Rede vom 17.März 2010, Thema: Haushaltsdebatte – Einzelplan 05 / Auswärtiges Amt

17.03.2010
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Haushaltsdebatte -- Einzelplan 05 / Auswärtiges Amt (Wolfgang Gehrcke)

 

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Danke sehr. ‑ Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will den Ball, den der Außenminister gespielt hat, gleich aufnehmen: Wir lehnen den Haushalt des Auswärtigen Amtes ab, weil wir als Linke nie einem Haushalt zustimmen werden, der Kriegspolitik beinhaltet.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir werden uns an keiner Koalition beteiligen, die das zu tun beabsichtigt, und wir werden einem solchen Haushalt nicht zustimmen. Das ist eben die Differenz. Ich hätte mich gefreut, wenn in Ihrem Koalitionsvertrag der Satz gestanden hätte: Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik werden. Sie ist es nicht. Sie ist es strukturell und faktisch nicht. Wir befinden uns in Afghanistan in einem Krieg. Das wird keiner hier ableugnen können. Das tut nicht einmal mehr zu Guttenberg.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir befanden uns, was die Geschichte angeht, auch in Jugoslawien im Krieg ‑ auch das darf hier nicht vergessen werden ‑, und wir haben zumindest indirekt den Krieg der USA im Irak mit Vielem gefördert, was nicht unserer Verfassung entspricht. Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik werden. Das muss auch das Credo dieses Parlamentes sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will hinzufügen: Wir stimmen auch deshalb nicht zu, weil die ganze Richtung der Außenpolitik aus unserer Sicht falsch ist. Ich will Ihnen das an einigen Beispielen deutlich machen. Ich finde, das ist eine eigenartige Mischung von Kollegen, die in der Bundesregierung die internationale Politik dominieren oder bestimmen:
Wir haben einen Entwicklungshilfeminister, Fallschirmspringer, der eigentlich furchtbar gerne Verteidigungsminister werden möchte


(Ute Kumpf (SPD): Vielleicht wird er das ja noch!)


und deswegen Entwicklungspolitik und Bundeswehrpolitik noch enger verbinden will - zulasten der Entwicklungspolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben einen Verteidigungsminister, Gebirgsjäger, der furchtbar gerne Außenminister werden möchte. Er darf sich jetzt nicht zu viel zur Außenpolitik äußern, weil er den Untersuchungsausschuss zu Kunduz am Hals hat. Er versucht aber immer wieder, zu dokumentieren ‑ jetzt ist er gerade nicht anwesend ‑, dass er eigentlich der bessere Außenminister wäre.


(Ute Kumpf (SPD): Vielleicht wird er das auch noch!)


Wir haben einen Außenminister, FDP-Vorsitzender, der die gesellschaftliche Stabilität im eigenen Land durch leichtfertige Reden und durch eine falsche Politik gefährdet.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer die gesellschaftliche Stabilität in Deutschland gefährdet, kann international nicht glaubwürdig für globale soziale Gerechtigkeit eintreten. Das ist einfach so. Das fällt auf einen zurück, Herr Westerwelle.


(Beifall bei der LINKEN)


Gestatten Sie, dass ich ein sehr persönliches Wort dazu sage: Sie sind ein Politiker des raschen Erfolges,


(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Elf Jahre!)


des schnellen Wortes.


(Ute Kumpf (SPD): Des Ellenbogens!)


Manchmal gefällt es einem, manchmal nicht. Sie sind ein Politiker, der nicht in langen Wellen, nicht in langen Linien denkt.


(Ute Kumpf (SPD): Nur an sich denkt!)


Ein Außenminister muss eigentlich in langen politischen Linien denken und auf das Geschäft des Tages zugunsten der Außenpolitik verzichten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das schlägt irgendwann durch.
Sie haben hier als Beispiel genannt, wer Brasilien entdeckt hat. Sie haben sich mit der Delegation in diese Tradition gestellt. Wissen Sie eigentlich, dass Sie sich in die Tradition der kolonialen Ausbeutung und Unterdrückung gestellt haben?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE)


Das kommt davon, wenn man nicht nachdenkt. Schnelles Wort, schnelle Mark, um ein Geschäft zu machen.


(Ute Kumpf (SPD): Falsche Bilder!)


Ich sage das ganz absichtlich hier so, auch vor dem Hintergrund Ihrer Reise. Ich habe mich oftmals wie auf einer Tupperparty gefühlt,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)


auf der die deutsche Industrie ihre Produkte anpreist und dafür die Vermittlung des Bundesaußenministers benutzt. Den SPD-Kollegen möchte ich sagen, dass es bei Steinmeier auch so war. Ich habe mich geschämt, den Außenminister und seine Begleitung in Vietnam mit Reklametüten von METRO herumlaufen zu sehen. Das macht Westerwelle nicht. Er geht zu VW und signiert einen Pick-up. Wir hatten einen Autokanzler, jetzt haben wir einen Autoaußenminister. Das macht die Sache nicht besser. Ich finde, es entspricht nicht der Würde dieses Hauses und der deutschen Außenpolitik, sich für die Verkaufsstrategie der deutschen Industrie zur Verfügung zu stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte etwas anderes. Ich nenne Ihnen jetzt einige Beispiele. Bis zur Londoner Konferenz war Afghanistan Ihr Hitthema. Danach habe ich Sie nicht mehr über Afghanistan und den Friedensprozess reden hören. Schnelle Mark, schnelles Thema, Thema war abgehakt. Aber die Politik ist nicht zu Ende. Wir müssten jetzt den Frieden afghanisieren und nicht die Afghanisierung des Krieges fortsetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben hier Rot-Grün und Frau Künast ‑ das hat mir Spaß gemacht ‑ bei der Frage der Rüstungsexporte kritisiert. Aber wissen Sie, Herr Westerwelle, es macht die heutige Situation nicht besser, dass auch Rot-Grün und Schwarz-Rot diese verhängnisvolle Politik eingeleitet, durchgesetzt und möglich gemacht haben. Das macht es nicht besser. Diese Politik bleibt falsch und schlecht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie bei der Frage der Rüstungsexporte im Prinzip sagen, dass Sie eine falsche Politik fortgesetzt haben, hat das keinen Sinn. Sie hätten diese falsche Politik korrigieren müssen. Man hätte von diesem Pult aus deutlich machen müssen: Wir wollen raus aus dem Geschäft mit dem Tode.
Sie sollten darüber nachdenken, ob wir uns auf Dauer diese doppelten Standards in der Politik leisten können. Ein bisschen salopp gesagt: Wer Krümmel nicht vom Netz nehmen will, wird anderen bei der Frage der Nutzung der Atomenergie schlecht Ratschläge geben können. Deutschland brilliert in der Welt mit doppelten Standards; aber dies schadet uns irgendwann.
Ich möchte stattdessen eine beharrliche, langfristige, durchdachte, gründliche und auf Diplomatie setzende Außenpolitik. Ich möchte gern, dass Sie verstehen, dass es keinen Sinn hat, gegenüber dem Iran weiter auf Sanktionen zu setzen. Das sagen Ihnen alle Leute, die sich dort auskennen. Man muss den Iran, gerade wenn man verhindern will, dass er sich Atomwaffen zulegt, beharrlich in die Staatengemeinschaft zurückführen. Das heißt, man sollte nicht auf Sanktionen setzen, sondern auf Diplomatie, auf Debatten und auf Auseinandersetzungen bauen. Sie verlieren einen Partner nach dem anderen, wenn Sie nur auf Sanktionen setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde, langfristig gesehen kann man im Nahostkonflikt nur durch ganz konsequente Diplomatie etwas bewegen. Sie sind viel herumgereist in der Welt. Das werfe ich Ihnen gar nicht vor; das ist Ihre Aufgabe als Außenminister.


(Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Da hat er aber Glück gehabt!)


- Hier wird gesagt, da habe er Glück gehabt. Wenn Sie möchten, werfe ich Ihnen das auch vor; aber lassen wir das. Ich werfe Ihnen das nicht vor.
Ich möchte gern wissen: Was machen Sie in Bezug auf Länder wie Syrien? Syrien ist ein Schlüsselland, wenn man den Nahostkonflikt lösen möchte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ach nee!)


- Ja, das wissen auch Sie. ‑ Welche Politik betreiben Sie in der Auseinandersetzung mit der israelischen Regierung? Ich habe vernommen, dass Sie den Siedlungsbau kritisiert haben. Man muss klipp und klar sagen: Wer den Siedlungsbau fortsetzt, dem darf man keine Waffen liefern.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie bilden deutsche Bundeswehrpiloten in Israel an Drohnen aus, die in Afghanistan eingesetzt werden sollen. So einen Schwachsinn kann doch keiner ernsthaft als Politik bezeichnen. Es wäre richtig, zu sagen: Wir liefern in ein Land, das eine solche Politik betreibt, nicht weiter Waffen. Das hätte politische Wirksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Außenminister, ich möchte gerne, dass man nicht nur, wie es im Koalitionsvertrag steht, Außenpolitik macht, um Deutschlands Platz auf dem Weltmarkt zu verbessern. Ich möchte vier Eckpfeiler verankert sehen: erstens sich konsequent für das Völkerrecht einzusetzen, also eine Völkerrechtspartei zu sein, zweitens weltweit eine Partei der sozialen Gerechtigkeit zu werden, drittens auf Abrüstung zu setzen ‑ hier haben Sie recht ‑, und viertens mehr Demokratie in die Außenpolitik zu bringen. Deutsche Außenpolitik muss Friedenspolitik werden. Das ist die Zielrichtung der Partei und Fraktion Die Linke.


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)

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