Im Nahen Osten droht ein Flächenbrand

21.10.2012
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Im Nahen Osten droht ein Flächenbrand

von Wolfgang Gehrcke in der Wöchentlichen Kolumne auf Linksfraktion

Der Bürgerkrieg in Syrien hat wie jeder Krieg Gewinner und Verlierer. Verlierer sind einfache Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, Religion und politischer Überzeugung. Seit 16 Monaten hält der Tod in Syrien reiche Ernte. 30 000 Menschen haben nach UNO-Schätzungen ihren Wohnort Syrien mit dem Leben bezahlt, ungezählt sind die Verletzten. Mehr als 300 000 Menschen sind auf der Flucht innerhalb des Landes oder über die Grenzen in Nachbarstaaten. Nach Europa haben es nur wenige geschafft. Die europäischen Grenzen sind für Flüchtlinge noch immer geschlossen. Zum "Aufstand" zu ermutigen, so couragiert waren europäische Regierungen in Frankreich, Großbritannien und Deutschland, aber Flüchtlinge aufzunehmen, da endet die Humanität.

Syrien war immer ein Land, das seine Grenzen für die Verfolgten aus Nachbarländern geöffnet hat. 490 000 Palästinenserinnen und Palästinenser fanden hier Aufnahme und über 2 Millionen Flüchtlinge des Krieges im Irak. Bei 21 Millionen Einwohnern mindestens 2,5 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen, dagegen nimmt sich die Behauptung der Bundesregierung, Deutschland hätte 5 000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, mehr als bescheiden aus. Im Bundestag tönen FDP und Union, den syrischen Flüchtlingen müsse geholfen werden. Aber als DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss beantragte, syrische Flüchtlinge aufzunehmen, stimmten die Regierungsfraktionen dagegen. Offensichtlich endet Humanität noch immer an Parteigrenzen.

Bekanntermaßen stirbt im Krieg die Wahrheit zuerst. Das Lügengespinst, mit dem Syrien überzogen wurde, ist sehr dicht gewebt. Den Ton geben Fernsehanstalten wie Al Dschasira und Al Arabija, die BBC in London und CNN in den USA an. Auch in Deutschland sind sachliche Informationen in den Medien eher selten. Ein Beispiel: Es wird behauptet, dass die "Freie Syrische Armee" zu größten Teilen aus Deserteuren der regulären syrischen Streitkräfte besteht. Tatsache ist aber, dass von den 300 000 Angehörigen der regulären syrischen Armee nur 3 000 desertiert sind. In der "Freien Syrischen Armee" treffen sich Söldner, Abenteurer und islamistische Kämpfer aus aller Welt. Kämpfer mit Söldnererfahrung aus Libyen, aus Afghanistan, aus Tschetschenien. Waffen beziehungsweise das Geld für Waffen kommen aus Saudi Arabien, Katar, der Türkei und auch aus den USA und aus Europa. Was als Aufstand gegen ein autoritäres Regime begann, ist sehr schnell zu einem internationalisierten Kampf um Macht, Einfluss und Geld geworden. Im Nahen Osten droht ein Flächenbrand.

Die Ziele der ausländischen Akteure sind unterschiedlich, aber auf keinen Fall Demokratie und Selbstbestimmung für Syrien. Die Türkei kämpft um Vorherrschaft in der Region und gegen demokratische Forderungen der Kurden. Grenzscharmützel wurden zum Vorwand für eine türkische Interventionsermächtigung. Der deutsche Außenminister bestätigte der Türkei, dass es völkerrechtlich korrekt sei, ausländische Flugzeuge bei Verdacht auf verbotene Güter, wie zum Beispiel Waffen, zur Landung zu zwingen. Das tat die türkische Luftwaffe im Falle eines aus Moskau kommenden syrischen Flugzeuges und einer Maschine aus Armenien. Die Türkei versprach zumindest der NATO, die verkündeten Waffenfunde in der syrischen Maschine öffentlich zu präsentieren. Das ist allerdings bis heute nicht geschehen. Rückerinnerung: Auch Saddam Hussein im Irak soll ja im Besitz von Massenvernichtungswaffen gewesen sein.

Condoleezza Rice, Ex-Außenministerin der USA, glaubte nach dem Irak-Krieg die Vision eines neuen Nahen Ostens vor sich zu sehen. Die Realität ist ein grauenhaftes Bild. Deutschland sollte sich an die Seite der blockfreien Staaten stellen und konsequent für Entmilitarisierung, Demokratisierung, für Waffenruhe und einen Waffenstillstand, für die Anerkennung der kurdischen Rechte einsetzen. Nur DIE LINKE im Bundestag hält an den Verhandlungspositionen des UN-Sondergesandten Brahimi – Waffenstillstand und Dialog – konsequent fest. Viele, auch viele Bundestagsabgeordnete in allen Fraktionen, wissen, dass Krieg keine Lösung für soziale und politische Probleme ist. Aber zur Konsequenz, dass Deutschland den Kriegsdienst verweigern muss, hat sich bisher nur DIE LINKE entschlossen. Die LINKE sagt: Holt die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurück, verbietet Waffenexporte und rüstet ab! Wie war das noch? "Frieden ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts", mahnte einst Friedensnobelpreisträger Willi Brandt.