Rede vom 12.02.2009; Thema: US-Operationen in Pakistan, zu Protokoll gegeben

12.02.2009
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Rede zum Pakistan-Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen
Wolfgang Gehrcke, Fraktion DIE LINKE.
Rede zu Protokoll
ZP: Kontraproduktive US-Operationen in Pakistan sofort einstellen - Umfassende Strategie zur Stabilisierung Pakistans entwickeln
> Drucksachen 16/10333, 16/11251 <


Der Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen hat in den vergangenen Wochen eine neue Aktualität erhalten. Die Entscheidung des neuen US-Präsidenten Obama, das militärische Engagement in Afghanistan zu verstärken, ist der Mühlstein, der die gesamte außenpolitische Konzeption Obamas in den Abgrund reißen kann. Die Beendigung des Krieges in Afghanistan ist ohne eine intensivere Einbeziehung Pakistans nicht möglich. Das heißt auch, dass die USA sofort und bedingungslos ihre völkerrechtswidrigen Angriffe auf pakistanisches Territorium euínstellen müssen. Wenn diese Forderung Zustimmung im Deutschen Bundestag findet, wäre es auch ein Argument, dass Deutschland sein Waffenlieferungen an Pakistan einstellen muss. Es ist schlichtweg inakzeptabel, dass Deutschland an Pakistan unter anderem U-Boote liefert. Diese U-Boote könnten technisch auch auf den Abschuss atomar bestückter Raketen umgerüstet werden. Wir alle wissen: Pakistan und Indien sind Atommächte, deren gegenseitige Beziehungen höchst angespannt sind. Wer Waffen an Pakistan liefert, verschärft den Konflikt. Verschärfend für diesen Konflikt ist auch der Atomdeal zwischen den USA und Indien. Zu Recht spricht der vorliegende Antrag diese Probleme an, das begrüßt Die LINKE. Er verweigert sich aber der notwendigen Konsequenz, den Krieg in Afghanistan sofort zu beenden. Deswegen können wir nicht zustimmen.

Wir haben es mit einem Übergreifen des afghanischen Widerstandes auf die paschtunischen und belutschischen Stammesgebiete Pakistans zu tun. Diese Stammesgebiete, kennen keine Grenzen zwischen Staaten und keine wirkliche Kontrolle durch den pakistanischen Staat. Dies ist so seit der kolonialen Staatsbildung. Alle staatlichen Versuche seit dem Ende der Militärdiktatur Musharaws, die westlichen Stammesgebiete zu befrieden, scheiterten an der zunehmenden Intensität des Krieges in Afghanistan. Deshalb ist eine Lösung des pakistanischen Problems immer mit der Beendigung des Krieges in Afghanistan verbunden.

Krieg als Mittel zur Befriedung Afghanistans ist gescheitert. Die jüngste Umfrage der ARD zu Afghanistan zeigt deutlich, dass immer größere Teile der afghanischen Bevölkerung die westliche Präsenz als Besatzung empfindet. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass immer mehr Menschen in afghanistan es als legitim empfinden, sich gegen die ausländische Besatzung zur Wehr zu setzen.

Mittlerweile sind aber die afghanischen Erschütterungen nicht nur in Pakistan, sondern auch in Indien zu spüren und tragen zu einer Verschärfung der Lage zwischen den beiden Atommächten bei.

Die Frage ist, was ist zu tun? Der Antrag von Bündnis 90/ Grüne den wir hier behandeln, zeigt ein Maß an selbstkritischer Reflexion. Wir können vielen der Detailforderungen zustimmen. Ebenso wie wir fordern die Grünen einen zivilgesellschaftlichen Ansatz in Pakistan, der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte stärken, aber auch wirtschaftliche und soziale Reformen einleiten soll. Pakistan gehört zu den Ländern mit den krassesten sozialen Unterschieden. Neben einer reichen Elite lebt eine Mehrheit der Bevölkerung unter unbeschreiblichen sozialen Verhältnissen. Dies ist Nahrung für den militanten Islamismus. Große Teile der Bevölkerung sind Analphabeten. Ebenso wichtig ist, das Wettrüsten zwischen den Staaten in der Region zu beenden. Die Bundesrepublik kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie nicht weiter deutsche Rüstungsgüter in die Region liefert.

Wir benötigen einen ernsthaften Neuanfang in Kooperation mit den Anrainerstaaten und unter Verantwortung der Vereinten Nationen.

· Die NATO sollte umgehend ihre Bereitschaft deutlich machen, in Verbindung mit einem Waffenstillstand in Afghanistan ihre Truppen aus dem Land abzuziehen. Die USA ihrerseits dürfen keine weiteren Angriffe auf pakistanisches Territorium auszuführen und die pakistanische Regierung sollte ihre militärischen Operationen in den Stammesgebieten beenden.

· In Afghanistan und in Pakistan bilden sich immer mehr „Friedens-Jirgas“, das heißt, der Weg einer nationalen Versöhnung ist nicht mehr ausgeschlossen. Die Arbeit der „Friedens-Jirgas“ sollte durch die Vereinten Nationen und auch von Deutschland intensiv gefördert werden. Nationale Versöhnung, Rechtssicherheit und der Aufbau ziviler Strukturen sind der Weg, um Stabilität in Afghanistan und in Pakistan zu erreichen. Dieser Weg ist versperrt, solange in Afghanistan und Pakistan der Eindruck besteht, militärisch besetzt und politisch fremdbestimmt zu sein. Selbstbestimmung ist die entscheidende Voraussetzung, Gewalt und Krieg zu beenden.

· DIE LINKE wirbt seit Monaten für die Idee einer regionalen Sicherheitskonferenz. Wir freuen uns darüber, dass sich die Bundesregierung offensichtlich ebenfalls von der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorschlages überzeugt hat. Die Staaten der Shanghai-Gruppe haben dieses Thema zum Mittelpunkt ihrer nächsten Konferenz gemacht. Insbesondere gilt es, Pakistan, seine Nachbarn China, Indien, Iran und Afghanistan sowie Russland und die zentralasiatischen Nachbarn für einen Prozess der regionalen Stabilisierung zu gewinnen. Auch die USA sind sich darüber im Klaren, dass ein Prozess der regionalen Stabilisierung nicht ohne Einbeziehung des Iran auf den Weg gebracht werden kann. Solange aber die Drohung gegen den Iran auch von Seiten der USA, nicht vom Tisch sind, ist dieser Weg nur sehr schwer zu beschreiten. Es bleibt unverständlich, warum die vielen Bereitschaftserklärungen des Iran, zur Lösung des Afghanistan-Konfliktes vermittelnd zur Verfügung zu stehen, nie ernsthaft geprüft und aufgegriffen worden sind. Das kann und muss sich ändern. Neben Themen der Demokratisierung und der Verbesserung der sozialen Lage der Menschen in der Region, müssen auch die Grenzstreitigkeiten zwischen Pakistan und Afghanistan sowie zwischen Pakistan und Indien behandelt werden. Ohne Beteiligung des Volkes der Paschtunen wird es nicht gehen. Eine solche Konferenz würde einem Waffenstillstand Dauerhaftigkeit verleihen können und wäre der Weg zu Frieden und Stabilität in der Region.

 

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