Rede vom 16.09.2008; Thema: Verlängerung des UNIFIL-Mandats

16.09.2008
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Die Bedenken bleiben
174. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 16. September 2008
Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke in der 1. Lesung des Antrages zur Verlängerung des UNIFIL-Mandats – Auszug aus dem Protokoll -
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2.) Beratung Antrag BReg
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolutionen 1701
(2006) und 1832 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11.08.2006 bzw. 27.08.2008
- Drs 16/10207 -


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke von der Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich noch einmal klarstellen, dass die Fraktion Die Linke damals nicht gegen die UNIFIL-Mission gestimmt hat. Die haben wir immer für notwendig gehalten, weil ein Waffenstillstand ohne die UNIFIL-Mission ebenso unmöglich gewesen wäre wie eine Aufhebung der Seeblockade. Das war völlig klar. Wir haben uns dagegen ausgesprochen, und ich trage Ihnen noch einmal unsere Bedenken dagegen vor, dass die Bundeswehr sich in dieser Art und Weise an der Mission beteiligt.

Ich muss ehrlich sagen, ich finde die Art und Weise, in der mit der Kollegin Hoff von der FDP umgesprungen wurde, bedenklich. Man prüft Bedenken nicht nach. Man prüft nicht, ob da etwas dran ist. Man sagt, der Beweis ist erbracht, es ist nichts passiert. Das erinnert mich an den blöden Witz, bei dem jemand aus dem 20. Stockwerk fällt. Als er am 15. Stockwerk vorbei fällt, sagt er, bis hierher ist gar nichts passiert. Man kann über die Dinge auch etwas tiefer nachdenken.

Unsere Bedenken gegen den Einsatz der Bundeswehr in dieser Mission liegen darin, dass wir der Auffassung sind, dass vor allem neutrale Staaten diese Konfliktlinie überwachen sollen. Das ist auch der Geist der UNO-Resolution. Zusätzlich wäre es uns immer lieber gewesen, wenn die Kontrollen auf beiden Seiten der Grenze stattgefunden hätten, nicht nur im Libanon selbst.

Deutschland konnte in diesem Konflikt nicht neutral sein, und es ist nicht neutral. Das war das generelle Problem, und das hat die Bundeskanzlerin auch in Reden deutlich gemacht. Wenn Sie den Text der Resolution der Vereinten Nationen lesen, dann sehen Sie, dass dort nicht steht, dieser Einsatz ist ein Einsatz zur Solidarität mit Israel. So ist der Einsatz aber von der Bundeskanzlerin immer dargestellt worden. Das war unser erstes Argument. Dieses Argument ist nicht aus der Welt.

Herr Außenminister, Sie wissen es genauso gut, wie ich es ahne: Für uns war es die rote Linie, dass auch die Bundeswehr im Nahen Osten eingesetzt wird. Wenn man darüber nachdenkt, was für Veränderungen und Vereinbarungen im Nahen Osten möglicherweise auf uns zukommen, dann wird die Forderung nach internationalen Militäreinsätzen immer wieder auf den Tisch kommen. Wenn Sie erst einmal einen Präzedenzfall geschaffen haben, dann haben Sie wenige Argumente, um zu begründen, warum die Bundeswehr nicht auch in anderen Bereichen eingesetzt werden soll. Das war unser zweites Argument. Beide Argumente bestehen fort.

Drittens hätte ich erwartet, dass der Herr Außenminister und Kanzlerkandidat einen Satz zu dem Folgenden sagt: Der Libanon ist in einer gewissen Art und Weise an die Entwicklungen im Iran gekoppelt. Wir haben immer die Sorge gehabt, dass die schlimme Bemerkung, dass alle Optionen – auch die militärischen gegen den Iran – auf dem Tisch bleiben, in diesen Konflikt einfließt. Herr Steinmeier, ich wäre sehr froh gewesen, wenn Sie hier für die Bundesregierung deutlich gesagt hätten: Für die Regierung der Bundesrepublik Deutschland kommt ein militärisches Vorgehen gegen den Iran nicht infrage. Solche Debatten können doch ein Stück Klarheit bringen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letztes Argument: Der Libanon selbst stand mehrfach am Rande eines Bürgerkriegs, und die Gefahr ist leider bis heute nicht endgültig gebannt. Auf der Plusseite würde ich die Wahl des Präsidenten einordnen. Diese war notwendig und schwierig genug. Auf der Plusseite würde ich auch einrangieren, dass zwischen Syrien und dem Libanon diplomatische Beziehungen aufgenommen worden sind. Ich verhehle hier überhaupt nicht, dass die deutsche Politik daran einen Anteil hat.

Ich möchte, dass die Bundesregierung couragiert, auch gegen die USA, weiter an ihrer Auffassung festhält, dass Syrien eng in den Friedensprozess einbezogen werden muss.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Auch Syrien wird sehen, dass es sich lohnt. Wenn Syrien wieder abgestraft wird, wenn sich bezüglich der Frage der Golanhöhen nichts verändert und Syrien nicht weiter in den Friedensprozess einbezogen wird, wird es keine Stabilisierung geben. Ich benutze nun ein Argument, das auch schon Kollegin Hoff benutzt hat: Letztlich muss der politische Prozess im Nahen Osten im Zentrum stehen. Der muss befördert werden. Darüber werden wir ja bei der Schlussrunde noch ein wenig diskutieren können.

Ich wollte Ihnen nur deutlich machen: Es gibt genügend Argumente dafür, die auch heute noch aufrechtzuerhalten sind, dass eine Beteiligung der Bundeswehr an dieser Mission nicht besonders sinnvoll gewesen ist. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])