"Es ist ein gutes linkes Programm geworden"

20.10.2011
Printer Friendly, PDF & Email
junge Welt

Vorstand der Linkspartei hat Kompromisse für den Entwurf formuliert. Parteitag beginnt Freitag. Ein Gespräch mit Wolfgang Gehrcke
* Wolfgang Gehrcke ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei

Interview: Peter Wolter


Der Linke-Vorstand hat am Wochenende letzte Vorbereitungen für den Programmparteitag getroffen, der am morgigen Freitag in Erfurt beginnt. Wurden Kompromißformeln gefunden, die die Erwartungen der unterschiedlichen Parteiflügel befriedigen?
Vor allem hat der Parteivorstand politische Entscheidungen getroffen, die es ermöglichen, mit einem klaren und unverwechselbaren Profil in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einzugreifen. Das kann mal hier und da ein Kompromiß sein– aber wir haben vieles so diskutiert, daß wir über die Kompromißsuche hinaus zu einer wirklichen Einigung gekommen sind. Es ist ein gutes linkes Programm geworden, vielleicht das beste, das ich kenne.

Wird das auch von allen Parteiflügeln so gesehen, oder steckt im Entwurf noch Juckpulver?
Es muß auf jeden Fall Diskussionen geben – stellen Sie sich vor, es gibt ein Programm und keiner redet drüber! Aber ich bin fest davon überzeugt, daß die unterschiedlichen Richtungen der Partei dem Entwurf zustimmen werden.

Werden wir etwas konkreter: Die Mainstream-Medien haben als Knackpunkte das Thema Israel/Palästina, die Frage einer Regierungsbeteiligung sowie die Haltung zu UN-Einsätzen ausgemacht. Hat es dazu neue Formulierungen gegeben?
Leider will man uns immer wieder Themen aufzwingen, die nicht die Hauptfragen der Bevölkerung sind. Deswegen stellen wir im Entwurf erst einmal klar, daß die Eigentumsfrage für uns im Zentrum steht.

Kurz zu den Knackpunkten. Erstens: Die Linke wird immer wieder fordern, die Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen zurückzuholen. Das steht drin im Entwurf. Wir setzen uns auch kritisch mit der gegenwärtigen Politik der UN auseinander und machen darauf aufmerksam, daß ihre Entscheidungen nicht mit dem Völkerrecht übereinstimmen. Beispiele: Die Kriege im Irak und in Jugoslawien. Zweitens treten wir für eine Zweistaatenlösung für Israel und Palästina ein. Natürlich steht das Recht Israels auf gesicherte Grenzen auch drin.

Oskar Lafontaine hat kürzlich den Begriff »Willy-Brandt-Korps« aus dem Hut gezogen. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein Vorschlag zur internationalen Katastrophenhilfe, weil das Geld dann nicht in Kriegseinsätzen verpulvert, sondern für humanitäre Hilfe ausgegeben wird. Das hat nichts mit einem Umfunktionieren der Bundeswehr zu tun.

So etwas wie ein Technisches Hilfswerk auf internationaler Ebene?
Ja, und zwar unter dem Dach der UN, wobei die Aufgaben dieses Korps dann aber auch soziale Komponenten haben müssen. Man kann durchaus über den Namen streiten, Willy Brandt gehört nicht zu meiner Tradition, wohl aber zu der Lafontaines. Ich finde, er hat durchaus das Recht, auf diesen Namen zurückzugreifen– jedenfalls ein größeres als die SPD.

Stutzig macht, daß dieser Begriff erst kurz vor dem Parteitag auftauchte. Ist der Eindruck von der Hand zu weisen, daß er eine Hilfskonstruktion ist, mit der die Parteilinke den Reformern das Hintertürchen öffnet, doch noch einer Beteiligung Deutschlands an Blauhelm­einsätzen zuzustimmen?
Mitnichten. Es ist ein rein ziviles Hilfskorps, mit Blauhelmeinsätzen hat das nichts zu tun. Es wird überhaupt viel über diese Einsätze geredet – aber meist vergessen, daß Deutschland zur Zeit an keinem einzigen teilnimmt. Unser Ausgangspunkt war, daß wir dem Umbau der Bundeswehr etwas Konstruktives entgegensetzen wollen. Uns geht es mit diesem Vorschlag weniger um parteiinterne Debatten als darum, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, daß es eine zivile Alternative gibt.

Und der dritte Knackpunkt, die Frage einer Regierungsbeteiligung?
Ich finde es albern, wenn immer wieder über Regieren als Selbstwert diskutiert wird. Zur Zeit sehe ich nirgendwo einen Partner, der mit uns zusammen regieren will. Und umgekehrt sehe ich auch keinen, mit dem die Linkspartei auf Bundesebene regieren will. Wenn die Linke sich an Regierungen beteiligen sollte, müssen klare Bedingungen her: kein Sozialabbau, keine Kriegsbeteiligung, keine Privatisierung. Steht alles gut und deutlich drin.