Der "Spiegel" kennt keinen Respekt

07.09.2012
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Offener Brief an die Chefredakteure von "Der Spiegel" und "Spiegel Online" zum Artikel „Ost-Linke planen Rachefeldzug gegen West-Fundis“ von Markus Deggerich

Sehr geehrter Herr Mascolo,
sehr geehrter Herr Müller von Blumencron, sehr geehrter Herr Ditz,

dass Ihre Magazine „Der Spiegel“ und „Spiegel Online“ sich bei der Berichterstattungen über Positionen und Forderungen der Partei DIE LINKE sehr zurückhalten, stattdessen aber der „Berichterstattung“ über tatsächlichen oder vermeintlichen Streit in unserer Partei um so mehr Raum geben, ist uns spätestens seit der hessischen Landtagswahl im Jahr 2009 hinlänglich bekannt. Dass Ihre Magazine dabei der Wahrheit, wenn überhaupt, nur ein untergeordnetes Gewicht beimessen, auch.


In dem Artikel „Ost-Linke planen Rachefeldzug gegen West-Fundis“ von Markus Deggerich fällt uns darüber hinaus sehr unangenehm auf, dass Sie sich chauvinistischer Klischees in Bezug auf Geschlecht und Lebensalter von Personen bedienen.

Dass in dem Artikel von einem möglichen „Zickenkrieg“ zwischen den Bundestagsabgeordneten Jelpke, Wagenknecht und Dagdelen die Rede ist, entspricht einer Macho-Weltsicht, die Frauen, ohne zu beachten, was sie sagen, als „hysterisch“ oder neuerdings „Zicken“ abtut. Sie wollen unsere Partei treffen, zielen in chauvinistischer Weise auf drei Frauen und treffen alle übrigen Frauen gleich mit. Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke und Sahra Wagenknecht leisten als Bundestagsabgeordnete der LINKEN hervorragende Arbeit und haben auch persönlich eine derartige Verunglimpfung nicht verdient.

Das gilt auch für den hessischen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke, den Sie respektlos als „westlichen Fundi-Opa“ bezeichnen. Wir wissen, dass Wolfgang Gehrcke für politische Respektlosigkeit sehr viel übrig hat, aber auf Respekt vor Personen großen Wert legt. Bei Ihnen ist das scheinbar genau umgekehrt.

Ihre Behauptung von einem „außenpolitischen Radikalkurs“ von Wolfgang Gehrcke lassen Sie ohne jeden Beleg. Kein Wunder, die Außenpolitik, die Wolfgang Gehrcke vertritt, entspricht dem Programm unserer Partei, das wir im vergangenen Jahr in einer Urabstimmung mit über 95 Prozent Zustimmung beschlossen haben und an dem Wolfgang Gehrcke im Übrigen maßgeblich mitgearbeitet hat.

Aber es geht Ihnen in Ihrem Artikel überhaupt nicht um die Außenpolitik oder überhaupt die Politik der LINKEN. Ihr Interesse ist leicht zu durchschauen, der ganze Artikel zielt einzig darauf, Zwietracht in der LINKEN zu säen, die Flügel der Partei, ihre Landesverbände in Ost und West gegeneinander aufzubringen.

Herr Gehrcke war übrigens nie „DKP-Chef“, wie Sie in Ihrem Artikel schreiben. Aber wie schon eingangs gesagt: Dass in Ihren Magazinen die Wahrheit keine Rolle spielt, sobald Sie gegen DIE LINKE zu Felde ziehen, ist uns spätestens seit dem letzten Landtagswahlkampf in Hessen bekannt:

So schrieben Sie zum Beispiel am 4. Januar 2009, kurz vor der Landtagswahl in Hessen, in Ihrem Online-Magazin unter dem Titel „Linkspartei – Mitgliederschwund in Hessen“, dass neben dem Vorsitzenden des Ortsverbandes DIE LINKE. Baunatal und dessen Stellvertreter „noch 29 weitere nordhessische Genossen zum 31. Dezember 2008 […] ihren Parteiaustritt erklärt“ hätten. Sie haben sich weder daran gestört, dass der Ortsverband Baunatal überhaupt nicht über die genannte Zahl von Mitgliedern verfügte, noch dran, dass DIE LINKE in Hessen im Jahr 2008 um 732 Mitglieder auf 2 645 Mitglieder gewachsen war.

Wir halten die in Ihrem Haus geübte Praxis, bedenkenlos gegen die Wahrheit zu verstoßen, sobald es gegen die Partei DIE LINKE geht, mit dem Verfassungsauftrag an die Medien für unvereinbar, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Ihre Beweggründe dafür sind leicht zu durchschauen, wie oft hilft hier die alte Frage „cui bono?“ – Wem nützt eine Schwächung der LINKEN?

Mit ärgerlichen Grüßen

Heidemarie Scheuch Paschkewitz
Landesvorsitzende

Dr. Ulrich Wilken
Landesvorsitzender

Dr. Achim Kessler
Stellv. Landesvorsitzender
und Pressesprecher