

Nach § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages haben Abgeordnete das Recht, Erklärung zum Abstimmungsverhalten abzugeben. Davon hat Wolfgang Gehrcke Gebrauch gemacht in Bezug auf die Anträge auf "Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Kolleginnen und Kollegen Sevim Dagdelen, Inge Höger, Jan van Aken und Dr. Diether Dehm". Damit ist die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten gemeint. Es geht um Strafanträge wegen Aufrufs und/oder Beteiligung an der "Aktion Schottern!" gegen die Atommülltransporte nach Gorleben.
Dazu erklärte Wolfgang Gehrcke:
Sehr geehrter Herr Präsident,
ich habe den Anträgen auf Genehmigung der Durchführung von Strafverfahren gegen meine Kolleginnen und Kollegen Sevim Dagdelen, Inge Höger, Jan van Aken und Dr. Diether Dehm nicht zugestimmt.
Dazu will ich erklären:
1. Die Immunität von Abgeordneten gehört ebenso wie die freie und geheime Wahl, das Rede- und Stimmrecht und der Schutz der Person zu den elementaren Parlamentsrechten. Die Immunität aufzuheben, sie besteht konkret und grundsätzlich, bedarf es aus meiner Sicht drastischer Vorhaltungen. Die Genannten haben jedoch von ihren Bürgerrechten Gebrauch gemacht. Ihre Zivilcourage verdient Schutz und Anerkennung, nicht Verfolgung. Wer die Rechte von Parlamentariern einschränkt, schränkt das Parlament ein und damit die Volkssouveränität. Deshalb habe ich den Anträgen nicht zugestimmt.
Art und Weise wie Form und Inhalt von Protesten und Demonstrationen unterliegen einem beständigen Wandel, so wie auch die Gesellschaft sich wandelt. Gleichermaßen bleibt das Prinzip der Gewaltlosigkeit. Denken Sie zum Beispiel an das Mittel der Blockade. Diese Protestform ist mit den Blockaden in Mutlangen aufgekommen und danach an vielen anderen Orten angewandt worden. Heute ist auch diese Protestform gesellschaftlich weitgehend akzeptiert und Verfolgungen wurden eingestellt bzw. gar nicht erst eingeleitet. Unrühmliche Ausnahme ist allerdings die Verfolgung der Nazi-Blockierer/innen von Dresden durch die sächsische Staatsanwaltschaft.
Auch das „Schottern“ findet weit mehr gesellschaftliche Akzeptanz, als den Behörden dieses Landes lieb ist. Weder die konkrete, öffentliche Aktion noch die öffentlich geäußerte Sympathie darf aus meiner Sicht verfolgt werden. Deshalb habe ich den vorliegenden Anträgen nicht zugestimmt.
3. Auch die Provokation, die Überzeichnung von Zuständen, ist ein zulässiges Mittel des Protestes, der Politik und Kunst. Ohne die Provokation gäbe es heute zum Beispiel keine gesellschaftliche Mehrheit für eine Energiewende. Da ich für den Ausstieg aus der Kernenergie bin, kann ich einer Verfolgung von Atomkraftgegnerinnen und –gegnern nicht zustimmen.