Rede vom 28.09.2006, Thema: Mandatsverlängerung UNMIS (Sudan)

28.11.2006
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Außenpolitik ist mehr als Einsätze der Bundeswehr
54. Sitzung des 16. Deutschen Bundestages am 28. September 2006
Debatte zum Antrag der Bundesregierung Mandatsverlängerung UNMIS (Sudan)


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss uns doch auffallen, dass wir über Außenpolitik hier im Hause fast nur noch im Zusammenhang mit Militäreinsätzen debattieren.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Ich habe in den letzten Monaten keine außenpolitische Debatte ohne diese Komponente erlebt. Das kennzeichnet eigentlich die ganze Dramatik in unserer Politik. Außenpolitik kann nicht auf Militärpolitik reduziert werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Es ist schon ein bisschen Absurdistan, finde ich, dass der Außenminister über Militäreinsätze redet und der Verteidigungsminister über Außenpolitik redet. Das heißt, man macht Militär zum Mittel der Außenpolitik und verschiebt hier die Achsen.

Dies zeigt auch der Antrag. Ich habe in diesem Hause viel erlebt, aber ein Antrag, der sich auf 14 Tage bezieht, das ist neu; das hatten wir noch nicht, Herr Minister. Wenn sich ein Antrag auf 14 Tage bezieht, dann hat das einen Hintergrund. Den Hintergrund muss man hier klar machen. Der Hintergrund ist, dass die Vereinten Nationen beschlossen haben, die Missionen zusammenzulegen und das Militär in Darfur um – nicht auf, sondern um – 22 500 Soldaten zu erhöhen. Dafür gibt es keine Zustimmung, bislang jedenfalls nicht, der sudanesischen Regierung.

Rechtlich ist das, was die UNO beantragt hat, in Ordnung, aber politisch – das sage ich Ihnen – ist ein solches Vorhaben gegen die sudanesische Regierung und ihre Machtausübung nicht durchzusetzen. Hier gehen Recht und Politik auseinander.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Wer heute dem zustimmt – wir stimmen über einen konkreten Antrag ab; das weiß ich auch –, der öffnet einen Weg, bei dem man nicht weiß, wo man am Ende ankommt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei Militäreinsätzen muss man aber sehr genau wissen, wo man ankommt.

Über Ihren mündlichen Antrag, Herr Jung, dass wir das jetzt gleich für sechs Monate absegnen, können wir in den Ausschüssen reden; das steht hier überhaupt nicht zur Debatte, weil Sie das gar nicht beantragt haben. So können wir nicht vorgehen.

Aber zur Sache selbst: Man weiß auch nicht, wie sich Deutschland verhalten wird, was die Stellung von Soldaten angeht, wenn es zu diesem Einsatz kommt. Ich möchte einmal die Bundeskanzlerin zitieren. Am 6. September hat Frau Merkel hier im Hause ausgeführt:

Ich sehe aber im Augenblick keine Möglichkeit, dass wir neben unserem Engagement im Kongo ein zusätzliches Engagement in Darfur übernehmen.

Heißt denn das – das könnten die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU einmal erklären –, dass man dann, wenn der Kongoeinsatz – er soll im Oktober zu Ende gehen – erledigt ist, Möglichkeiten sieht, auch deutsche Soldaten nach Darfur zu schicken? Ich sage Ihnen: Sie werden die Unzahl von Militäreinsätzen der Bevölkerung nicht weiter erklären können. Wenn wir irgendjemanden hier im Haus aufrufen würden – ich schaue einmal wild in die Reihen – und ihn bitten würden, aufzuzählen, wo überall wir im Moment Mandate haben, würden wir merken: Man bekommt diese elf Mandate kaum zusammen. – Da muss man also genau überlegen, wo man zustimmt oder nicht.

Meine erste Schlussfolgerung ist: Wenn nicht klar ist, wohin die Reise geht, sollte man besser nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Meine Fraktion wird ablehnen oder sich der Stimme enthalten. Wir diskutieren sehr intensiv über die Inhalte.

Das Zweite – das liegt mir eigentlich noch mehr am Herzen –: Man muss mehr darüber nachdenken, wie man diesen unhaltbaren und unmenschlichen Bürgerkriegszustand in Darfur beendet, welche politische Lösung es dafür gibt. Das muss die Zielsetzung sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])

Die Regierung des Sudans und die Rebellenorganisationen müssen dazu gebracht werden, die Kämpfe einzustellen. Widersprüche, die reale Widersprüche sind, bei denen es um Wasser, Boden oder Naturschätze geht, dürfen nicht gewaltsam, sondern müssen friedlich ausgetragen werden. Deswegen muss der politische Druck auf die Regierung des Sudans wachsen.

Wenn Präsident Bush vor den Vereinten Nationen den Militäreinsatz in Darfur damit begründet, dass das Teil des Krieges gegen den Terror ist, dann ist das kontraproduktiv.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe immer wieder vorgeschlagen – darauf reagiert aber keiner, weil der Verteidigungsminister keine Außenpolitik machen darf –, sich an die Blockfreien zu wenden. Sudan ist Teil der Blockfreien. Diese hatten eine Konferenz mit 128 Staaten. Man weiß, wie eng die Zusammenarbeit Südafrikas und übrigens auch Kubas mit dem Sudan ist. Warum setzt man die Regierung Sudans nicht stärker über die Blockfreien unter Druck? Das wäre eine Aufgabe der Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum blenden wir einfach aus, dass China 70 Prozent der Erdölförderung im Sudan in den Händen hält? China hat mindestens 1 000 Soldaten im Sudan, die die Pipelines absichern.

Warum blendet man die drohende Gefahr aus, dass die Staatlichkeit des Sudans auseinander fällt? Der Süden des Sudans steuert doch auf einen eigenen Staat zu; bei Darfur ist es nicht anders. Wenn man aber nicht garantieren kann, dass die Staatlichkeit des Sudans erhalten bleibt, muss man sich bewusst sein, dass ein neuer Konfliktherd von ungeheurer Dimension entstehen könnte, in dem sich dann viele Soldaten aufhalten. Das kann doch nicht Absicht vernünftiger Politik sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb mein Rat: Wenn man sich nicht sicher ist, lieber Nein sagen. Dann kann man nämlich weiter diskutieren. Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)