Wir leben in einer Welt

17.06.2010
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Wir leben in einer Welt (Wolfgang Gehrcke)

 

Alles, was in dieser Welt passiert, betrifft uns und geht uns in dem Sinne etwas an, dass man die Welt nicht mehr in einzelne Schubladen einteilen kann. Vielmehr muss man endlich begreifen: Man lebt in einer gemeinsamen Welt. Entweder man gestaltet sie gemeinsam, oder man lässt es bleiben. Ich glaube, das kann man für sich in Anspruch nehmen.

49. Sitzung des 17. Deutschen Bundestages am 17. Juni 2010
Abschließende Beratung des Antrags der Bundesregierung zur Verlängerung der Mandate für den Bundeswehreinsatz Sudan / UNMIS und UNAMID

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Glücklich, wer von sich behaupten kann: Für mich ist alles klar, ich habe alles analysiert, ich habe eine feste Meinung, und so werden wir die Sache machen.

(Christoph Strässer (SPD): Da kennen wir ja welche! Diese Gewissheit!)

Glücklich ist, wer sagen kann: Wir danken unseren Soldatinnen und Soldaten. - All das kann ich für mich und auch für meine Fraktion nicht in Anspruch nehmen.

(Henning Otte (CDU/CSU): Nein? Warum denn nicht?)

Ganz im Gegenteil: Mir sind viele Sachen völlig unklar. Ich will einige davon ansprechen.
Ein Teil der Fraktion Die Linke wird sich zu beiden Mandaten der Stimme enthalten, ein größerer Teil wird gegen die Mandate stimmen;

(Dr. Rainer Stinner (FDP): Das ist ein Fortschritt!)

zu denen gehöre ich. Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir versuchen, uns ernsthaft mit den Problemen auseinanderzusetzen. Wir wollen das, was man erkennen kann, was man lesen kann, was man in Gesprächen mit Betroffenen und NGOs analysieren kann, gründlich betrachten und dann eine Abwägung vornehmen.

Ich will Ihnen einige Punkte vortragen. Aus meiner Sicht gelten zwei Argumente mit Sicherheit nicht. Erstens. Man darf nicht zulassen, dass gesagt wird: Das geht uns nichts an.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Wer sagt das?)

Alles, was in dieser Welt passiert, betrifft uns und geht uns in dem Sinne etwas an, dass man die Welt nicht mehr in einzelne Schubladen einteilen kann. Vielmehr muss man endlich begreifen: Man lebt in einer gemeinsamen Welt.

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Wer hat hier gesagt: Das geht uns nichts an? Gegenruf des Abg. Dr. Rainer Stinner (FDP): Keiner!)

Entweder man gestaltet sie gemeinsam, oder man lässt es bleiben. Ich glaube, das kann man für sich in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD))

Zweitens. Ich möchte auf Folgendes aufmerksam machen: Ich vergleiche den Einsatz der Bundeswehr im Sudan nicht mit dem Einsatz in Afghanistan. Es sind unterschiedliche Motive, unterschiedliche Kräftekonstellationen, und es ist ein ganz unterschiedlicher Umfang der Mandate.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass Sie das schon gemerkt haben! Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sind auch unterschiedliche Länder!)

Das alles können wir abhaken.

(Henning Otte (CDU/CSU): Weitgehende Rede!)

Ich komme nun zu einem Problem. Ich habe nie verstanden, warum Menschen, die lange relativ vernünftig zusammengelebt haben, plötzlich übereinander herfallen und sich abschlachten. Was ist passiert, dass eine solche Kälte und eine solche Brutalität bei den Menschen eingezogen sind? Über diese Frage muss man doch zumindest einmal nachdenken.

Ich möchte, dass wir darüber nachdenken, welche Interessen hier aufeinandertreffen: Interessen von örtlichen Machthabern, regionale Interessen und Interessen an wirtschaftspolitischen Vorteilen, die man daraus ziehen kann. Es ist doch bekannt, dass das Elend des Sudan auch in seinem Reichtum an Naturressourcen begründet ist. In diesem Zusammenhang ist China zu nennen, das in hohem Maße Ölausbeutung betreibt. Auch die USA wollen in das Geschäft einsteigen. Sie kooperieren mit einzelnen Kräftegruppierungen und einzelnen Formationen im Sudan selbst. Daraus resultiert ein Teil der Spannungen, nicht alle. Ich sage Ihnen ehrlich: Ich habe die große Sorge das sagt jeder , dass das Referendum zu einer Abtrennung des Südsudan führt. Daran gibt es eigentlich keinen Zweifel. Ich habe die große Sorge, dass die Abspaltung des Südsudan, die Auflösung des Gesamtsudan, die Konflikte nicht entschärft, sondern verschärft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben darüber diskutiert, ob die Stationierung von Soldaten bei der Entschärfung der Konflikte helfen kann, wie einige sagen, oder ob sie die Konflikte verschärft. Die Soldaten können sie zumindest nicht lösen.

Ich möchte, dass man sich in diesem Haus zumindest auf zwei Punkte einigt:
Erstens. Kein Mitglied des Deutschen Bundestages sollte für eine Verschärfung der Konflikte im Sudan eintreten. Wir müssen mäßigen und das herunterfahren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens, und dann würde ich auch schon Schluss machen wollen. Stellen Sie sich einmal die Frage, ob wir nicht einen Beitrag dazu leisten können, dass Waffenlieferungen in diese Region unterbleiben und unterbunden werden!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Abg. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Jetzt will Herr Ströbele mich fragen, ob ich weiß, dass die Entwaffnung Teil des Programms ist. Das weiß ich, Christian. Aber frage, was du möchtest, wenn die Frau Präsidentin es zulässt.

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ihre Redezeit ist schon abgelaufen, Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Schade. Ich hätte die Frage gerne beantwortet und mir auf diese Art und Weise etwas mehr Redezeit verschafft.

(Christoph Strässer (SPD): Pech gehabt!)

Also komme ich zu meinem letzten Satz: Bitte lassen Sie uns dazu beitragen, dass gegen Waffenlieferungen in Spannungsgebiete vorgegangen wird! Damit leisten wir einen Beitrag zur Entspannung und möglicherweise auch dazu, dass Gewalt vermieden wird.

Vielleicht ist es etwas ungewöhnlich, dass man nicht sagt: Wir wissen alles.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

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