Rede vom 17.09.2008; Thema: Verlängerung des UNIFIL-Mandates

17.09.2008
Printer Friendly, PDF & Email

Die Bundeswehr hat im Nahen Osten nichts zu suchen
175. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 17. September 2008
Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke zum Antrag auf Verlängerung des UNIFIL-Mandates – Auszug aus dem Protokoll –
TOP: 4
4.) Beratung BeschlEmpf u Ber (3.A)
zum Antrag BReg
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolutionen 1701
(2006) und 1832 (2008) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11.08.2006 bzw. 27.08.2008
- Drs 16/10207, 16/10240, 16/10241 -


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich gebe das Wort dem Kollegen Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

Schönen Dank, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal die Argumente der Linken zusammenfassen. Ich halte erstens fest: Aus unserer Sicht ging und geht der UNIFIL-Einsatz in Ordnung. Er war notwendig, und ohne diesen Einsatz hätte es den Waffenstillstand wahrscheinlich nicht gegeben. Er war Voraussetzung, um überhaupt miteinander verhandeln zu können. Diese Meinung teile ich völlig. Die Waffen müssen schweigen, damit über Frieden gesprochen werden kann. Das ist die Grundlage dazu. Waffenstillstand heißt aber noch nicht Frieden. Bis dahin ist noch ein gewaltiger Weg zurückzulegen. Selbstverständlich ist die völkerrechtliche Basis für den UNIFIL-Einsatz gegeben.

Jetzt gibt es aber bei Ihnen, so meine ich, einen Denkfehler. Nicht jeder Einsatz der Vereinten Nationen, der völkerrechtlich in Ordnung geht, ist auch politisch geboten und politisch sinnvoll. Ein Beschluss der Vereinten Nationen ersetzt nicht das Nachdenken darüber, was man politisch will. Dann muss man die Frage stellen, ob es unter diesen Bedingungen gut ist, dass sich Deutschland militärisch an einem solchen Einsatz beteiligt. Letzteres haben wir verneint.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür hatten wir sehr gute Gründe, und ich will Ihnen zumindest drei noch einmal vortragen. Kollege von Klaeden und ich kennen uns jetzt so lange, dass er glaubt, immer zu wissen, was ich sagen werde. Das werde ich aber nicht. Du hast dich getäuscht. Ich habe ganz andere Gründe, die ich anführen möchte.

Wir haben uns überlegt, dass es gerade für diesen Einsatz im Nahen Osten notwendig wäre, Staaten zu gewinnen, die für beide Konfliktparteien erkennbar neutral sind. Dieses Neutralitätsargument hat gestern heftigen Widerspruch gefunden. Ich will es noch einmal erklären - ich habe gedacht, es erklärt sich von selber -: Deutschland hat immer formuliert, dass es ein besonderes Verhältnis zu Israel hat. Das Verständnis für dieses besondere Verhältnis wird nicht von allen Akteuren in der Region geteilt. Kollege Annen hat mir gestern selbst die Hisbollah vorgehalten, die glaubt, dass Deutschland neutral ist. Hisbollah als Kronzeuge für Deutschland, glauben Sie wirklich, dass das ein überzeugendes Argument ist?

Einen überzeugenden Beleg dafür hat die Frau Bundeskanzlerin geliefert. Sie hat in ihrer Begründungsrede gesagt - ich zitiere sie -:

Ich sage ganz deutlich: Ja, wir sind nicht neutral und wir wollen auch gar nicht neutral sein.

Das stimmt, was sie hier festgestellt hat. Ich glaube, dass man als nicht neutrale Kraft im Nahen Osten nicht mit Militär agieren sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

Unser zweites Argument - ich bitte Sie, auch darüber ein bisschen mehr nachzudenken -: Ich glaube, dass der Einsatz der Bundeswehr im Libanon auch ein Türöffner für künftige Forderungen an Deutschland sein kann, auch bei weiteren Militäreinsätzen im Nahen Osten präsent zu sein. Es kann doch jeder wissen, was sich dort zusammenbraut. Ich sage sehr salopp, aber sehr klar: Aus meiner Sicht hat Deutschland, hat die Bundeswehr im Nahen Osten, an den Grenzen Israels nichts zu suchen.

(Beifall bei der LINKEN . Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sehen die Israelis anders!)

Das ist eine sehr wichtige Position.

Drittes und letztes Argument. Wir wissen, dass der eigentliche Hintergrund des Libanon-Konflikts ein anderer ist, nämlich der Konflikt Israel/Palästina, der gelöst werden muss. Schon dieser Ausgangspunkt gebietet ein sehr vorsichtiges Agieren. Viele sagen: Der Annapolis-Prozess wird scheitern. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass er eine Chance hat - was ich glaube und was ich befördern möchte. Dann muss aber auch die Richtigkeit folgender Behauptung geklärt werden - ich habe eine entsprechende Frage an den Herrn Außenminister gerichtet; er beantwortet sie in diesem Parlament nie -: Solange der Iran mit Militäraktionen, mit Krieg bedroht wird, werden wir keine Stabilität in der Region haben. Ich möchte, dass die deutsche Bundesregierung verbindlich sagt: Deutschland will, dass die militärische Option vom Tisch kommt, damit Frieden einkehrt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letzter Gedanke - Kollege Mützenich, das, was Sie gesagt haben, hat mich natürlich gereizt und provoziert -: Ich teile Ihre Auffassung, dass sich ein konstruktiver Pazifismus nicht im Antimilitarismus erschöpft. Ich sage Ihnen aber: Ohne Antimilitarismus bekommen Sie überhaupt keinen Pazifismus, schon gar keinen konstruktiven.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht sollten Sie über diesen Aspekt auch einmal selber nachdenken.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)