… und nicht vergessen, die Solidarität!

Redebeitrag von Wolfgang Gehrcke auf der Griechenland-Solidaritätsdemonstration am 14.03.2015 in Berlin
14.03.2015
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Wichtig ist jetzt, dass wir überall, wo wir können - und wenn es nur fünf Leute in einem Ort sind, aber in tausend Orten fünf - Menschen in Solidarität mit Griechenland auf die Straße bringen müssen. Wir müssen uns an die Seite Griechenlands stellen.

Ich leihe mir für meinen Text einige Zeilen von Günter Grass. Es ist ein von ihm in den letzten Jahren geschriebenes politisches Gedicht. Und ich bin mir sicher, dass die Herrschenden wieder schreien werden, es wäre keine Literatur. Literatur, die Probleme anspricht, ist für die Herrschenden immer Unliteratur. Literatur, die Probleme verschweigt, ist für die Herrschenden dann Literatur. Schauen Sie, dass Gedicht hat die Überschrift „Europas Schande“. Und reden wir zuerst über Schande, über die Schande einer Regierung, deren Politik so ist, wie dieses Gebäude (das Bundesfinanzministerium in Berlin) aussieht: kalt und abweisend.

Das ist die Politik dieser Bundesregierung – nicht nur gegenüber Griechenland, sondern auch gegenüber den Menschen im eigenen Land. Das ist eine Schande. Und ich hoffe sehr, dass wir nicht irgendwann über unsere eigene Schande reden müssen. Unsere eigene Schande wäre, wenn wir es nicht schaffen, uns in allen europäischen Ländern an die Seite von Griechenland zu stellen, uns an die Seite einer linken Regierung zu stellen. Wenn wir Griechenland alleine lassen, haben wir die Kämpfe im eigenen Land verloren. Das müssen wir heute deutlich machen, liebe Freundinnen und Freunde.

Günter Grass hat geschrieben:

Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,
dessen Geist Dich, Europa, erdachte.

Lassen Sie uns doch ein Stückchen griechischen Geist, griechischen Kampfeswillen nach Deutschland importieren. Das wär doch was, wenn dieser Geist bei uns sich verbreitet. Griechenland, die griechische Regierung braucht heute Zeit und einen Schuldenschnitt. Ein Schuldenschnitt, weil: es sind nicht die Schulden des griechischen Volkes, sondern es sind Schulden, die Menschen gemacht haben, die in großem Reichtum leben. Ohne Schuldenschnitt wird Griechenland die Probleme nicht bewältigen können. Und: Griechenland braucht viel Solidarität, überall in der Welt und auch hier, insbesondere in Deutschland. Griechenland muss aus den Klauen der Troika befreit werden, damit es sich erneuern kann: Verbesserung der sozialen Verhältnisse, die Arbeitslosigkeit muss bekämpft werden, Gesundheitsversorgung und Einkommen müssen verbessert werden. Griechenland muss investieren können in Menschen, in die Köpfe der Menschen, damit sich die Wirtschaft auch in diesem Land wieder entwickeln kann. Darum muss man kämpfen, deswegen Schuldenschnitt.

Griechenland braucht einen anderen Umgang in Europa. Dieses Land und seine Politiker werden abgekanzelt, von oben herab behandelt. Unsere Regierung strahlt die Bitternis, die Kümmernis, das Verkümmern dieses Finanzministers Schäuble aus. Er ist die Bitternis und ich kann es ja verstehen, wenn er seine Konkurrenten sieht. Jung, agil, angreifend, eine andere Politik präsentierend. Da muss ein Schäuble dran verzweifeln. Das sieht man doch in diesen sogenannten Verhandlungen; deswegen wäre es doch ganz gut wenn wir ein bisschen davon lernen würden in diesem Deutschland.

Günter Grass schreibt:

Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land,
dem Dank zu schulden Dir Redensart war.

Stimmt das? Als Schuldner nackt an den Pranger gestellt, leidet ein Land, dem Dank zu schulden ist. Kann man nicht die Zeilen von Günter Grass aufnehmen? Ich finde den Ton aus Berlin untragbar.

Aber das war nicht immer so. Es hat griechischen Regierungen gegeben, die von den Bundesregierungen engstens umarmt worden sind. Die Schlamper von der „Neuen Demokratie“ und von der PASOK waren hier immer willkommen, weil sie nicht die Interessen des griechischen Volkes vertreten haben. Und gehen wir noch ein bisschen weiter zurück, in die Zeit der faschistischen Herrschaft in Griechenland, von Papadopulos und Pattakos. Diese Faschisten haben in Deutschland-West offene Türen gehabt. Die Bundeswehr hat mit dieser griechischen Armee zusammen Manöver durchgeführt. Strauß war ein enger Freund der griechischen Faschisten. Da war die griechische Regierung willkommen.

Ich finde auch, die Verantwortung dieser Mehrheitspartei im Bundestag zu ihrer eigenen Geschichte, die Faschisten gehätschelt und umarmt hat, diese Verantwortung muss man ansprechen, darüber dürfen wir nicht weggehen, das dürfen wir ihnen nicht nachsehen. Und das hat eine lange Spur in der Geschichte. Ich finde es besonders empörend, dass die Forderungen der griechischen Regierung nach Begleichung der Kriegsschulden Deutschlands, nach Reparationskosten, so von oben herab ohne Verhandlungen zurückgewiesen werden. Das ist moralisch schändlich, das ist politisch falsch, das ist unakzeptabel. Wir haben es mit einer moralisch-schändlichen Haltung der Bundesregierung zu tun und ich möchte, dass das ausgesprochen wird.

Wir müssen als Linke, macht ja kein anderer, einen Antrag im Bundestag einbringen, in dem wir verlangen, dass diese Forderungen, die berechtigt sind, die moralisch berechtigt sind, die politisch berechtigt sind, dass diese Kosten endlich bezahlt werden – Sie sind viel zu lange offen geblieben. Wir brauchen eine solche Politik, dass wir uns zu der moralischen Schuld Deutschlands bekennen. Und das heißt: Man muss die Kosten bezahlen. Ausgleichen kann man den Massenmord sowieso nicht. Auch daran misst sich eine Regierung, ob sie bereit ist, zu sagen: Ja - wir stehen dazu, ja - wir wollen unseren Beitrag leisten, damit das beendet wird. Ich finde, eine solche Politik wäre notwendig, und ich bitte Sie sehr: Lassen Sie sich nicht irre machen von Argumenten, die sagen, die Griechen wollen jetzt schon wieder Geld haben. Griechenland fordert, dass das, was der Bevölkerung dieses Landes angetan wird, beendet wird und das, was in der Geschichte passierte, endlich aufgearbeitet wird. Und vor der Aufarbeitung drückt sich diese Bundesregierung und das darf man nicht hinnehmen, liebe Freundinnen und Freude.

Man kann viel auch kritisieren an dieser neuen Regierung, die erst kurz im Amte ist. Das sollten wir mächtig tun, wenn wir unsere Pflicht getan haben. Alle, die bereit sind, in Deutschland, in Europa für eine andere Politik zu kämpfen, haben das Recht auf Kritik. Wer das nicht tut, sollte seine Töne etwas mäßigen. Durch die Tat können wir beweisen, dass wir solidarisch sind. Und um diese Tat bitte ich Sie und diese Tat müssen Sie von uns abfordern, die wir im Bundestag sitzen, wenn wir zu irgendetwas nützlich sind. Das ist unsere Aufgabe, solche Fragen zu stellen und nicht nachzulassen und zu sagen: Wir wollen eine andere Politik auch in Deutschland. Unsere Feinde sind nicht die griechischen Rentner, die Reinemachefrauen, die Arbeiterinnen und Arbeiter. Auch die Gewerkschaften müssen begreifen, dass man in Deutschland drauf zahlt, wenn man Griechenland nicht verteidigt. Das muss deutlich werden.

Herzlichen Dank