Amazon vor dem Streik

23.04.2013
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Amazon vor dem Streik

Streik liegt in der Luft bei Amazon in Bad Hersfeld und Leipzig. Nach dem erfolgreichen Warnstreik entscheiden jetzt die Amazon-Beschäftigten in Bad Hersfeld mit einer Urabstimmung über einen Streik für ordentliche Tarifverträge. Dafür setzt sich die Gewerkschaft ver.di ein. Die BILD-Zeitung schreibt bereits von einem Arbeiteraufstand bei Amazon. Bei einem Großversandhändler wie Amazon einen Streik zu organisieren, zeugt von großem Mut der Belegschaft und einer kämpferischen Gewerkschaftseinstellung. Amazon in Bad Hersfeld, das liegt „hinter den sieben Bergen“, direkt an der Autobahn A4, außerhalb der Stadt. Ein viereckiger großer Kasten auf den Berg geklotzt, gesichert durch Drahtzäune und Drehkreuze, von einem riesigen Parkplatz flankiert. Ohne Auto, Fahrgemeinschaft oder Bus kommt keiner hin und, was noch schwieriger ist, auch nicht wieder weg. Amazon, das ist moderne Ausbeutung perfider Art und ein funktionables Logistik-Center, dass auf die Beschäftigten keine Rücksicht nimmt. Vor dem Werksgelände treffen wir, das sind Mitglieder der LINKEN Bad Hersfeld und umliegender Kreisverbände, die Bundestagsabgeordneten und -kandidatinnen Sabine Leidig, Johanna Scheringer, Wolfgang Gehrcke sowie die hessische LINKEN-Vorsitzende Heide Scheuch-Paschkewitz, auf Beschäftigte aus der näheren und ferneren Umgebung, bis nach Thüringen und Polen. Viele von ihnen ohne feste Arbeitsverträge und mit falschen Versprechungen angelockt. Das hatte eine TV-Reportage mit dem bezeichnenden Titel „Ausgeliefert!“ bereits ans Licht gebracht.

DIE LINKE ist solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen von Amazon und heute bereits zum dritten Mal vor Ort. Erste, kleinere Erfolge, Amazon hat sich ja inzwischen von einigen Dienstleistern getrennt, zeigen: die Firmenleitung ist druckempfindlich. Geändert hat sie sich jedoch nicht. Sie will die Macht behalten und die Beschäftigten weiter gängeln. Sie verweigert der Gewerkschaft ver.di ordentliche Tarifverhandlungen und profitiert von einem System, das durch Leiharbeit und Werkverträge zu Lohneinbußen von bis zu 50 % bei gleicher Arbeit führt. Stammbelegschaft und Gewerkschaften werden systematisch geschwächt. DIE LINKE will hingegen gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, Leiharbeit abschaffen und Mindestlöhne durchsetzen. Das wollen auch viele Beschäftigte. Die Flugblatt-Aktion der LINKEN, ihre roten Fahnen, werden bei den Amazon-Beschäftigten freundlich aufgenommen. „Gut, dass ihr da seid“, ist häufiger zu hören, und gleichzeitig schwingt in den Stimmen Unsicherheit mit. So häufig hat noch keiner gestreikt, der heute bei Amazon beschäftigt ist. Viele von ihnen sind durch Job-Center hierher verfrachtet worden und waren vorher lange im Hartz-IV-Bezug. Kollektive Arbeitsweisen, gewerkschaftliche Erfahrungen müssen erst wieder angeeignet werden. Streik fällt eben nicht vom Himmel, sondern ist mühselige, alltagsschwere Gewerkschaftsarbeit. Das müssen auch die Mitglieder der LINKEN, die solidarisch sind, wieder lernen.

Für die kommende Woche hat sich Steinbrück zum Besuch angesagt. Er will die Urabstimmung besuchen und für seinen Wahlkampf punkten. Steinbrück kommt, aber die LINKE war schon da, könnte man ironisch sagen. Im Bundestag haben Steinbrück und die SPD nichts gebracht für die Amazon-Beschäftigten. Wenn der SPD-Kanzlerkandidat Amazon besucht, wäre das eine gute Gelegenheit, dem Hartz-IV-System aus Drangsalierung und Schikane eine grundsätzliche Absage zu erteilen. Herr Steinbrück, sprechen Sie die einfachen Sätze nach und üben Sie sie ordentlich ein: „Hartz IV war ein Riesenfehler, von Anfang an und rundum. Hartz IV kann nicht reformiert, sondern muss abgeschafft werden.“ Solche Sätze wird man leider von Steinbrück nicht hören, ganz im Gegenteil. Altkanzler Schröder und Kandidat Steinbrück feiern sich, klopfen sich auf die Schulter und fühlen sich gewaltig. „Wir haben den Arbeitsmarkt reformiert, Niedriglöhne durchgesetzt, ein Zwangssystem errichtet – aber ganz so laut können wir das jetzt nicht sagen. Es ist Wahlkampf.“ Steinbrück und Fans mögen heute Auswüchse von Leiharbeit und Dumpinglöhne beklagen und der Amazon-Geschäftsleitung vortragen, dass es so aber nicht gehe. Doch an Leiharbeit und Dumpinglöhnen, an Hartz-IV-Gesetzen halten sie fest. DIE LINKE will die Hartz-Gesetze abschaffen und den Arbeitsmarkt sozial regulieren.

Die beste Antwort der Amazon-Beschäftigten wäre eine Entscheidung für den Streik und dann wollen wir mal sehen, wenn gestreikt wird, wer vor dem Betriebstor solidarisch mit den Beschäftigten ist. Wäre doch toll, eine Soli-Schicht der Kaffeeversorgung, der Flugblattverteilung von Bundestagsabgeordneten einzurichten. DIE LINKE wird kommen. Kommen Sie auch, Herr Steinbrück? Oder bleibt es bei der Eintagsfliege?

Wolfgang Gehrcke