Solidarität mit Bradley Manning

01.06.2013
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Am 01.06.2013 fand eine Solidaritätskundgebung für den Whistleblower Bradley Manning vor dem Brandenburger Tor statt, auf der auch Wolfgang Gehrcke redete:

Liebe Freundinnen und Freunde,

ich denke, dass man Bradley Manning als moralische Herausforderung verstehen muss, eine moralische Herausforderung an die Gesellschaft. Er hat Kriegsverbrechen öffentlich gemacht. Jemand, der ein Kriegsverbrechen öffentlich macht, ist ein Vorbild und muss gelobt werden, nicht bestraft. Das muss man auch in den Parlamenten aussprechen! Es ist leider so, dass die USA ein Folterstaat sind und Kriege führen. Jeder, der gegen Folter und Krieg auftritt, leistet einen Beitrag zu einer besseren Welt, die immer noch möglich ist.

Jetzt war in der Presse zu lesen, dass der amerikanische Botschafter Murphy zurückgeht in die USA und dass er sehr umstritten war, weil seine Berichte über die deutsche Politik in WikiLeaks wiedergefunden wurden. Ich habe nichts gegen Murphy, sein Bericht über mich war ganz anständig, er hat geschrieben: „He is a good guy, but he is a left guy.“ Ja, dass ich links bin, darauf bestehe ich. Aber es ist doch interessant, über was debattiert wird oder worüber nicht. Es war ein Segen, dass WikiLeaks Dokumente, die auf den Tisch gehören, in die Weltöffentlichkeit gehören, endlich öffentlich gemacht hat. Diesen Anspruch muss man verteidigen, auch als Bundestagsabgeordneter.

Immer wenn es spannend wird in den Ausschüssen im Bundestag heißt es: „Geheim“. Wenn zum Beispiel der deutsche Geheimdienstchef im Auswärtigen Ausschuss über die Lage in Syrien berichtet, und sagen muss, dass seine Prognosen bislang alle falsch waren, dass die Lage eine ganz andere ist und wo Waffen herkommen, ist das geheim. Der Ausschussvorsitzende, eigentlich ein ganz netter Kerl, sagt, ich darf das nicht öffentlich machen, weil ich mich strafbar machen würde als Abgeordneter. Die deutschen Abgeordneten müssen endlich begreifen, dass sie nicht Abgeordnete der Regierung sind und um die Wahrheit zu verschweigen, sondern dass sie verpflichtet sind, das, was sie erfahren, öffentlich zu machen. Das muss man begreifen, sonst braucht man nicht in das Parlament zu gehen. Wir sind viel besser geschützt als Bradley Manning. Ich möchte, dass wir Bradley Manning in vielen Debatten im Bundestag immer wieder als Beispiel heranziehen.

Ich habe großen Respekt vor dem Whistleblower. Ich habe mir immer vorgestellt: Was wäre, wenn Sachen nicht mehr geheim sind und alle das wissen, was heute geheim gehalten wird? Dann wäre dieses Wissen als Herrschaftsinstrument untauglich geworden! Von einer Linken, die etwas auf sich hält, erwarte ich, dass wir Dokumente, die als geheim eingestuft werden, öffentlich machen, um eine Debatte darüber zu erreichen. Das ist notwendig, egal ob es sich um Wasserverträge handelt oder um politische Dokumente zu Kriegen. Wir haben Öffentlichkeit herzustellen, Öffentlichkeit ist immer gut für die Demokratie. Wer im Geheimen predigt, will Demokratie abbauen. Dem sollten wir widerstehen.

Sie und meine Kollegen bitte ich um eins: Lasst uns Bradley Manning nicht allein lassen! In der Zelle, in der Haft fühlt man sich schweineallein, in der Gemeinschaft ist es leichter. Lassen Sie uns alles tun, um den Kontakt zu ihm aufrecht zu halten, ihm immer wieder zu sagen: Wir danken Dir, Du bist Teil unserer Gemeinschaft, wir wollen mit Dir zusammenarbeiten. Das ist das, was wir tun müssen, und das nennt man gemeinhin Solidarität. Darum bitte ich Sie. Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben!