele mehr. Ich denke aber auch an die Opfer der Militärdiktaturen und Putsche in Chile, Guatemala, El Salvador, Uruguay und vielen anderen Staaten. Für sie alle steht ein Name, der hier genannt werden muss: Salvador Allende. Er ist den Golgathaweg von Befreiung und Gerechtigkeit bis zum bitteren Ende gegangen. Ganz in diesem Sinne sollten wir noch einmal deutlich machen, dass deutsche Politik sich nachhaltig für die Einhaltung der Friedensverträge und der Menschenrechte in Guatemala und El Salvador einsetzt und dass wir zum Beispiel für Demokratie, sozialen Ausgleich und für ein Ende des Bürgerkrieges in Kolumbien eintreten. Zur neuen Politik in Lateinamerika gehört, dass die Länder Schritt für Schritt zu mehr Zusammenarbeit finden und sich aus der Dominanz und Vorherrschaft der USA lösen. Deshalb ist der Bush-Vorschlag für eine Freihandelszone nach den Interessen der USA gescheitert. Die lateinamerikanische Zusammenarbeit, eine Lateinamerika-Union, wächst von unten und wird auch keine Kopie der EU werden. Deshalb sollte der Gipfel EU-Lateinamerika nicht primär ein Wirtschaftsgipfel sein. Europa kann zu einem wichtigen Partner Lateinamerikas werden. Das aber nur, wenn Europa keine Kopie der USA ist und wird, sondern wenn Europa alternativ ist, und ein anderes Europa ist möglich. Die Verträge mit Lateinamerika müssen sozialstaatlich gebunden sein und auf Armutsbekämpfung zielen. Lateinamerika als "Markt" für Demokratie und Soziales und nicht als Markt für Waffen, dahin sollte sich die EU orientieren. Es muss endlich Widerstand aufgebaut werden: Mensch, Tiere und Pflanzen dürfen nicht länger Objekte der Genpatentierung, kapitalistischer Verwertungsbedingungen sein. Zu einer neuen Lateinamerikapolitik gehört auch eine neue Kubapolitik, die mit einer Absage an US-Embargos und Boykotte dazu beiträgt, dass Freiräume für Bürgerinnen und Bürger wachsen, dass soziale und politische Rechte zusammenfinden. Wenn die Zusammenarbeit EU-Lateinamerika eine neue Qualität erreichen soll, muss sich auch die EU verändern. Um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren: Wenn ein Staat seine Ressourcen in das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger zurückholt, sollte er aus Deutschland nichts von Sorgen hören, sondern Unterstützung erfahren. Ein "Bravo" vom Außenminister wäre auch eine Antwort auf Morales gewesen. ."