In Erinnerung an die Widerstandskämpferin Ilse Stöbe

22.12.2012
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„Freies Deutschland, Mutter dieses heimlichen Stromes,
der unterm Beil entspringt, der aus dem Kerker kommt
und die Schritte belebt des unsichtbaren Soldaten:
In der Nacht, im Nebel hört man deine erstickte Stimme
wachsend, sich vereinigen, sich formen und strömen
und singen mit deiner bejahrten Stimme den alten Gesang.“
Pablo Neruda, Gesang auf Deutschlands Ströme,
1945 zu Ehren der deutschen Widerstandskämpfer

 

Noch fehlt sie auf der Ehrentafel des Auswärtigen Amtes

In Erinnerung an die Widerstandskämpferin Ilse Stöbe

Am 22. Dezember 1942 wurde die Mitarbeiterin des Auswärtigen Amtes, die die Nachricht über den bevorstehenden Angriff von Nazi-Deutschland auf die Sowjetunion weitergegeben hatte, Ilse Stöbe, in Berlin-Plötzensee von den Nazis hingerichtet, zusammen mit Rudolf von Scheliha, Harro Schulze-Boysen, Arvid Harnack, Kurt Schumacher, John Graudenz, Horst Heilmann, Hans Coppi, Kurt Schulze, Libertas Schulze-Boysen und Elisabeth Schumacher. Sie waren die ersten Ermordeten aus dem Kreis der „Roten Kapelle“, denen noch so viele folgten.

Das Gefängnis Berlin-Plötzensee, in dem heute auch eine Gedenkstätte eingerichtet ist, ist ein Ort des kalten Grauens, des kalten Mordes. Zwischen 1933 und 1945 wurden hier 2891 Menschen von der Nazi-Justiz durch Erhängen, Enthaupten, Erschlagen um ihr Leben gebracht. Wir stehen hier an dem kalten 22. Dezember, siebzig Jahre nach dem Mord an den Menschen, die gegen die Vernichtung kämpften, und blicken fassungslos auf den Stahlträger mit den Schlachterhaken, an denen Hitler seine Gegner hinrichten ließ. Wir, das sind ermutigend viele Menschen. Und ich bin dem Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Prof. Tuchel, dem ehemaligen Minister Tiefensee, meinen Freundinnen und Freunden von der VVN und vielen, die ich nicht kenne, dankbar für ihr Gedenken.

In den ersten Kriegsjahren hatte sich über freundschaftliche Kontakte Einzelner ein loses Netzwerk Berliner Freundes- und Widerstandskreise gebildet, die „Rote Kapelle“; unter diesem Namen hatten die Nazis lange Zeit erfolglos nach ihnen gefahndet. Sie waren Teil der politisch Verfolgten, sie halfen Jüdinnen, Juden, Zwangsarbeitern, sie dokumentierten die faschistischen Gewaltverbrechen und riefen in Flugschriften und Zettelaktionen zum Widerstand auf. Insbesondere Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen versuchten kriegswichtige Informationen dem sowjetischen und britischen Nachrichtendienst zu übermitteln.

Über Jahrzehnte wurde ihr Widerstand in Westdeutschland als „kommunistisch“ ausgegrenzt und als Hoch- und Landesverrat, als Spionage diskreditiert. Das ist bis heute noch nicht vollständig zurückgenommen. Ilse Stöbe ist eine von ihnen, dabei war sie doch Kundschafterin gegen den Krieg, Widerstandskämpferin gegen die Barbarei. Als sie 1942 von der Verhandlung vor dem Reichskriegsgericht, wegen Hoch- und Landesverrats zum Tode verurteilt, in ihre Zelle zurückgebracht wird, singt sie „Du bist die Ruh, der Friede mild – die Sehnsucht du und was sie stillt.“ So wussten ihre Mitgefangenen: Ilse ist zum Tode verurteilt.

Auf der Ehrentafel im heutigen Außenministerium fehlt noch immer der Name Ilse Stöbe. Die Familie des Legationsrates Rudolf von Scheliha hat in langen Jahren und mühsamen Prozessen seine Rehabilitierung erstritten. Ilse Stöbe aber hat keine lebenden Verwandten, ihre Mutter und ihr Halbbruder sind ebenfalls von den Nazis umgebracht worden. Anstelle von Verwandten fühle ich mich Ilse Stöbe verpflichtet, dass sie eine politische, menschliche, kulturelle Ehrung erfährt. Wir müssen dafür sorgen, dass die westdeutsche Erbsünde, den Altnazis Unterschlupf gewährt zu haben, auch im Auswärtigen Amt, in den Geheimdiensten, der Bundeswehr, Polizei, in Justiz und Verwaltung abgetragen wird. Das Mindeste dabei ist Öffentlichkeit und Ehrung des Widerstandes.

Ich bitte die Bundesregierung, Außenminister Guido Westerwelle, endlich Ilse Stöbe zu rehabilitieren und sie auf der Ehrentafel im Außenministerium zu nennen.

Sie, die Sie diesen Text lesen, bitte ich, informieren Sie sich über den Antrag der Fraktion DIE LINKE "Ilse Stöbe als Widerstandskämpferin im Auswärtigen Amt anerkennen" und verwenden Sie sich beim Auswärtigen Amt dafür, Ilse Stöbe zu rehabilitieren und zu ehren.

Wolfgang Gehrcke, MdB, DIE LINKE