Rede vom 19.06.2008; Thema: Den Prozess von Annapolis unterstützen; zu Protokoll gegeben

19.06.2008
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Den Prozess von Annapolis unterstützen
169. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages
Rede des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.) zum Tagesordnungspunkt 16 – Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE. „Den Prozess von Annapolis durch eigenständige Initiativen unterstützen“
(Rede zu Protokoll)


Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn es um den Nahen Osten geht, ist eine skeptische Haltung aus vielen Erfahrungen heraus immer angemessen. Bei meinen Gesprächen in Israel und Palästina, in Syrien, im Libanon und in Jordanien bin ich einer großen Skepsis zu den Ergebnissen der Konferenz von Annapolis begegnet. Nur wenige hofften auf wirkliche Veränderungen.

Trotzdem habe ich den Eindruck, dass jetzt die Dinge in Bewegung kommen. Der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, vermittelt durch die ägyptische Regierung, ist ein wichtiger Schritt. Er lässt hoffen, dass der Beschuss israelischer Siedlungen aus dem Gazastreifen endgültig eingestellt wird und endlich freie Bewegung für die Bewohnerinnen und Bewohner des Gazastreifens möglich wird. Der Gaza-Streifen muss mit Energie beliefert werden können, Lebensmittel und medizinische Betreuung erhalten. Gaza ist heute eine humanitäre Katastrophe.

Die von der türkischen Regierung vermittelten Gespräche zwischen Israel und Syrien und das israelische Angebot, direkte Gespräche mit dem Libanon aufzunehmen, lassen auch hier die Chance für eine politische Lösung am Horizont erscheinen. All das gibt Hoffnung.

In dieser Situation findet die Internationale Sicherheitskonferenz für Palästina in Deutschland statt. Es war eine richtige Entscheidung der Bundesregierung, zu dieser Konferenz einzuladen. Aber die Bundesregierung übernimmt damit auch eine hohe Verantwortung. Von der Sicherheitskonferenz in Berlin muss ein kräftiges Signal für die Nahost-Verhandlungen ausgehen. Endlich Frieden und Sicherheit im Nahen Osten!

Der Deutsche Bundestag kann ein eigenes Signal zur Unterstützung dieses Prozesses setzen. Deshalb unser Antrag. Deutschland sollte alles tun, dass aus dem Waffenstillstand im Gaza-Streifen ein Gewaltverzicht zwischen Israel und Palästina wird.

Ziel muss es bleiben, die Gründung eines souveränen, unabhängigen, demokratischen, zusammenhängenden und lebensfähigen palästinensischen Staates, der Seite an Seite mit einem in Sicherheit und Wohlstand lebenden Israel besteht, durchzusetzen. So formuliert es der Rat der Europäischen Union. DIE LINKE stimmt diesem Ziel zu. Selbstverständlich möchten wir auch, dass sich die soziale Lage der Palästinenserinnen und Palästinenser verbessert.

Um dieses Ziel zu erreichen, das sollten wir Israel deutlich sagen, muss der Siedlungsbau auch um Ost-Jerusalem herum sofort gestoppt werden. Israel muss die mehr als 600 Kontrollpunkte im Westjordanland aufheben. Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch sind sofort aufzunehmen.

Ein eigenständiger palästinensischer Staat erfordert ebenso wie die Staatlichkeit Israels eine Klärung der Grenzfragen. Völkerrechtlich und mit vielen VN-Beschlüssen untermauert geht es um die Grenzen von 1967. Die palästinensische Seite hat mehrfach ihre Bereitschaft zu einem Gebietsaustausch deutlich gemacht. Völkerrechtlich ist auch klar, dass Ost-Jerusalem die Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden muss.

Viele Experten machen immer wieder darauf aufmerksam, dass die Räumung der Golan-Höhen und damit die Klärung des Hauptpunktes der Differenzen zwischen Israel und Syrien kein wesentliches Problem der Sicherheit Israels mehr darstellen. Es geht vielmehr um die israelische Siedlungspolitik in den besetzten syrischen Gebieten und die Verteilung von Wasser. Auch hier gibt es genügend kreative Vorschläge, das Problem zu lösen. Hilfreich wäre es auf alle Fälle, wenn Syrien den Libanon völkerrechtlich anerkennen würde und seine Bereitschaft, die Sheba-Farmen auch völkerrechtlich an den Libanon zu übergeben, damit untermauert. Diese Probleme gehören in den Komplex notwendiger Nahostregelungen.

In diesen Regelungskomplex Nahost gehört auch, dass alle Anschläge und Angriffe auf Israel und israelische Staatsbürger beendet werden. Nicht die Gewalt der Waffen, sondern die Bereitschaft zum Frieden muss die Oberhand gewinnen. Auch die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung könnte ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu einer Friedenslösung im Nahen Osten sein. Um das zu erreichen, sind Gespräche mit Hamas und Hisbollah notwendig. Beide Gruppierungen müssen in den Friedensprozess einbezogen werden. Das hat Die LINKE auch gegen heftigen Widerspruch im Bundestag immer wieder vertreten. Wir haben offensichtlich Recht gehabt, das zeigt nicht nur die Vereinbarung über eine Waffenruhe in Gaza, sondern auch der Umstand, dass Frankreich und viele andere Staaten mittlerweile direkt mit Hamas und Hisbollah sprechen. Ich erwarte nicht, dass die mit uns konkurrierenden Parteien sich selbst zugestehen, dass die Vorschläge der LINKEN vernünftig und zielführend waren, sondern dass die Bundesregierung und die Europäische Union endlich den Realitäten Rechnung tragen.

Für den Friedensprozess im Nahen Osten müssen vor allen Dingen die zivilen Gesellschaften in Israel und Palästina gewonnen werden. Sie treffen letztendlich die Entscheidungen. Das zu befördern, darauf zielen die Vorschläge der LINKEN für ein deutsch-israelisch-palästinensisches Jugendwerk und für die notwendige Überarbeitung der Schulbücher in Israel und Palästina. Begegnungen der Menschen aus Israel, Palästina, dem Libanon und Syrien müssen in vielfältiger Form gefördert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich verstehe sehr gut die Sorgen in Israel zum Atomprogramm des Iran. Ich nehme diese Sorgen auch sehr ernst. Es bedarf Sicherheitsgarantien für Israel und den Iran. Die Bundesregierung sollte sich endlich entscheiden, keine Rüstungsgüter in den Nahen Osten zu exportieren. Wer Rüstungsgüter liefert, ist Teil des Konfliktes und verschärft ihn sogar noch. Im Gegenteil: Die deutsche Politik muss auf eine Demilitarisierung des Nahen Ostens zielen. Auch deswegen hat die LINKE eine ständige Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten vorgeschlagen.

Israel gewinnt nicht mehr Sicherheit, wenn eine Politik der Drohungen und der Sanktionen gegen den Iran fortgesetzt wird. Die Kriegsdrohungen des US-Präsidenten Bush müssen vom Tisch. Bundeskanzlerin Merkel hat dem US-Präsidenten nicht widersprochen, als er in Deutschland genau die gegenteilige Position bezogen hat. Aufgabe deutscher Politik wäre es, den USA klipp und klar zu sagen, dass Deutschland sich mit aller Kraft jeglicher militärischer Abenteuer gegen den Iran widersetzen wird. Der Irakkrieg darf sich nicht wiederholen. Ein Krieg gegen den Iran wäre eine Katastrophe und das Ende aller Bemühungen um eine friedliche Lösung des Nahost-Konfliktes.

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