Tagung der Europäischen und Lateinamerikanischen Linken in Paris

10.02.2010
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29./30./31. Januar 2010


An der Zusammenkunft der fortschrittlichen Kräfte Lateinamerikas und Europas, die auf Einladung der Französischen Kommunistischen Partei vom 29. bis 31. Januar 2010 in Paris stattfand, nahmen etwa fünfzig Abgeordnete und Delegierte von Parteien und sozialen Organisationen Lateinamerikas und Europas teil. Sie repräsentieren ein breites Spektrum politischer Strömungen aus beiden Kontinenten.

Im Zentrum der Debatte stand der Kampf für Alternativen zum Neoliberalismus und Kapitalismus. Gefordert wurden tiefe Umwandlungen in allen Bereichen, um mit den globalen Herausforderungen fertig zu werden.

Ausführlich diskutiert wurde über Entwicklungswege, über Währungskrisen, über die Notwendigkeit einer gemeinsamen alternativen Währung zum Dollar und eines alternativen Finanzsystems, das im Dienst der realen Entwicklungsbedürfnisse der Völker steht. In diesem Sinne muss der IWF umstrukturiert werden. Positiv hervorgehoben wurde die Errichtung der Bank des Südens. Der Schuldenerlass für die ärmsten Länder Lateinamerikas ist wesentliche Voraussetzung, um aus der Armutsfalle zu gelangen.

Mit großer Sorge wurde das Scheitern der Kopenhagener Klimakonferenz aufgenommen. Die Klimaänderung ist eine der größten Herausforderungen. In weiten Teilen Südamerikas geht sie einher mit Trockenheit, Ernteausfällen und Hunger, mit dem Niedergang der bäuerlichen Kleinproduktion und merklicher Verteuerungen von Lebensmitteln für die städtische Bevölkerung. Besondere Beachtung fand die Situation der lateinamerikanischen Migrantinnen und Migranten in Europa, deren Rechte gestärkt werden müssen. Illegale Einwanderer müssen ein Bleiberecht erhalten und ihre Kriminalisierung muss aufhören.

Große Bedeutung wurde der Bekämpfung der Bodenspekulation und der absurden Spekulation mit Nahrungsmitteln beigemessen. Die Agro-Treibstoff-Produktion verursacht Hunger. Die fortschrittlichen Staaten Lateinamerikas streben angesichts global schrumpfender und sich verteuernder Nahrungsmittelproduktion nach Nahrungsmittelsouveränität.

Im Mai 2010 findet der nächste Gipfel der Regierungschefs der Europäischen Union und Lateinamerikas und der Karibik in Madrid statt, zu einem entscheidenden Zeitpunkt der Gestaltung der lateinamerikanisch-europäischen Beziehungen. Insbesondere sind die schwierigen Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und LA hervorzuheben. Die Europäische Union unterbreitet den lateinamerikanischen Staaten ein Assoziierungsangebot, das durch neoliberale Ideologie bestimmt wird: Marktöffnung, der freie Verkehr des Kapitals, verschärfter Wettbewerb unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Produktivitäts- und Wettbewerbsfähigkeitsunterschiede zwischen der EU und LA sind beträchtlich. Diese Assoziierungspolitik bedeutet den Ruin vieler industrieller Strukturen Lateinamerikas. Für die Landwirtschaft werden sie den Vormarsch des ex-portorientierten, agrokapitalistischen Sektors bedeuten und die subsistenzbetreibenden Kleinproduzenten ruinieren und die Armut ausbreiten.

2010 wird die Zweihundertjahresfeier der „Unabhängigkeit Lateinamerikas vom europäischen Kolonialismus“ begangen. Die Befreiung vom Kolonialismus brachte die formelle Unabhängigkeit der lateinamerikanischen Staaten, wirtschaftlich bleiben sie aber abhängige Staaten. Nun kämpfen die Völker Lateinamerikas, die für tiefe strukturelle Veränderungen eintreten, um eine zweite Befreiung. Auf diesem Wege haben Länder wie Venezuela, Ekuador, Bolivien wichtige Erfolge erzielt. Die erreichten gesellschaftlichen und ökonomischen Reformen bedeuten in dieser Perspektive eine Antwort auf die Erwartungen der Völker.

In der Debatte wurde auf notwendige alternative Vorschläge und gemeinsamen Aktionen der europäischen und lateinamerikanischen Linken auf parlamentarischer und außerparlamentarischer Ebene zum Ausdruck gebracht. Wolfgang Gehrcke wies in seinem Beitrag darauf hin:

„200 Jahre Unabhängigkeit Lateinamerikas heißt auch Rückblick auf 500 Jahre Kolonialismus. Das, was oft ‚europäische Zivilisation‘ genannt wird, ist aufgebaut auf Bergen von Leichen, auf Brutalität und Ausplünderung, auf der Vernichtung indigener Völker. Die Linke im Europaparlament und in den nationalen Parlamenten sollte solche Gedanken der Scham und der Wiedergutmachung in Form von Parlamentsanträgen einbringen.“

Im Rahmen des Besuches fanden auch Gespräche mit der französischen Parti de Gauche und ihrem Vorsitzenden Jean-Luc Melenchon statt. In den Gesprächen kam der Wunsch zu einer Intensivierung der Kontakte zwischen beiden Parteien und der Parlamentsfraktionen zum Ausdruck.


Berlin, 10. Februar 2010