blockupy im Bundestag – statt Aufklärung Kriminalisierung der Proteste

19.03.2015
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Die kurzfristig angesetzte Debatte des Bundestages zu den Frankfurter blockupy-Protesten hatte nur den Sinn, die Demonstrantinnen und Demonstranten zu kriminalisieren, die EZB zu entschuldigen, die LINKE zu diffamieren und für eine Verschärfung der Anti-Demonstrationsgesetze zu werben. Aufklärerischer Gehalt, was die Reden von CDU/CSU und SPD angeht, gleich Null. An Katja Kipping, Heike Hänsel, Sabine Leidig prallten die Vorwürfe von Gewalt ab.

Gewalt ist nicht nur abzulehnen, sondern blockiert die Teilnahme von vielen Menschen an Demonstrationen und Aktionen. Es darf nicht sein, dass massenhaft negativ und ausschließlich über Gewalt und nicht über das Anliegen der großen Mehrheit der Demonstranten gesprochen wird. Ich sage Nein, ohne jeglichen doppelten Boden, zu Gewalt sowohl gegen Menschen als auch gegen Sachen. Keiner wird mich überzeugen, dass Blockaden, Sitzblockaden und andere, ein Mittel der Gewalt wären. Nach meinen Erfahrungen – und ich habe oft an solchen Blockaden teilgenommen – sind Blockaden und Besetzungen legitime Mittel des Demonstrationsrechtes. Das Demonstrationsrecht wurde Dank der 68er liberalisiert und ausgeweitet. Das will der Innenminister und wollen entsprechende SPD-Politiker rückgängig machen.

Viele Menschen haben Anlass, sich beim Anmelder der Demonstration, dem Mitglied des Hessischen Landtages Ulrich Wilken zu bedanken. Menschen wie Ulrich Wilken, die bewusst auch das Risiko öffentlicher Kritik auf sich genommen haben, ist es zu verdanken, dass tausende junge Menschen überhaupt wieder ein Interesse an der parlamentarischen Demokratie gefunden haben. Johannes Kahrs, der Rechtsaußen der SPD, will den Polizeiknüppel rausholen. Wilken, DIE LINKE, will Demonstrationsfreiheit und politischen Dialog. Gewalt stärkt die Polizeistaatswerbung. Der Verzicht auf Gewalt und massenhafter Protest stärkt die Demokratie. Willi Brandt war klug genug, 68 den angeblich gewaltbereiten Demonstranten das Angebot zu unterbreiten, mehr Demokratie zu wagen. Thomas de Maiziere und Horst Kahrs wollen weniger Demokratie. Das unterscheidet grundsätzlich Denkrichtungen. Ulrich Wilken steht in der Tradition des „Mehr Demokratie wagen“. Was sich heute im Bundestag abgespielt hat, von den meisten – nicht allen – Sprecherinnen und Sprechern war: „Knüppel aus dem Sack!“

Und trotzdem bleibt die Frage: Wie konnte eine solche Kälte über die Gesellschaft kommen, dass viele junge Menschen glauben, sich nur mit Gewalt dagegen zur Wehr setzen zu können? Medienreaktionen und ein Teil der Bundestagsdebatte geben ihnen scheinbar Recht. Über Gewalttäterinnen und Gewalttäter wird gesprochen, über das Anliegen der Masse der Demonstranten nicht. Jeden Tag sehen junge Menschen Bilder von gewaltsamen Militäreinsätzen, von Zwangsräumungen in Griechenland, Spanien, Portugal, vom Elend des Hartz-IV-Systems, und ein alter Gedanke setzt sich wieder fest. Macht kaputt, was euch kaputt macht!

Ich habe dieser Überlegung bereits 68 widersprochen und tue es heute erneut. Aber ich gebe zu, die Herrschenden in unserer Gesellschaft, die Bürokraten in der EU, diese verfluchte Troika tuen alles, dass solche Gedanken an die Stelle von Politik treten. Ich bin dafür, dass massenhafter Protest die Gesellschaft verändert. Militante Aktionen Einzelner sind dazu nicht in der Lage. Außerdem: Menschen, die mehr als vierzig Jahre lang sich in Demonstrationen für Demokratie und eine andere Gesellschaft engagiert haben, die nicht sofort Angst vor der Staatsgewalt an den Tag legen, wissen auch, dass das Ergebnis der Aufklärung mancher gewaltsamer Aktionen agent provocateurs an den Tag gebracht hat.