Die iranische Bombe - ein Buch gegen eine plumpe Militärstrategie
Die Prognose des Buches von Gero von Randow und Ulrich Ladurner ist düster. »Ausgerechnet im ideologieverseuchten, hasszerfurchten Nahen und Mittleren Osten könnte es zur ersten Nuklearkatastrophe nach Hiroshima und Nagasaki kommen.« Gott sei Dank benutzen die Autoren den Konjunktiv »könnte«, was die Möglichkeit eines anderen Verlaufes immerhin offen hält. Geschrieben wird nicht über einen Unglücksfall in einem der zahlreichen Atommeiler in der Region, sondern über einen Angriff auf iranische Atomanlagen.
Die Autoren, beide »Zeit«-Redakteure, sind außenpolitische Experten, bestens bewandert in den Problemen der Region. Das Buch ist besser als der Ruf der Zeit. Abwägender, tastender, unsicherer, aber gerade deshalb analytischer. Die Autoren legen sich nicht fest, ob der Iran an der Bombe baut oder tatsächlich nur über ein ziviles Atomprogramm verfügt. Beides ist denkbar. Diese Antwort ist übrigens ganz auf der Ebene der Internationalen Atomenergiebehörde, die sich ebenfalls nicht festgelegt hat. Wichtiger für die Autoren ist jedoch, ob Iran überhaupt die Atombombe bauen will. Technisch scheint der Iran dazu durchaus in der Lage zu sein, die politische Absicht bleibt offen.
Ich habe vor einem Jahr den ehemaligen Chef der Atomenergiebehörde, El Baradei, gefragt: »Will der Iran die Bombe bauen?« Dessen Antwort lautete: Der Iran macht genau das, was Brasilien, Südafrika, Argentinien und eine Reihe weiterer Schwellenländer zumindest betrieben haben; man erwirbt das Knowhow, die Bombe bauen zu können. Das Knowhow ist die größere Bedrohung als die Bombe selbst. Dazu passt die von Israel öffentlich kritisierte Analyse der US-Geheimdienste, dass Iran bis zum Jahr 2003 an einem militärischen Atomprogramm geforscht hätte, aber diese Arbeiten eingestellt worden wären.
Randow und Ladurner zeichnen nun also vier Szenarien und bieten sieben Ratschläge.
Szenario 1: Der Iran wird ein Atomwaffenstaat. Technisch möglich, politisch unklar und doch wären die Folgen kalkulierbar. Die Schlussfolgerung der Autoren: Es muss geprüft werden, ob Iran sich in eine regionale Sicherheitspartnerschaft einbinden ließe. Diese Prüfung kann relativ rasch von statten gehen, planen doch die Vereinten Nationen noch für dieses Jahr in Kairo eine Konferenz für einen von Massenvernichtungswaffen freien Nahen Osten. Die Autoren warnen dennoch: »Fehlkalkulationen auf beiden Seiten (namentlich im Iran, in Israel und den USA) könnten in ein nukleares Inferno münden.« Bei meinen Besuchen in Israel in den vergangenen Jahren habe ich sehr viele Spitzenpolitiker kennengelernt, mit denen man über einen Palästinenserstaat rational reden konnte. Kam die Sprache jedoch auf Iran, so endete jegliche Rationalität abrupt.
Szenario 2: Ein Präventivkrieg gegen Iran. Präventivkriege sind heute zur vorherrschenden militärischen Strategie geworden und werden mit entsprechender Medienwirksamkeit in Szene gesetzt. Der Krieg gegen Irak mit Hundertausenden Opfern war eine Blaupause für diese Art Kriegführung. Anhänger eines Präventivkrieges gegen Iran findet man auch in Deutschland. Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, ließ sich mehrfach mit dem Satz zitieren, dass der Westen im Atomkonflikt mit dem Iran militärische Optionen nicht ausschließen dürfe. Prof. Dr. Joachim Krause, Direktor des Institutes für Sicherheitspolitik, wiederum kommt in seiner Analyse zur Schlussfolgerung: »Sollte es zu überraschenden Fortschritten beim iranischen Kernwaffenprogramm kommen, kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass die Israelis als erstes Kernwaffen einsetzen.«
Szenario 3: Der Iran wird einem internationalen Sanktionsregime unterworfen. Dieses Szenario läuft derzeit ab. Zielsetzung ist eine politische und ökonomische Schwächung der iranischen Führung mit dem Ausblick auf einen Regimewechsel. Offiziell wird behauptet, die Verschärfung der Sanktionen sei die einzige Chance, einen Militärschlag auszuschließen. Die Sperrung der Zusammenarbeit mit iranischen Banken und das Abschneiden des iranischen Erdölhandels treffen auch westliche Staaten erheblich. Zudem und vor allem: Sie schweißen offensichtlich die iranische Bevölkerung um die jetzige Führungsmannschaft in Teheran zusammen. So mahnen denn auch die beiden Autoren: »Freiheit, die will man sich in Teheran sicher vorstellen, aber eine Freiheit, die ausgerechnet von amerikanischen Bombern und Panzern gebracht wird, wird kaum willkommen sein.« Das kennen wir bereits aus Afghanistan und Irak.
Szenario 4: Man kauft Teheran die Atomrüstung ab. Dieses Szenario liest sich auf den ersten Blick unwahrscheinlich, ist aber durchaus logisch. Iran müssen Sicherheitsgarantien gegeben werden, die US-Stützpunkte rund um den Iran wären aufzulösen und das Land am Persischen Golf darf nicht weiter isoliert werden, sondern ist in die internationale Politik einzubeziehen.
Die dringlichen Empfehlungen der beiden Autoren lauten: militärische Eskalation vermeiden, Zeit gewinnen, Bündnisse schmieden, eine abgestufte, kluge Sanktionspolitik und Angebote an Teheran, die zu Reformen animieren. Nicht zuletzt wäre die Möglichkeit zu eruieren, Iran friedliche Kerntechnik zur Verfügung zu stellen. Jeder dieser Vorschläge ist mit guten Argumenten, aber auch mit Tücken versehen. Ein Vorteil dieses Buches ist: Die Autoren argumentieren sachlich und logisch und verschweigen nicht die Schwierigkeiten bei einer womöglichen Umsetzung ihrer Empfehlungen.
Gero von Randow/Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Verlag Hoffmann & Campe. 174 S., br., 14,95 €.
erschienen am 2. Februar im Neuen Deutschland